Besondere CDs
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DIE BESONDERE – DEUTSCHLAND
JASPER
Ohrenpost
(Ariola 8 86976 36342/Sony Music, www.sonymusic.de
)
Promo-CD, 13 Tracks, 45:28
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Jasper März aus Emden, Ostfriesland, 23 Jahre jung, schreibt Lieder – aber
was für welche! Knackige Texte und passgenau komponierte Melodien. Dazu singt er
mit einer Stimme, die kaum zu seinem jugendlichen Gesicht passen will:
ausgereift, stimmig, hochprofessionell. Sein akustisches Gitarrenspiel ist
druckvoll und rhythmusbetont. Dem Hörer vermittelt sich der Eindruck eines
routinierten Interpreten mit jahrelanger Bühnenerfahrung, Ohrenpost ist
sein zweites Album. Im Studio konnte Jasper sich auf die Erfahrung einiger
wirklich alter Hasen verlassen. Detlef Wiedeke, der schon in den Siebzigerjahren
mit Inga Rumpfs Frumpy durch die Lande tourte, betätigte sich als Produzent und
Tonmeister, spielte Bass und E-Gitarre. Der Niederländer Nick Oosterhuis, schon
zu hören auf Produktionen von Wanda Jackson und Tony Christie, zeichnet unter
anderem verantwortlich für die Arrangements und spielte auf Ohrenpost
Piano und Gitarre. Andreas Bohnenkamp komplettiert das Quartett mit Schlagzeug
und Perkussion. Eingespielt haben die vier frische, handgemachte Songs voll
Energie und Strahlkraft. Einige Lieder interpretiert Jasper nur zur Gitarre, was
dem Gesamthörbild zwischen treibendem Rockgewitter und zarten, poetischen
Klängen eine nahezu private Nuance hinzufügt. „Hätte ich“ ist ein Song
überverpasste Gelegenheiten, „Wie immer“ nimmt Konventionen und Rollenklischees
aufs Korn, „Gewittertierchen“ ist ein gleichermaßen liebevolles wie witziges
Lied. „Noch nicht müde“ verdeutlicht zeigefingerfrei, dass die reale Welt einer
virtuellen Welt auf die Dauer vorzuziehen sei. Die Liveaufnahme „Dörte D.“ ist
ein vielschichtiger Song mit satirischen Elementen, gewidmet einer russischen
Reinigungskraft. Die Texte des jungen Künstlers offenbaren eine detailgenaue
Beobachtungsgabe. Dennoch legt er Wert darauf, seine Erfahrungen nicht eins zu
eins umzusetzen, sondern lediglich als Rohmaterial für seine Songs zu benutzen.
Man glaubt es ihm. Da startet einer ganz gewaltig durch!
Kai Engelke
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DIE BESONDERE – ITALIEN
MATTANZA
Il Meglio Dei Mattanza
(Italian World Music IWM 251, www.italianworldmusic.com
)
14 Tracks, 45:29, mit Texten
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„Ein Volk ohne Geschichte ist wie ein Baum ohne Wurzeln.“ Mit diesen Worten
eröffnet die Gruppe Mattanza jedes ihrer Konzerte. Mimmo Martino, der Sänger,
Komponist und Bandleader der Gruppe, spricht von einem jahrzehntelangen Ethnozid
an den Kulturen Italiens. Daraus resultiert der provokative Gruppenname. Wer
würde hinter dem Namen „Schlächterei“ oder „Blutbad“ eine Folkband erwarten?
Beim Anhören des Albums wird schnell klar, dass Radio und Fernsehen die Schlacht
um die Gleichmacherei der italienischen Kultur noch lange nicht gewonnen haben.
Mattanza haben sich im gegnerischen Lager der Populärkultur gut umgehört. Sie
haben die Rezepte, wie man sich Gehör verschafft, verinnerlicht: Die Stücke sind
melodiös, kurz und auf den Punkt gebracht. Die Stimmen und Instrumente wurden
glasklar nach vorne gemischt und der Aufnahmepegel bis zum Limit aufgedreht.
