HALBMASTULRICH KIND
25.10.1948 in Berlin Mein langjähriger Freund, der Liedermacher Ulrich Kind, mit dem ich 1978 die Gruppe Handstreych gründete, ist im Alter von 62 Jahren gestorben. Drei Jahre lang hat er ohne zu klagen gegen den Krebs gekämpft. Zwei Wochen vor seinem Tod holte er seine Gitarre und sang mir ein uraltes Anti-Franco-Lied von Wolf Biermann vor, das er gerade entdeckt hatte. Mit Biermann fühlte er sich schon in der DDR, wo er unter schwierigen Umständen aufwuchs, seelenverwandt. Uli floh unter gefährlichen Umständen 1973 in den Westen. Sein anderes großes Vorbild war Georges Brassens, dessen Lieder er hingebungsvoll in ein gut singbares Deutsch übersetzte. So entstand im Laufe unserer dreißigjährigen Zusammenarbeit als Liedermacherduo die auch in Frankreich wahrgenommene CD Neben meinem Baume (Trend Records, 2003), von der das Lied Gesang für den Elsässer 2002 auf dem dritten Platz der Liederbestenliste landete. Ulrich starb in etwa demselben Alter und an einer ähnlichen Krankheit wie Georges. Er konnte seine Übersetzungen noch in einem Buch veröffentlichen (siehe www.handstreych.de und Buchrezensionen in Folker 2/2009 ). Bei unserem letzten Treffen musste ich ihm versprechen, dass ich Handstreych am Leben erhalte. Das werde ich tun, Uli. Ich danke dir für alles. Rainer Reno Rebscher, Musikerkollege von Ulrich Kind ENRIQUE MORENTE (COTELO)
25.12.1942 in Granada, Spanien Um eine künstlerisch überaus wertvolle Persönlichkeit ärmer ist die Welt – weit über Spanien und den Flamenco hinaus. Man vergaß, dass der cantaor, der nie Meister genannt werden wollte, schon auf die siebzig zuging. Der Mann mit der mehr charismatischen denn exzellenten Gesangsstimme war jünger als mancher dreißigjährige Kollege, kraft seines offenbar unerschöpflichen Innovationsgeistes. Der entlud sich statt mit Tamtam und großen Gesten in feinen, zwischen Musik, Poesie und Malerei weise agierenden Ideen. Auch dann, wenn die Provokation in der Luft und die Traditionsgrenzen nah zu liegen schienen, wie bei der Arbeit mit der Rockband Lagartija Nick. Auf dem Album Omega (1996), ein Meilenstein des zeitgenössischen Flamenco, hört man den Sänger, umgeben von teils heftigen Metalsounds, mit seinen direkt oder indirekt von Cohen und Lorca inspirierten Liedpoesien. Etwas gleichsam Sakrales und Irdisches wuchs der Kunst dieses bodenständigen, eng mit Granada und dem Albaicín-Viertel verbundenen Andalusiers inne. Ein bescheidener Mann, mit stets verschmitztem Lächeln und einem Schuss Rock-n-Roll-Esprit lässt nach seinem brüsken Tod in Folge einer Krebsoperation außer einer Unmenge zutiefst betroffener, ratloser Menschen immerhin auch eine konkrete, hörbare Spur seiner selbst zurück: die renommierte cantaora Estrella Morente, eine der beiden ebenfalls singenden Töchter. Katrin Wilke GERRY RAFFERTY
16.4.1947 in Paisley, Schottland Es war ein weiter Weg von den Folkanfängen mit den Humblebums, sprich Billy Connolly, über seinen ersten Welthit mit der Gruppe Stealers Wheel Stuck In The Middle With You mit der legendären Textzeile Clowns to the left of me, / Jokers to the right, / Here I am, stuck in the middle with you bis zu seinem größten Erfolg Baker Street. Alleine dieses Stück mit dem wohl bekanntesten Saxofonriff der Popgeschichte brachte ihm bis letztes Jahr jährlich 80.000 Pfund ein. Aber mit diesem Weltruhm