Rezensionen Nordamerika
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AMY ALLISON
Sheffield Streets
(Urban Myth Recording Collective UM-128-2, www.umrecs.com
)
12 Tracks, 37:18, mit engl. Infos
Amy, die Tochter von Mose Allison, ist eine Anglo/Americana-Nummer für sich: von
ansteckender Leidenschaft und Kompetenz für die Musik versunkener Zeiten –
aber ein quäkendes Organ, in extremen Momenten fast eine Art Vuvuzela mit
anderen Mitteln, das echt nerven kann! Wenn auch nicht muss – zumal bei
viel Sympathie für die Künstlerin wie bei diesem Rezensenten. Nicht erst seit
der vorliegenden Hommage an Sheffield, South Yorkshire, wo die New Yorkerin in
den frühen Achtzigern in einem Diner arbeitete und das sie nun noch einmal
durchwandert. Von den „moors“ zu den „mills“, den „cathedral bells“ zu den
„brewery smells“ – „I felt alone / but oh it was so sweet / when I would
walk / down Sheffield streets“: Glossop Road, Spital Hill, Castle Gate und, und,
und. Die Musik dazu ist wie das ganze Album: auf den Punkt verfasstes
Balladensentiment im Stil der Jazz- und Rock-’n’-Roll-Ära, das nichts zu
wünschen übrig lässt – auch wegen Mitstreitern wie Vater Mose, Van Dyke
Parks, Greg Leisz oder Elvis Costello im Duett. Ist es ein Fluch, dieses Organ?
Oder ein Segen? Mainstreamradio und Musiktelevision werden diese Songjuwelen
jedenfalls sicher nicht in Grund und Boden nudeln ...
Christian Beck
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CRAIG BICKHARDT
Brother To The Wind
(Stone Barn Records CBCD 1003, www.craigbickhardt.com
)
12 Tracks, 49:42
Es gibt sie noch, die großen Liedermacher alter angloamerikanischer Schule wie
Gordon Lightfoot oder Ralph McTell. Craig Bickhardt aus Franklin, Tennessee, ist
einer. Offiziell im Country verortet, würde er auch als Sparringspartner von
Christy Moore oder Amos & Rocks eine gute Figur machen. Eine sanfte Stimme,
die doch Stärke ausstrahlt, intoniert Songs aus seinem farbenfrohen Leben. Dabei
wird er nur von seiner Gitarre und gelegentlichen, behutsam eingesetzten
Gastinstrumenten und -sängern begleitet. Bickhardt möchte man in einem kleinen
Folkklub hören, jedes Lied mitsingen und dabei einen heißen Tee schlürfen. Hier
noch kaum bekannt ist Craig Bickhardt doch eigentlich ein alter Hase.
Brother To The Wind
ist sein drittes Soloalbum, davor war er Teil der Gruppe S-K-B; Art Garfunkel,
B. B. King oder Ray Charles sangen seine Songs. Auf Brother To The Wind
findet sich nur eine Coverversion, das Traditional „Lord Franklin“, in einer
Interpretation nahe der von John Renbourn. Die restlichen 11 Tracks haben
wiederum das Zeug, von anderen Künstlern gecovert zu werden. Craig Bickhardt ist
einer der Großen – vielleicht werden das mit Brother To The Wind
auch die Europäer merken.
