FOLKER – Editorial

EDITORIAL

Liebe Musikfreundinnen und -freunde,

vor einiger Zeit meinte ein Kollege, dass er grundsätzlich nur über Künstler schreibe, die er persönlich gut finde. Ich musste nicht lange darüber nachdenken, um zu dem Schluss zu kommen, dass mit dieser Aussage genau der journalistische Ansatz beschrieben wird, den wir uns beim Folker nicht zu eigen machen wollen. Wir sind weder der verlängerte Arm von CD-Labels und Promoagenturen, deren Pressemitteilungen sich in künstlich verlängerter Form in den meisten großen Musikzeitschriften finden. Noch sind wir ein Fanzine, in dem meist jede „Aktivität“ des geliebten Objekts der musikalischen Begierde abgefeiert wird. Das aktuelle Heft ist ein ausgesprochen gutes Beispiel für das redaktionelle Selbstverständnis des Folker: berichten, dokumentieren, Hilfe zur Einordnung geben. So könnte man vielleicht einige der journalistischen Grundsätze beschreiben, die wir unserer Arbeit zu Grunde zu legen versuchen. Da ist zum Beispiel unsere Titelgeschichte, in der Cathrin Alisch Mikis Theodorakis würdigt – Künstlerpersönlichkeiten mit derart vielen Facetten sind heutzutage rar. Da ist der Bericht, in dem Helen Hahmann aufzeigt, wie Neonazis und Rechte Folkmusik für ihre Zwecke missbrauchen. Stefan Franzen zeichnet ein Porträt der madagassischen Sängerin Razia Said, die Musik ihres Landes als eine sanfte Waffe gegen die Umweltzerstörung einsetzt. Und in ihrem Gastspiel erläutert Ulli Langenbrinck vor dem Hintergrund der Erdbebenkatastrophe die vielfältigen Zusammenhänge von Musik und Politik in der Geschichte Haitis.

Die Deutsche Welle geht unter die CD-Produzenten. Im Februar wurde in Köln das erste Album in der neuen Reihe Edition Deutsche Welle vorgestellt mit Musik des in Deutschland lebenden Marokkaners Kamal Ben Hicham. Grundsätzlich ist dieses Engagement natürlich zu begrüßen. Nur möchte ich mit Blick auf den Programmauftrag des deutschen Auslandsrundfunks die Frage stellen, ob hier die Ausgabenprioritäten richtig gesetzt werden. Es gibt zum Beispiel keine Sendung der DW, die sich mit deutschsprachiger Musik beschäftigt. So wurde die Präsentation der Liederbestenliste eingestellt, weil es für eine entsprechende Sendung kein Geld mehr gäbe. Aber für eine CD-Edition mit ausländischen Künstlern sind die Mittel vorhanden, obwohl dies mit dem direkten Programm noch nicht einmal etwas zu tun hat?

Denjenigen unter Ihnen, die häufig DVDs kaufen, wird aufgefallen sein, dass jetzt auch Musik-DVDs auf dem Cover einen großen Aufdruck aufweisen, mit dem nachgewiesen wird, dass sie nach dem Jugendschutzgesetz und den Kriterien der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) geprüft sind. Große Ketten wie WOM, Saturn oder Media Markt führen seit 1. April keine DVDs mehr, die dieses – auch optisch reichlich unansehnliche – Logo nicht aufweisen. Kleinere Labels verweisen darauf, dass die neue Regelung vor allem für sie Konsequenzen hat. Sind die Kosten für den Neudruck der Cover und das erneute Pressen der Datenträger doch unverhältnismäßig hoch. Folgen hat die deutsche Gründlichkeit jedoch auch für die Konsumenten. Bei Konzerten oder über den eigenen Mailorderversand dürfen DVDs nicht mehr ohne das FSK-Logo verkauft werden. Und ob es dann ungekennzeichnete Import-DVDs noch legal im Handel geben wird, ist unklar.

