FOLKER – Rezensionen

Besondere CDs


DIE BESONDERE – DEUTSCHLAND

DÁN
Moving In Decency

(Eigenverlag, go! www.danmusic.de )
19 Tracks, 62:57, mit dt. Infos

DÁN

Die drei Mitglieder von Dán, Johannes Mayr (Akkordeon, Kontrabass, Piano, Gesang; wohnhaft im Westerwald), Jørgen W. Lang (Gesang, Gitarre, DADGAD-Bouzouki, Low Whistles, darunter eine für Obertöne modifizierte; Elsass) und Franziska Urton (Geige, Satzgesang; Münsterland) gehören zweifelsohne zu den Besten der deutschen Folkszene. Dass sie nicht nur in der irischen und schottischen, sondern auch in diversen kontinentaleuropäischen Musiktraditionen zu Hause sind, kommt auch ihrem Projekt Dán und dessen zweitem Album zugute. Es ist einfach wieder grandios, wie sich die drei ihre Instrumentalbälle zuwerfen, mal Akkordeon, mal Geige, mal Bouzouki die eigentliche Melodie spielt, während die zweite Stimme innerhalb eines Stückes mehrfach von einem Instrument zum anderen wechselt oder die anderen beiden Instrumente das Leadinstrument akkordisch begleiten, woraus nicht selten fast ein Bordun oder ein Basso continuo wird. Dabei gibt es immer wieder Variationen, Verzierungen, Tonartenwechsel, sodass das Zuhören desto mehr Spaß macht, je genauer man hinhört. Das gilt auch für die Instrumentalbegleitungen der Lieder, bei denen Urton und Mayr dem inselkeltischen Lied auch mal selbst komponierte Tunes kontinentaler Tradition auf eine Art beifügen, dass ihre Bi-Provenienz auffällt, es aber wirkt, als haben sich zwei getrennte Geschwister wiedergefunden. Auch die Instrumentalsets sind manchmal ein solches Familientreffen: Mal gesellt sich balkanische, mal skandinavischer Verwandschaft dazu, und es passt alles wie nie getrennt. Allein Jørgen W. Langs groovige Stimme entwickelt diesmal nicht die Intensität von Stranger At The Gate (2005). Vielleicht ist sie auf seinem ebenfalls gerade erschienen Solodebüt Twylight in gewohnter Klangfülle zu hören (siehe Besprechung in dieser Ausgabe unter „Kurzschluss“). Und leider gibt es diesmal kein Booklet, also keine Texte und wenige Infos. Trotzdem ein besonderes Album!

Michael A. Schmiedel

 

DÁN – Moving In Decency


DIE BESONDERE – SÜDAMERIKA

ACHO ESTOL
Buenosaurios. Leyendas De La Noche De Los Tangos

(Galileo MC GMC 034, go! www.galileo-mc.de )
16 Tracks, 45:52, mit span. u. engl. Texten u. Infos

ACHO ESTOL

Bisweilen herrscht der Eindruck, der Tango ließe sich derzeit nur per Elektronik – mehr oder weniger geglückt – modernisieren. Dass es auch anders geht und man trotzdem den Wurzeln nah sein kann, beweist der begnadete, weltgewandte Songpoet Acho Estol auf seiner zweiten Platte unter eigenem Namen. Deren Titel verweist auf seine Heimatstadt Buenos Aires, wo er mit seiner Lebens- und Arbeitsgefährtin Dolores Solá im populären Duo La Chicana unterwegs ist. Er kennt und liebt den Tango genauso wie den Rock ’n’ Roll oder den Flamenco, der ihm spätestens seit einem längeren Aufenthalt in Spanien ans Herz gewachsen ist. All diese musikalischen Passionen verbinden sich in den textlich fantasievollen, nicht selten philosophischen Liedern ganz herrlich zu etwas Neuem. Deutlichen Respekt für die Tradition, aber auch viel Frische und Luftdurchlässigkeit lassen Estols Tangos spüren. Vor allem die Milongas und ein Candombe, die am stärksten afrikanisch geprägten musikalischen Hinterlassenschaften am Río de la Plata, überraschen durch gut platzierte, feine musikalische Gimmicks, eine singende Säge etwa, Maultrommel, eine derbe E-Gitarre. Der Multiinstrumentalist, gerne im Bühnenhintergrund, hat für jedes der 14 Vokalstücke einen anderen Interpreten handverlesenen: durchweg Männer, unter denen die ausgewiesenen Tangueros eher die Ausnahme sind. Die gesangs- und charakterstarken Liedermacher, Rocksänger sowie ein singender Schauspieler geben den Liedpoesien vom fallenden Boxer, dem Gaucho im Regen, dünnen Nutten, afrikanischen Gespenstern oder Mäusen im Labyrinth, die da die Nacht der Tangos durchstreifen ihre ganz eigene, meist genüsslich-melancholische Note. Das nach Dunkelheit, Cabaret und Verruchtheit riechende Konzeptalbum steckt noch dazu in einem schönen, wie ein Lyrikbändchen anmutenden Booklet, in dem man dank der englischen Übersetzungen die Texte dieser poetischen Kleinode genießen kann.

Katrin Wilke

 

ACHfO ESTOL – Buenosaurios

Update vom
09.02.2023
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