Chris Elstrodt
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BOP ENSEMBLE
Between Trains
(Cordova Bay Records CBR-0692, cordovabay.com
)
10 Tracks, 40:27
Es gibt Dinge, die erfordern behutsames Vorgehen – etwa Coverversionen von
Bob Dylans „Buckets Of Rain“ und „California Dreamin’“ von The Mamas and The
Papas. So gesehen sind beide Songs beim Bop Ensemble in guten, weil
fürsorglichen Händen. „Buckets ...“ verändert durch den zweistimmigen Gesang
angenehm seinen Charakter. Und der tausendmal gehörte
John-&-Michelle-Phillips-Klassiker gewinnt durch die Reduktion aufs
Wesentliche neuen Charme. Zwischen diese beiden Pole fügen sich die
Eigenkompositionen des Trios ohne Risse. Die sparsame Instrumentierung mit
akustischen Gitarren, Bass und Mundharmonika lässt eins zum anderen kommen. Und
nahezu jeder Song hat im positiven Sinne etwas, an das man sich beim Wiederhören
erinnert. Eine stille Schönheit zieht sich durch das Album des Ensembles, dessen
Name irritiert: Nein, es spielt keinen Jazz. Das „Bop“ geht auf die Initialen
der Beteiligten zurück, die in ihrer Heimat Kanada als große Folknummern gelten.
Die beiden älteren Herren Bill Bourne und Wyckham Porteous rahmen die
Mittzwanzigerin Jasmine Ohlhauser ein. Wie die das Traditional „Peace Like A
River“ in offensichtlich ehrlich empfundener Ruhe vorträgt, lässt einen neidisch
werden.
Volker Dick
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NATHAN ROGERS
The Gauntlet
(Borealis Records BCD 196/Al!ve, www.alive-ag.de
)
12 Tracks, 43:43, mit engl. Texten
Ist es Segen oder Fluch, Sohn eines legendären Singer/Songwriters zu sein, der
wie kaum ein anderer die kanadische Musik beseelte? Nathan Rogers’ tiefer
Bariton klingt auf seinem zweitem Album in Timbre und Phrasierung teilweise wie
ein wieder auferstandener Stan Rogers, gut zu hören bei „The Jewel Of Paris“
oder bei der traditionellen Child-Ballade „Willie O’Winsbury“. Dabei hat Nathan
es absolut nicht nötig, seinen Vater zu imitieren, seine Eigenständigkeit bewies
schon sein Debüt True Stories. Die Lieder von The Gauntlet
sind wiederum sehr persönlich, gelegentlich mit satirischem Biss, oft von
philosophischer Tiefe in kraftvoller, schöner Sprache, sehr poetisch.
Historische Themen wechseln mit gesellschaftskritischen wie in „Carmerica“. Für
das Selbstbewusstsein des Sohns spricht, dass er selbst den direkten Vergleich
nicht scheut und mit „The Puddler’s Tale“ ein unvollendetes Lied des Vaters
fertigstellte und aufnahm. Neben den großartigen Texten bietet dieses makellose
Album Melodien reinsten Ohrwurmcharakters, mit Arrangements zwischen Blues,
Country, Folk, und Rock. Unterstützt wird Rogers von diversen Gästen, darunter
fast die kompletten Duhks und die D-Rangers. Formidabel!
Ulrich Joosten
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RUPA & THE APRIL FISHES
Este Mundo
(Cumbancha CMB-CD-15/Exil Musik/Indigo, www.indigo.de
)
15 Tracks, 48:51, mit Texten und engl. Übersetzung
Auch dieses Album aus dem Hause Exil ist ein Wunderwerk, das in keinem
Musikschrank fehlen darf. Warum noch eine Rezension, wenn man jede
Veröffentlichung dieses Labels blind kaufen kann? Vielleicht weil
Este Mundo
selbst alte Gypsy-Verweigerer zu Zigeneuerbaronen mutieren lässt? Weil die
April Fishes so spritzig sind wie die alten Les Negresses Vertes? Oder weil
Rupa & The April Fishes dank frankophiler Neigungen offenherzig mit dem
Genre Chanson flirten? Die Frau aus San Francisco, die ihre Kindheit in Indien,
Amerika und wo auch immer am Mittelmeer verbrachte, ist überall zu Hause.
Vielleicht stimmt „überall“ nicht, denn Este Mundo
klingt, als wäre die ganze Welt nur ein Dorf und Rupa & the April Fishes
Kinder auf dessen Spielplatz. Leicht, voller Lebensfreude, ausgelassen und
beschwingt klingt das Leben dort. Lasst uns eine Sandburg bauen und dann
hineinrutschen. Das große Abenteuer wartet und findet in unseren Herzen statt.
