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(Auswahl)
The Music In Me Bibliographie: |
Bereits zum dritten Mal zog im vergangenen Oktober das Deutsch-Amerikanische Folksänger Treffen (DAFT) durch das Land (s. Folker! Heft 05/2005). Sechs Songpoeten aus Deutschland und den USA waren unterwegs, um - wie bereits im Sommer 2003 und 2004 - beste deutsche und amerikanische Liedermachertradition darzubieten und damit zugleich um gegenseitiges und friedliches Verständnis verschiedener Kulturen zu werben. Dieses Mal mit dabei: Annie Wenz (USA), Martina Höfer (D), George Wurzbach (USA), Robert Williams (USA), Jörg „Ko“ Kokott (D) und Ron Randolf (USA/D). Einer der „Väter“ dieses interkulturellen Projekts ist der Singer/Songwriter und Multiinstrumentalist Rik Palieri.
Der Musiker aus Hinesberg, Vermont, spielt neben Banjo und einer 12-saitigen Gitarre den polnischen Hirtendudelsack, eine Maultrommel aus den Ozark-Bergen und eine Indianerflöte. Obendrein kann er jodeln. Als Teenager begegnete er Anfang der 70er Jahre Pete Seeger - ein Ereignis, das sein Leben verändern sollte. Seitdem durchquert Palieri regelmäßig mit seinen Liedern und Geschichten den amerikanischen Kontinent. Dabei traf er Musiker wie Ramblin’ Jack Elliott, Utah Phillips und Jimmy Driftwood. Mit vielen von ihnen verbindet ihn eine mittlerweile langjährige Freundschaft. Palieri ist bis heute in über 1.000 Schulen aufgetreten und präsentiert seine Songs auf Festivals von New York bis Alaska, in Kanada, Australien und in Europa, wo er u. a. mit DAFT 2003 und im letzten Jahr auch beim TFF.Rudolstadt zu erleben war. Im Folker!-Gespräch erzählt der Künstler über sein jetzt auch in deutscher Sprache erschienenes Buch Die Straße, meine Geliebte mit Erinnerungen eines reisenden Sängers.
Von Michael Kleff
„Rik hat mehr Meilen zurückgelegt Utah Phillips |
Wie bist du auf die Idee für das Buch gekommen?
Ich hatte nicht geplant, ein Buch zu schreiben: Es hat sich einfach so ergeben, es ist einfach passiert. Ich saß am Lagerfeuer bei einem Hobotreffen [hobos waren meist heimatlose Wanderarbeiter in den USA, die auf Güterzügen durchs Land reisten und sich hier und dort mit kleineren Tätigkeiten etwas dazu verdienten; sie gibt es noch heute, allerdings nur in kleinerer Zahl und inzwischen per Handy und eMail kommunizierend; Anm. d. Red.], als jemand von ihnen, der schon einigen Freunden beim Bücherschreiben geholfen hatte, mir vorschlug, ein Buch zusammenzustellen. Am Anfang dachten wir beide nur an ein kleineres Projekt, das dann aber doch größere Ausmaße annahm. Kaum hatte ich angefangen, konnte ich einfach nicht mehr mit dem Schreiben aufhören. Uns wurde klar, dass uns die Sache über den Kopf wachsen würde. Einige Freunde haben uns dann geholfen. Eine erste Testauflage habe ich bei einem kleinen Verlag in Kanada drucken lassen. Danach hat sich ein im Verlagsgeschäft tätiger Freund der Sache angenommen. Mit seiner Hilfe haben wir einen Vertrieb gefunden und das Buch auch bei Amazon untergebracht, womit es weltweit erhältlich ist.
Ist das Buch eine Art Tagebuch deines bisherigen Lebens und deiner Karriere?
Ausgangspunkt waren ein paar kleine Geschichten aus meinen Tourtagebüchern. Einige davon sind schon vorher in Sing Out! und in der Hobo Times erschienen. Andere hatte ich schon seit Jahren im Hinterkopf. Ich habe in meinem Buch versucht, nicht nur meine eigene Geschichte wiederzugeben, sondern auch als eine Art Erzähler zu agieren, der über das Leben der vielen reisenden Musiker und all die interessanten Menschen und Orte berichtet, die wir auf unseren Touren kennen gelernt haben.
