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(Auswahl) Tightrope Walker (Traumton, 2005) |
unterwegs: 12.11.05: Berlin, Werkstatt der Kulturen tbc 22.11.05: Leipzig, Theatrale 23.11.05: Halle, Theatrale 24.11.05: Osnabrück, Blue Note 03.03.06: München, Unterfahrt 04.03.06: Elmau, Schloss Elmau 05.03.06: Zürich (CH), Moods |
Buckow ist da, wo der Berliner Stadtplan aufhört - in Neuköllns Süden. Als die Mauer noch realsozialistisch existierte, bevor sie in die Köpfe einzog, markierte sie die Südgrenze des Kinderspielplatzes von Kristiina Tuomi, Jahrgang 1977. Nicht gerade Berlins netteste Ecke zu der Zeit: Im Norden spießige Schrebergartenkolonien („Heimaterde“, im Osten die Menschen-Käfighaltung namens Gropiusstadt, im Süden eben die Mauer und im Westen auch nichts Neues. Das Aufregendste an Kristiina Tuomis Kindheit ist da noch ihre halbfinnische Herkunft. Irgendwie landet sie schließlich im Studiengang Jazz an der Hochschule der Künste. Andere Studenten büffeln die Gesetze der Thermodynamik, des Strafrechts oder der antizyklischen Haushaltspolitik, Kristiina Tuomi die der Funktionsharmonik, der Modalität und der Akkordskalentheorie. Mit den im Realbook notierten Pflichtstücken des Jazz von „Autumn Leaves“ bis „Take The ‘A’ Train werden sie einstudiert. Da muss sie durch. Doch vor allem entwickelt sie neben ihrer sonoren, leicht kratzigen Naturstimme auch ihren Geschmack, und in dem ist Jazz nur ein Teil des Ganzen. Im Stimmbereich von Alt bis Mezzosopran erzielt sie die intensivste Wirkung, ob gehaucht oder - bislang noch zu selten - gepowert, und ihre sinnlich-melancholischen Lieder sind perfekt an dieses Frequenzbiotop angepasst. Akustikpop, Singer/Songwriter, Folkjazz, gesungene Poesie - trifft alles zu, aber nichts davon alleine. Wäre auch schade, denn abgesehen von der melancholischen Generaleinfärbung ist Kristiina Tuomi äußerst vielseitig - was sie in den nächsten Jahren ganz sicher noch zeigen wird. Jetzt ist erst einmal ihr Debüt erschienen, Tightrope Walker, „Seiltänzer“, beileibe kein Drahtseilakt, sondern ein erregend schönes Album mit Mut zur Tiefe. Der Titel steht symbolisch für die Balance zwischen den Stilen. Carsten Daerr, Piano, und Carlos Bica, Kontrabass, wissen um Kristiina Tuomis Qualitäten und halten sich zurück, ohne zurückzubleiben. Im Folker!-Gespräch erzählt die schöne Blonde mit Hang zu kräftigem Espresso („Ohne Zucker, mit Honig!“) von sich und ihrer Musik.
Von Luigi Lauer
Du singst erfreulich gerade und ohne Schnörkel. Gibt es da konkrete Vorbilder?
Mein erster großer Einfluss, wenn auch zunächst unbewusst, war Sting. Er singt sehr mittig, fast stechend, singt klar und gerade, er benutzt wenig Vibrato. Und an dem habe ich einfach geübt früher, ich hatte ja anfangs keinen Gesangsunterricht, erst mit 18. Davor habe ich alles von Platten abgehört. Ich habe auch gerne Soul gesungen - also, Vibrato mache ich auch, wenn es stilistisch passt, aber in diesem Trio finde ich es gerade interessant, möglichst schlicht und klar zu singen. Ich habe auch viel alte Musik gehört, aus der Renaissance zum Beispiel, viel mehrstimmigen Gesang, und die singen auch sehr glatt. Ich fand das immer schön.
Welche Musik hörst du dir denn privat an?
Ich bin sehr vielseitig in dem, was ich höre. Neueren und alten Soul, R’n’B, Folk, Klassik, Rock, interessante Popmusik, Metal, HipHop, alte Musik, Romantik, Jazz; ich mochte Sting, besonders mit Police, mag Radiohead, Portishead, Massive Attack, so ziemlich alles. Finnischen Tango allerdings nicht, der ist mir viel zu schmalzig. Zwar bin ich noch nie in Finnland aufgetreten, aber natürlich bin ich des Öfteren dort, und im Radio spiegelt sich die Bandbreite viel besser als hier. In Finnland sind die Programme viel gemischter, geben auch extremere Stimmungen wieder, da spielt nicht der eine Sender nur Rock, der andere nur Klassik, noch ein anderer nur Mainstream-Pop. Das finde ich sehr angenehm. Hier gibt es das im Radio eigentlich nicht, das meiste Interessante lerne ich durch Empfehlungen von Musikern kennen. Ich merke das auch an meinen Konzerten, dass Leute, die vielleicht zufällig reingeraten, total überrascht sind, dass es so was gibt. Und die oft erst mal mit der Stimmung nicht umgehen können, im Radio läuft halt viel so nettes Zeug, das nicht weiter stört, das in der Stimmung auch nicht ins Extreme geht. Viele finden meine Konzerte toll, viele haben damit Schwierigkeiten. Inzwischen geht es, aber früher, als wir noch mit dem Cellisten spielten, war es noch etwas finsterer als jetzt, und manche kamen nach dem Konzert und sagten: „Hach, jetzt sind wir ganz traurig.“ Sie haben das aber als negativ beurteilt und das hat mich gewundert, denn wenn ich Musik höre und sie berührt mich in irgendeiner Form, auch wenn es mich traurig macht, dann finde ich das schön. Musik sollte nicht nur dazu da sein, einen zu entspannen oder nett die Zeit zu vertreiben, sondern sollte einen emotional anrühren. Ich habe ein bisschen ein Problem damit, dass Berührungsängste mit tiefen Gefühlen herrschen.
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