Wenn es politisch wird, handeln Rupas Themen oft von Flucht und Flüchtlingen
– so bleibt sie autobiografisch, auch wenn sie die Geschichten anderer
erzählt. Este Mundo
erzählt von Rupas Welt, die auch unsere ist. Eine Welt, in der es sich zu leben
lohnt.
Chris Elstrodt
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SEASICK STEVE
Man From Another Time
(Atlantic/Warner Music UK 5051865615828/Warner Music, www.warnermusic.de
)
12 Tracks, 50:33, mit engl. Texten und Infos
„Idiot Savant Routine“ – in diesem Tenor etwa wendet sich der Jubel in
England langsam gegen ihn. So schnell die Feuilletons hierzulande den knapp
siebzigjährigen Blues-&-Boogie-Poltergeist aus Amerika im Zuge seines
plötzlichen Erfolgs in England adoptierten, scheint es auch wieder
vorbeizugehen. Kritiker monieren das Missverhältnis zwischen Cleverness des Acts
und künstlerischer Potenz. Vermutlich zu Recht, jedenfalls wenn man dies vierte
Album seit dem späten Debüt Cheap
(2004) zugrunde legt. Nicht schlecht, ja, ganz ordentlich. Mal rumpelt und
bollert es kräftig elektrisch zu Dan Magnussons polterndem Schlagzeug, dann
wird zu spärlicher akustischer Banjo- oder Slidebegleitung mehr geflüstert als
gesungen. Die Themen der Songs, meist bloße Zustandsbeschreibungen ohne große
Transfers, kommen offenbar direkt aus dem Leben Steven Gene Wolds, nicht nur
bei „Big Green And Yeller“ über seinen Traktor, sondern auch bei „Happy (To
Have A Job)“, dem Titelsong und allen anderen bis hin zur einzigen
Fremdkomposition, dem Hidden Track „I’m So Lonesome I Could Cry“. Genialisch
scheint daran bei aller Solidität nichts. Warum es also ausgerechnet ihn
getroffen hat unter den Millionen von Kollegen allüberall?
Christian Beck
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CHRIS SMITHER
Time Stands Still
(Signature Sounds SIG 2974/In-akustik, www.in-akustik.com
)
11 Tracks, 44:26, mit engl. Texten
Mit 65 legt Folkblues-Troubadour Chris Smither ein grandioses Alterswerk vor.
Aufs erste Hören klingen die acht Eigen- und drei Coverversionen – Songs
von Bob Dylan, Frank Hutchinson und Mark Knopfler – wie man Smither kennt:
versiert und unprätentiös zugleich. Doch beim genaueren Hinhören wird schnell
klar: Der geniale Fingerpicker und Songwriter hat dieses Mal noch einen
draufgelegt. Im Trio mit Schlagzeuger Zak Trojano und dem zweiten Gitarristen
David Goodrich präsentiert sich Smither in Hochform. Trojanos einfühlsames
Besenspiel und die Gitarrenslides von Goodrich legen den Grundstein für einen
wohlklingenden Klangteppich, vor diesem Hintergrund präsentiert Smither mit
seinem leicht vernuschelten Gesang und einem souveränen, ohne jede
Effekthascherei auskommenden Gitarrenspiel seine Lieder – gesungene
Alltagsphilosophie und kleine Geschichten über die Liebe und das Leben, vor
allem das Älterwerden. Wer Chris Smithers Karriere verfolgt, weiß, dass der
Bluesmusiker und Storyteller auch solo – und er ist meist alleine mit
seiner Gitarre unterwegs – sein Publikum in den Bann zu ziehen weiß. Doch
in diesem Trio hat er noch einmal einen Qualitätssprung geschafft.
Michael Kleff
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FOLKER auf Papier
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