Was kann die deutsche Leserschaft in einem Buch entdecken, das ja uramerikanische Eindrücke vermittelt?
Ich habe viele Deutsche getroffen, die aufgrund der wunderbaren Geschichten von Karl May sehr am alten amerikanischen Westen interessiert sind. Ich glaube, dass viele deutsche Leser ein bisschen von diesem alten Stil, ein wenig Romantik und Abenteuer in meinen Buch wiederfinden werden. Ich denke auch, dass der Leser mit meinen Erzählungen einen Insiderblick auf die Nebenstraßen Amerikas werfen kann und dass sie eine Facette des Lebens zeigen, die nur wenige Touristen erleben. Da die meisten Deutschen das Reisen lieben und Interesse an Geschichte und Musik haben, werden sie viel Vergnügen an meinem Buch haben. Zumindest haben viele meiner amerikanischen Leser mir geschrieben, dass sie es, einmal mit der Lektüre angefangen, einfach nicht aus der Hand legen konnten.
Das Buch ist voller interessanter Ereignisse und Namen. Kannst du ein paar nennen, die dir besonders wichtig sind?
Als mir zu einem bestimmten Zeitpunkt richtig klar wurde, dass ich nun tatsächlich im Begriff war, ein Buch zu schreiben, legte ich ein Grundprinzip fest. Danach sollten auf alle Geschichten die folgenden drei Kategorien zutreffen: Sie müssen witzig sein, die Menschen bewegen und ihnen etwas vermitteln. So manches Ereignis, an dass ich zunächst gedacht hatte, fiel diesem Raster zum Opfer. Am wichtigsten an meinem Buch ist mir der Gesichtspunkt, dass der Leser das Gefühl bekommt, neben mir in meinem schlichten Wohnmobil zu sitzen, während ich sie oder ihn auf eine typische Tour durch die Staaten mitnehme. Auch die Geschichten über meine Hobofreunde und mein großen Vorbilder sind mir sehr wichtig. Dort geht es um Begegnungen mit solchen Leuten wie Pete Seeger, Utah Phillips und Jimmy Driftwood. Sie alle spielen eine bedeutende Rolle in meinem Leben. Ich wollte aber auch von den vielen weniger bekannten Sängern und Gitarrenpickern erzählen, denen ich bei meinen Reisen begegnet bin, und sie so etwas ins Scheinwerferlicht stellen.
„Es ist eine ehrliche amerikanische Geschichte. Ich denke, sie wird von vielen Menschen gelesen werden, auch in Übersee.“ Pete Seeger |
Wie würdest du dich selbst einordnen? Bist du ein Singer/Songwriter, ein reisender Troubadour?
Ich denke, dass ich einfach nur versuche, die Arbeit einiger meiner Mentoren fortzusetzen. Ich will die alten Songs am Leben erhalten und einige eigene Stücke in diese Tradition einbringen. Da mich meine Arbeit in viele verschiedene Länder führt, versuche ich immer, etwas über die dort lebenden Menschen und ihre Kultur der Orte zu lernen und probiere dann manchmal auch, etwas von ihrer Musik oder ihren Geschichten in mein Programm aufzunehmen.
Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang dein eigener, in Europa liegender familiärer Hintergrund für deine Arbeit?
Meine Mutter kommt aus Polen. Als Einwanderer musst du ohne Ende nicht nur ums Überleben, sondern auch um Akzeptanz kämpfen. Ich denke, die Welt wäre ein viel besserer Ort, wenn jeder einige Zeit als Einwanderer verbringen müsste. Da lernt man, dass du, was auch immer du machst, nicht danach beurteilt wirst, wer man ist oder was man kann, sondern danach, wie gut man sich präsentiert. Wenn man sich nur schlecht sprachlich ausdrücken kann, fühlt man sich manchmal wie ein Eisberg, von dem nur der kleinste Teil zu sehen ist. Eine der wichtigsten Lehren, die ich durch meine Reisen gelernt habe, ist diese: Von der Sprache kann es abhängen, ob du jemanden als einfachen Menschen oder als ein Genie wahrnimmst. Meine eigenen Reisen haben mich gelehrt, das Leben nicht nur als Amerikaner zu betrachten, sondern es als Bürger dieser Erde zu sehen.
