Äthiopien ist nach wie vor ein weißer Fleck auf der kulturellen Landkarte Afrikas. Da das Land sich nie dem Kolonialismus beugen musste, ist der europäische Einfluss so gering wie in keinem anderen afrikanischen Land südlich der Sahara. Äthiopien besitzt eine sehr starke und traditionelle lokale Musikszene mit Künstlern, die ganze Stadien füllen können. Zu den bekannten Namen zählen u.a. Mahmoud Ahmed, Asnakech Worku und Aster Aweke sowie Bands wie die Ethio Stars und die Tukul Band. Gigi heißt nun ein neuer Stern aus Äthiopien am Weltmusik-Himmel, der auch international bereits von sich reden gemacht hat. Die Künstlerin steht seit Dezember mit ihrer CD Gigi in den Top Ten der World Music Charts Europe (davon im Dezember und im Januar auf Platz 1). Zugleich hat eine Jury aus Hörfunk- und Zeitungsjournalisten ihr Album zur Folker!-CD des Jahres 2001 erkoren (s. Bericht in Heft 1/2002). Gigi dieser schlichte Künstlername ist wohl nicht ohne Grund gewählt worden. Stellt der Geburtsname der 27-jährigen Sängerin für unsere Breitengrade doch eher einen schwer aussprechbaren Zungenbrecher dar: Ejigayehu Shibabaw.
Von Michael Kleff
Ich liebe die Musik und das Leben. So lautet das optimistische Credo von Gigi. Die junge Sängerin wuchs als fünftes von zehn Kindern in einem kleinen Dorf auf, ganz in der Nähe der Grenze zum Sudan. Von Anfang an war sie von Musik umgeben, sowohl im Elternhaus als auch in der Kirche, wo sie die traditionelle Gesangskunst der Azmari-Sänger kennen lernte. Sie geht auf die Geschichte der äthiopischen Juden zurück, deren Gospelsänger sich einst wie zornige Folkmusiker mit spitzer Zunge und beißendem Humor über die Kultur des Landes hermachten. Gemeinsam mit ihren Schwestern unterhielt sie schon bald mit Tänzen und Liedern die Nachbarn. Sehr früh verspürte Gigi einen inneren Drang, einmal Sängerin zu werden. Selbstbewusst fragte sie als junges Mädchen bei der Probenpause einer lokalen Band, ob sie etwas vortragen dürfe. So fing alles an. Es gefiel ihnen. Ich habe meine Mutter gefragt, ob ich zur Musikschule gehen kann. Warum nicht, meinte sie und ich begann Unterricht zu nehmen. Nach zwei Wochen fand es mein Vater heraus und das war's.
One Ethopia (2000, Barkhanns Records) |
www.gigimusic.net www.palmpictures.com |
Weder die ablehnende Haltung ihres konservativen Vaters noch die grundsätzlich abschätzende Einstellung der Äthiopier zu professionellen Musikern brachte Gigi von ihrer Liebe zum Gesang ab. Mit 14 kam sie in die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba, wo sie sowohl Rhythmen aus allen Ecken des afrikanischen Kontinents hörte wie auch amerikanische Popmusik und Jazz. Nach einer kurzen Zwischenstation in Nairobi kehrte sie nach Addis Abeba zurück, wo sie sich schnell einen Namen als Sängerin und Songschreiberin machte. Nachdem sie als Mitglied einer Theatergruppe durch mehrere Länder Afrikas getourt war und nach ihrem Auftritt bei einem Weltmusikfestival in Paris, bei dem sie das Publikum mit ihrer kraftvollen Stimme und einer fesselnden Show begeistert hatte, kam die Äthiopierin 1997 nach Kalifornien. Ich bekam ein Visum für die USA. Es ist der Traum aller, nach Amerika zu kommen, erinnert sich Gigi an diesen für ihre Karriere so entscheidenden Moment. In den USA feilte sie an einem eigenen Musikkonzept, da ihr klar war, dass sie bei aller Verbundenheit zur musikalischen Tradition ihrer Heimat nie eine rein traditionelle oder gar religiöse Sängerin werden könnte. Ich begann, Songs zu schreiben, die mit mir und meinem Lebensstil zu tun haben, die von meiner Geschichte ausgehen. Ausgehend von meiner Schulzeit und meinem späteren Aufenthalt in Kenia. Dann Frankreich und Amerika. Ich wollte mein Leben einbringen, so wie ich bin.
Die Neue Welt bedeutete für die junge Künstlerin eine neue Herausforderung. Auch musikalisch, entdeckte sie in Oakland doch den Jazz für sich. Der Erfolg ließ jedoch zunächst auf sich warten. Zwar veröffentlichte Gigi eine Platte in den USA und tourte mit ihrem großen Vorbild, dem äthiopischen Star Aster Aweke, doch meist war es nur die eigene, die äthiopische Immigrantengemeinde, die Gigi zuhörte. Bis dann Palm-Pictures-Labelchef Chris Blackwell auf sie aufmerksam wurde. Innerhalb kürzester Zeit fand sich die Musikerin mit Starproduzent Bill Laswell im Studio wieder. Es ist ein Wunder. Ich wache manchmal auf und kann es kaum glauben. Ich bin einfach nur dankbar dafür. Vor einem Jahr noch bin ich an einem See in Oakland spazieren gegangen und habe mir gesagt, das wird nichts, ich muss mir wohl einen Job bei McDonald's besorgen sollte. Ich war so entmutigt und wirklich kurz davor aufzugeben. Begeleitet von einer Gruppe hochkarätiger Musiker vom Pianisten Herbie Hancock bis zu den Saxofonisten Wayne Shorter und Pharoah Sanders hat Gigi ein internationales Debüt vorgelegt, das ganz von ihrer Stimme geprägt ist, die über einer Mischung aus traditionellen Klängen, Jazzelementen und Dub-Reggae-Einflüssen schwebt. Ihre Geschichten handeln von verlorener Liebe, vom traditionellen Familienleben oder von den Schönheiten der Natur in ihrer Heimat, wie in Abay, einem dem Nil gewidmeten Song. Manchmal habe ich dort diese wundervollen Sonnenuntergänge und aufgänge erlebt. Der Nil ist ein großartiger und historischer Fluss. Ich wollte einfach seine Schönheit besingen.
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Folker!
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