hatte Rafferty Zeit seines Lebens Probleme. Der Nachruf in der Zeitung The Scotsman zitierte ihn wie folgt: Bob Dylan hat mal gesagt, Ruhm wäre ein Fluch. Wenn du diese Welt betrittst, dann ist dein Leben nicht mehr das des Beobachters im Leben, was mir immer sehr wichtig war. Dann bist du der Beobachtete. Er war ohne Wurzeln, zog von Sussex in die USA, obwohl er sich ein Haus in Strathpeffer in den schottischen Highlands gekauft hatte, in das er aber nie einzog, dann nach Irland, und zum Schluss mietete er ein Cottage in Dorset. Rafferty war nahezu chronisch scheu und kompensierte das zunehmend mit Alkohol. Obwohl eine der bekanntesten Zeilen in Baker Street lautete Hes gonna give up the booze and the one night stand, hat Gerry Rafferty schlussendlich den Kampf gegen den Alkohol verloren. Er starb an Leberversagen, zu Hause im Kreise seiner Familie. Mike Kamp CHARLIE LOUVIN
7.7.1927 in Henagar, Alabama, USA Rock- und Countrylegenden wie Elvis Costello und Dolly Parton ließen sich von seiner Musik inspirieren – jetzt ist die amerikanische Countrylegende Charlie Louvin im Alter von 83 Jahren an Krebs verstorben. Besonders in den 1950er-Jahren beeinflusste er maßgeblich die Country-, Bluegrass- und Alternativrockszene, als er gemeinsam mit seinem Bruder Ira im Duo als die Louvin Brothers auftrat. Erst 2001 wurden sie für ihr Wirken in die Country Music Hall of Fame in Nashville aufgenommen. Für Ira kam diese Auszeichnung posthum, denn er starb 1965 durch einen Autounfall. Bereits zwei Jahre zuvor waren er und Charlie musikalisch getrennte Wege gegangen. Zu Beginn ihrer musikalischen Karriere sangen die beiden nur traditionelle und Gospelmusik. Erst die Anregung eines Sponsors sorgte dafür, dass sie sich auch mit säkularer Musik zu beschäftigen begannen. 21 Alben veröffentlichte Charlie Louvin, sein letztes, The Battle Rages On (True North Records), erschien erst im letzten Jahr. Sein Tod kam überraschend für Familie und Fans, denn nach der Bauchspeicheldrüsenkrebs-Behandlung im letzten Sommer waren die Ärzte von einer vollständigen Heilung ausgegangen. Claudia Frenzel HEINZ MEES
11.5.1948 in Trebur Als einer der Vorgänger dieser Zeitschrift Ende 1977 als hektografiertes A5-Blättchen namens Michel-Folkzeitung an den Start ging, war Heinz Mees schon ein erfahrener Folk- & Liedermacherpublizist. Unvergessen ist eine Radiosendung 1979 von Tom Schroeder mit Mees und mir nach einem schwer durchzechten Ingelheim-Festival. 1972-1973 gab Heinz Mees zuerst die Zeitschrift Sing in heraus, die dann in das Folkmagazin überging, das Mees mit Wilhelm G. Reinheimer ziemlich professionell, aber dennoch nebenberuflich bis zur Pleite 1982 herausbrachte, seit 1979 im internationalen Magazinformat. Die ebenfalls von Mees und Reinheimer geleitete Edition Venceremos publizierte zahlreiche interessante Bücher und Büchlein zu den Themenbereichen Kabarett, Chanson, Folklore. Als der Folk-Michel 1988 auf Magazinformat umstieg, wollten wir Heinz Mees mit ins Boot holen. Er war durchaus interessiert, wir trafen uns in Bonn, aber dann blieb es bei der Intention. Sein Schwerpunkt lag fürderhin auf der Karl-May-Forschung, wo er ebenfalls ausführlich publizierte. Seine letzten zwölf, dreizehn Jahre waren dann leider von gesundheitlichen Problemen geprägt. Mike Kamp |
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