HALBMASTVICTORIA BUSISIWE „BUSI“ MHLONGO
28.10.1947, Inanda, Natal (heute Südafrika) , bis 15.6.2010, Durban, Südafrika Sie wirkte klein und zerbrechlich. Sie hatte privat, künstlerisch und politisch allerschlimmste Zeiten durchgemacht. Hautnah hatte sie Diskriminierung, Rassismus und Mord erlebt. Und dennoch hatte sie eine Kraft, zu ermahnen, zu ermutigen und zu verzeihen, dass es einem die Sprache rauben konnte. Sie konnte Sätze singen, die sich in die Haut tätowieren oder in Tafelberge meißeln ließen. Busi Mhlongo gehörte nicht zu den international bekannteren afrikanischen Künstlerinnen wie etwa Miriam Makeba. Doch in ihrer Heimat Südafrika war sie als mahnende Stimme eine Institution, und auch künstlerisch zollte man ihr großen Respekt. Sie mischte sich ein, sie mischte auf, immer aber mischte sie sich unters Volk, das sie trotz aller Kritik doch so sehr liebte. Mhlongo wuchs in Inanda auf, einem Township in Kwazulu-Natal im Südosten des Landes. Das hat sie für immer mit den Traditionen der Zulu verbunden. Doch sie liebte auch pulsierende Städte wie das nahegelegene Durban, und diese beiden Welten verband sie in ihrer Musik. 1970 verließ sie Südafrika, nachdem ihr Mann, ebenfalls Musiker, sehr jung gestorben war. Sie ging über Lissabon nach London, wo sie mit Landsleuten wie Dudu Pukwana arbeitete und zeitweilig Leadsängerin von Osibisa war. Später lebte sie viele Jahre in Holland, das ihr zur zweiten Heimat wurde. Ihr internationales Debüt, Babhemu, veröffentlichte sie erst mit fast fünfzig Jahren. „Erst als ich von zu Hause weg war, lernte ich, mich wirklich als afrikanische Frau zu akzeptieren, als schwarze Frau, als ein vollständiges Wesen, das seinen Platz in der Welt hat und gebraucht wird. Ich brauchte mich nicht länger aufzuführen als etwas, das ich nicht bin. Wegen der Apartheid habe ich das aber erst begriffen, als ich weg war aus Südafrika.“ 1985 ging Busi Mhlongo zurück nach Südafrika, mit Bildern eines Europa im Kopf, die scheinbar idealisierten. Was sie nach fünfzehn Jahren in Europa dann in Südafrika vorfand, überstieg die schlimmsten Albträume. Ihr Land war auf dem Gipfel der Paranoia angekommen, und zwar in allen Farben: „Ich hatte völlig verdrängt, dass ich in die Apartheid zurückgekehrt war und musste registrieren: Das ist meine Heimat! Ich bekam Sachen zu sehen, die ich nie zuvor mitansehen musste, wie jemand vor deiner Nase umgebracht wird – du sagst noch ‚Hallo‘, und zwei Minuten später liegt er da, rot vom Blut von Kopf bis Fuß. Oder einer läuft brennend an dir vorüber. Und dann siehst du Kinder, die ganz selbstverständlich mit so was aufwachsen, das ist das Leben für sie!“ Das, was Busi Mhlongo dem Apartheidsregime entgegenzusetzen hatte, war tanzbar. Zugleich aber war es für sie eigentlich auch tabu. Denn Maskanda, wie die traditionelle Musik der Zulu heißt, war bis dahin reine Männersache. Mhlongo machte daraus eine urbane Tanzmusik mit anspruchsvollen Texten. Als sie 2009 ihr letztes Album aufnahm (Amakholwa), war sie von ihrem Krebsleiden schon sichtbar angeschlagen und sagte, die Fans würden schon deswegen überrascht sein, weil sie überhaupt noch lebe. Es war ihr Abschiedsgeschenk an uns. Und sie wusste es. Luigi Lauer NAPHTALI „TULI“ KUPFERBERG