Immer wieder bekommen wir E-Mails mit der Frage, wo frau denn Folker im Zeitschriftenhandel erwerben kann. Nun, da sind einmal viele Bahnhofsbuchhandlungen, die unsere Zeitschrift führen. Seit einiger Zeit gibt es aber auch die Möglichkeit, das jeweils aktuelle Heft beim Onlinemusikversand JPC zu bestellen: go! www.jpc.de . Leserinnen und Leser, die dort vielleicht auch CDs aufgrund eines Artikels oder einer Besprechung im Folker kaufen, können übrigens ein wenig Werbung für uns machen, wenn sie bei der Bestellung darauf hinweisen. Apropos Werbung in eigener Sache: Ich möchte Ihr Interesse an dieser Stelle noch einmal auf den „klingenden“ Folker lenken. Alle vier Wochen gibt es Musikbeispiele der jeweiligen aktuellen Ausgabe im Internetradio Byte FM. Präsentiert im Wechsel von Szeneredakteurin Claudia Frenzel, Herausgeber Mike Kamp und Ihrem Chefredakteur. Die nächste Ausgabe des Folker-Mixtapes steht am 21. Mai um 12.00 Uhr auf dem Programm. Einfach mal „einschalten“: go! www.byte.fm . (Die Sendungen lassen sich übrigens auch nachhören – Informationen dazu gibt es auf der ByteFM-Webseite.)

Und dann habe ich noch einen weiteren Punkt in eigener Sache: Unter info@folker.de geht häufig Post mit ganz persönlichen Anliegen ein. Da wird zum Beispiel nach dem Namen eines Künstlers gefragt, den man im Radio nicht genau verstanden habe, der sich in etwa so und so schreibe, ob man denn wisse, wer das sei. Natürlich freuen wir uns über das Vertrauen, das unsere Leserschaft offensichtlich in unser Wissen hat. Ich bitte jedoch an dieser Stelle um Verständnis, dass wir die unzähligen Anfragen, die nichts mit der direkten Hefterstellung und den Inhalten des Folker zu tun haben, aus zeitlichen und personellen Gründen beim allerbesten Willen nicht beantworten können. Ein Tipp jedoch: Die meisten Sachen lassen sich problemlos in eine Kleinanzeige packen, und die sind auf unseren Internetseiten und im Heft bekanntlich immer noch kostenlos. Einfach www.folker.de aufrufen und auf „Kleinanzeigen“ klicken. Darüber hinaus sind über Internetsuchmaschinen ungeahnte Informationen zugänglich!

Und damit wünsche ich Ihnen wieder einmal eine interessante und unterhaltsame Lektüre.

Ihr Folker-Chefredakteur
Michael Kleff

PS: Obwohl es mehr als genug Geschichten gibt, an dieser Stelle meine kleine Fortsetzungsreihe „Neues aus dem Land der Mutigen und Freien“ mit Inhalt zu füllen, will ich dieses Mal einen Blick ganz in den Norden des amerikanischen Kontinents werfen. Denn auch manchen Kanadiern scheint der Blick auf den Rest der Welt, in diesem Fall, auf alles, was nicht Englisch spricht, getrübt zu sein. In einem Editorial beklagte der Herausgeber der kanadischen Musikzeitschrift Penguin Eggs vor einiger Zeit die mangelnde Berichterstattung über Folk- und Weltmusik in den Mainstreammedien und kam zu dem Schluss: Die letzten Bastionen dieser Musikrichtungen würden die kleinen Fachmagazine wie Froots, Dirty Linen, Sing Out! und natürlich das eigene Blatt, also Penguin Eggs darstellen. Dem Kollegen scheint in seiner anglophilen Überheblichkeit entgangen zu sein, dass es da noch andere Zeitschriften in der Welt gibt, die sich mit viel Engagement der Berichterstattung über die Musikszenen widmen, die uns am Herzen liegen. Darunter, um nur einige zu nennen, New Folk Sounds (Niederlande), Roots Zone (Dänemark), Trad Magazine (Frankreich) oder Il Giornale della Musica (Italien). Und dann ist da natürlich auch noch der Folker! Der in der neuesten Ausgabe des Rough Guide To World Music immerhin als „eine der wichtigsten Folk und Weltmusikzeitschriften der Welt“ bezeichnet wird ...

Update vom
09.02.2023
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