Du bist einer der „Väter“ des DAFT-Projektes. Was bedeutet es für dich?
Es ist sehr einfach, jemanden zu hassen, den man nicht kennt. Es ist einfach, Lügen zu verbreiten oder Geschichten zu erfinden, wenn Menschen nicht selbst mitteilen können, wer sie sind und an was sie glauben. Hass und Misstrauen gedeihen gut in der Dunkelheit einer gesichtslosen Gesellschaft. Aber wenn wir Musik und Kunst dazu benutzen, die vielen Gesichter der Welt zu zeigen, zusammen zu lachen und zu teilen, dann stellen wir fest, dass wir uns alle vielleicht viel ähnlicher sind, als wir denken. DAFT hilft, diese Brücke zu schlagen. Wenn Musiker verschiedener Nationen zusammen reisen und arbeiten, werden sie dadurch quasi kulturelle Botschafter und Hoffnungsträger dafür, dass wir Menschen dieser Erde eine gemeinsame Lebensgrundlage finden können. Und wir vielleicht eines Tages sogar lernen, in Frieden miteinander zu leben.
Du bist ja nun auch ein politisch sehr bewusster Künstler. Wie ist es aus deiner Sicht um die politische Lage in den USA bestellt? Welche Rolle spielen Künstler und hier vor allem die Musiker?
Ich wünschte, ich könnte dir eine befriedigende Antwort auf diese Frage geben. Aber die traurige Wahrheit ist, dass viele von uns wirklich nicht wissen, wohin wir gehen oder wie wir die eingeschlagene Richtung ändern können. Es herrscht viel Angst und Hoffnungslosigkeit in unserem einst stolzen Land. Ich kann Dir sagen, dass die meisten Leute, die ich kenne, nicht glücklich sind mit den Veränderungen, die es gegeben hat, seitdem die Republikaner an der Macht sind. Sogar einige Republikaner, die bei manchen Themen mit Demokraten und progressiven Parteien übereinstimmten, sind nun gefangen in einem Netz voller Furcht und Hass. Bevor wir überhaupt etwas verändern können, müssen wir unser Land zuerst wieder neu zusammenbringen. Die USA dürfen kein Land der „roten“ und „blauen“ Staaten sein mit durch Farben von einander getrennten Menschen. Wir müssen die Hände ausstrecken und eine „purpurne“ Nation aufbauen. Wir müssen mit den Menschen, die nicht mit uns einer Meinung sind, reden und versuchen, eine gemeinsame Grundlage zu finden, und die vielen Lügen, die die Mühlen der Furcht und des Hasses in Bewegung halten, aufdecken. Obwohl wir uns in der Dunkelheit dieser Regierung befinden, versuchen viele von uns Musikern immer noch, die Musik als Leuchtfeuer zu benutzen, um die Nacht zu erhellen und die Menschen zusammenzubringen. Wie ein altes Schiff, verloren im dichten Nebel, scheint das Land und scheinen die Träume, die wir unser eigen nannten, verschwunden zu sein. Wir müssen jedoch daran glauben, dass dieser Zustand nicht für immer anhalten wird. Wir werden uns also gut festhalten, unsere kleinen Lichter hell brennen lassen, und wir werden Wache halten sowie auf den frohen Tag hoffen, an dem sich der Nebel lüften wird und unser geliebtes altes Schiff zurückkehrt! Und wir Musiker werden dann auf den Docks singen und spielen und den alten Kahn zu Hause willkommen heißen.
Eine Liste der exklusiv auf der Folker!-Webseite erschienenen Artikel findet ihr im Archiv.
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Rik Palieri – |