28.9.1923, New York City, USA, bis 12.7.2010, New York City, USA Wer den Film Burn after Reading von Joel Coen mit George Clooney und Brad Pitt gesehen hat wird im Abspann diesen Song gehört haben: „CIA Man“. Tuli Kupferberg hatte ihn 1965 für das kurz zuvor von ihm und Edward Sanders gegründete satirisch-literarische Rockkabarett The Fugs geschrieben. Bereits sieben Jahre zuvor hatte der Künstler das Magazin Birth ins Leben gerufen, das wichtige Autoren der Beat Generation wie Allen Ginsberg veröffentlichte. 1961 erschien sein Buch Beatniks or The War against the Beats, 1966 sein wohl bekanntestes Werk, 1001 Ways to Beat the Draft. Für die Fugs steuerte Kupferberg viele Songs bei, deren freizügige Texte über Sex, Drogen und Politik das Lebensgefühl der Hippies beschrieben und das gesellschaftliche und politische Establishment parodierten. Die Fugs spielten eine wichtige Rolle innerhalb der Antivietnamkriegsbewegung. Eine ihrer spektakulärsten Aktionen war eine Teufelsaustreibung vor dem Pentagon 1967. Ein Jahr später brachten sie bei den Essener Songtagen ein Schwein als ihren amerikanischen Präsidentschaftskandidaten mit auf die Bühne. Danach löste sich die Band auf. 1984 gab es ein erstes Reunionkonzert. Von da an gab es wieder neue Alben, Auftritte und Tourneen der Fugs und nach No Deposit, No Return (1966) veröffentlichte Kupferberg 1989 sein zweites Soloalbum Tuli & Friends. Als 2003 das Album The Fugs Final CD (Part 1) erschien, bezeichnete sich der damals Achtzigjährige als den „ältesten Rockstar der Welt“. Im vergangenen Jahr erlitt Kupferberg zwei Schlaganfälle, durch die er fast völlig erblindete. Im Januar traten neben Ed Sanders und anderen Fugs-Mitgliedern unter anderem Lou Reed, Philip Glass und Sonic Youth bei einem Benefizkonzert für Kupferberg auf. Noch vor seinem Tod beendeten die Fugs die Aufnahmen zu Be Free: The Fugs Final CD (Part 2). Am 12. Juli verstarb Kupferberg im Alter von sechsundachtzig Jahren. Michael Kleff PAULO MOURA
15.7.1932, São José do Rio Preto, Brasilien, bis 12.7.2010, São Paulo (Brasilien) Brasilien hat Abschied genommen von einem der bedeutendsten Musiker des Landes: Paulo Moura, Klarinettist und Saxofonist, starb am 12. Juli, wenige Tage vor seinem achtundsiebzigsten Geburtstag. Noch im Krankenhaus hatte er gelegentlich zum Instrument gegriffen, wie bei der letzten von mehreren „Jamsessions“ am Krankenbett, die langjährige Freunde und Kollegen wie der Pianist Wagner Tiso noch zwei Tage vor Mouras Tod für ihn organisiert hatten. Vom großen Menschenfreund berichteten in den Tagen danach die Weggefährten der verschiedenen Generationen, wenn sie vom Musiker Moura sprachen. Moura wurde 1932 in São José do Rio Preto, einige Autostunden entfernt von der Metropole São Paulo im gleichnamigen brasilianischen Bundesstaat geboren. Sein musikalischer Weg führte über die Tanzkapellen frühester Jugend, speziell die des eigenen Vaters, in der fast die ganze Familie spielte, hin zu den großen Orchestern der Fünfzigerjahre. Mouras liebstes Ensemble aber blieb bis zum Schluss das klassische Jazzquartett, und seine Bedeutung als Instrumentalist mit ganz eigenem Ton ist allemal der der großen Traditionalisten der Jazzklarinette vergleichbar. Moura war (auch wenn der Vergleich eher schräg klingen mag) Brasiliens Benny Goodman. Aber gerade das macht seine Karriere so besonders. Denn zwar war Brasiliens Unterhaltungsmusik spätestens mit dem legendären Pixinguinha auf Klarinetten- und Flötentöne fixiert – aber es blieb die Ausnahme, dass sich ein Jazzmusiker so weit heranarbeiten konnte an den Kern, den inneren Kreis der Traditionen von Samba, Tropicalismo und Musica Popular Brasileira. Mouras Quartett spielte eigentlich Jazz, war aber anerkannt auch in allen näheren Nachbarschaften. Deshalb trauern so viele in Brasilien über den Tod dieses besonderen Musikers. Michael Laages ATE DOORNBOSCH
1.1.1926, Nuis, Niederlande, bis 23.7.2010, Schiedam, Niederlande
Noch 2009 wurde der da bereits dreiundachtzigjährige niederländische Liedsammler
und Radiomacher Ate Doornbosch gewürdigt. Ende Dezember 2008 erschien bei der
Amersfoorter Plattenfirma Music & Words Onder De Groene Linde
(dt. „unter der grünen Linde“, siehe auch Ken Hunt |
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