Mimmo Martinos prägnanter, schneidender Gesang kontrastiert wunderschön mit der
Stimme von Domenica R. Buda. Wenn sie etwa „Nebbia A La Valle“, ein Traditional
aus den Abruzzen, anstimmt, ist man hin und weg. Ihr Gesang, der die Phrasierung
der Rock- und Volksmusik miteinander verbindet, ist voller Emotion, Kraft und
Schönheit. Ein weiterer Höhepunkt dieses an Höhepunkten reichen Albums ist das
sizilianische „Vitti Na Crozza“. Das Stück beginnt ruhig, mit filigranen
Saitenklängen und der Stimme Mimmo Martinos, es folgen ein paar hingeknallte
arabische Trommelwirbel, die Domenica R. Buda ankünden, bis das Lied mit noch
mehr Trommeln ins kurze Finale einmündet. Die Musik der Mattanza ist typisch für
den Mezzogiorno. Starke arabische Einflüsse geben sich mit barocken
Saitenklängen die Hand. Atypisch ist höchstens das Gefühl der Jetztzeit, die das
Album verströmt. Il Meglio Dei Mattanza
gehört ganz vorne in die Weltmusikcharts. Volksmusik aus Süditalien ist
vielschichtig und spannend. Und Mattanza tönen definitiv nicht wie
Hinterwäldler. Schade nur, dass die Liedtexte nur in den Originaldialekten
abgedruckt sind.
Martin Steiner
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DIE BESONDERE – KANADA
BRENNA MACCRIMMON
Kulak Misafiri – Events In Small Chambers
(Green Goat Music GGMCD 002, www.greengoatmusic.ca
)
13 Tracks, 67:38, mit 32-seitiger engl. und türk. Textbeilage mit Liedübersetzungen
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Bunte Schmetterlinge flattern um ein Ohr – das Cover verspricht
Sinnenfreude und Hörgenuss, das Album löst das Versprechen ein. Die Kanadierin
Brenna MacCrimmon gilt als eine der besten Sängerinnen türkischer Lieder
überhaupt. Ihre erste Begleitband war das später durch Fatih Akins Crossing The
Bridge bekannt gewordene Zigeunerensemble Selim Seslers. Auf Kulak Misafiri
entwirft die Türkei- und Balkanexpertin einen farbenfrohen, lustvollen Orient
fernab jeder verknöchert-akademischen Stilisierung. Neben Lang- und
Kurzhalslauten, der Trapezzither Kanun, der kurzen, schrillen Oboe Zurna, die
im vorderen Orient verbreitet sind, erklingen Saxofon, Cello, Drehleier, Banjo
und Vibrafon. Die Musiker – überwiegend armenischer, türkischer,
griechischer und jüdischer Herkunft – bilden eine orientalische Diaspora
der USA und Kanadas. Mit ihnen verbindet Brenna MacCrimmon mit spielerischer
Leichtigkeit unterschiedliche Musikwelten – oder wie es in der
ansprechend illustrierten poetischen Textbeilage heißt: „Vielleicht schläfst du
im Zug nach Thrakien ein und wachst auf in der Eisenbahn nach Sante Fe, New
Mexiko“. Auch dort sowie an sechs anderen Orten in den USA und Kanada ging man
ins Studio, spielte jedes der Stücke mit eigenem Ensemble aus einem Pool von
insgesamt 32 Musikern ein. Das bleibt, mit viel Freiraum für
Instrumentalpassagen, zwar kleinteilig, klingt beim Jonglieren mit dem
Taktreichtum und der musikalischen Vielfalt der Türkei aber trotzdem wie aus
einem Guss. Mal begegnen wir einer Prise Jazz, mal einem Hauch türkischer
Klassik, wunderlichen Vogelstimmen, einem englischen Folksong, der Ansage aus
einem türkischen Radioprogramm. Unaufdringlich wurde Geräuschkulisse zwischen
die Lieder geflochten. Sie führt unsere Ohren in Cafes und ans Meer. Ein
prasselnder Regen wird plötzlich von einer Geige begleitet zum Musikinstrument.
Am Ende hören wir die Schiffe, die beim Überqueren des Bosporus Orient und
Okzident miteinander verbinden – wie dieses kunterbunte Album.
Birger Gesthuisen
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FOLKER auf Papier
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