back10 Jahre TFF Rudolstadt

(Fast) 10 Jahre Deutscher Folkförderpreis

Der Deutsche Folkförderpreis ist ins Gerede gekommen. Negativ (s. Leserbrief von Peter Pannke) wie positiv (s. Zuspruch von MusikerInnen sowie nationale und internationale Berichterstattung). (Fast) zehn Jahre DFFP sind daher eine gute Gelegenheit, die von Piet Pollack in der Folker!-Ausgabe go! 6/99 begonnene Diskussion über den Stellenwert und die Entwicklung des einzigen auf dem Gebiet von Folk, Lied und Weltmusik in Deutschland vergebenen Preises mit einem Beitrag des Jury-Vorsitzenden fortzusetzen.

Zeit für einen Rückblick und einen Ausblick? Sicher.

Von Rainer Prüss

Es klingelte das Telefon: “… lieber Rainer, du kennst die Folkszene in- und auswendig, hast mit Liederjan den Deutschen Kleinkunstpreis erhalten, hast aber auch lange Rock und Jazz und Pop gemacht, also keine musikalischen Scheuklappen, Du hast jede Menge internationale Konzert- und Medienerfahrung und auch selber eine eigene Medien- und Image-Agentur. Könntest du dir vorstellen, den Jury-Vorsitz für den neuen Deutschen Folkförderpreis zu übernehmen?” Der das 1991 fragte, war Bernhard Hanneken. Er hat mich überredet. Wenn einem ein Ehrenamt angetragen wird, kann man das schlecht ablehnen.

Ich hab dann etwa 35 zum Teil recht grauenhafte Kassetten abgehört, bin nach Rudolstadt gefahren und es war eine Katastrophe. Es goss in Strömen. Die Endausscheidung fand wegen des schlechten Wetters im Hinterzimmer des “Goldenen Löwen” statt. Das Publikum bestand aus ca.15 durchnässten Folkies. Es gab keine Ersatz-PA. Die Musiker waren sauer, die Leute auch. Den Preis erhielt die “Baba Jam Band” und die Gruppe konnte als Belohnung eine CD produzieren. Das war's. Wir waren als Jury der Auffassung, dass es das nicht sein konnte, und ich habe mich dann mit den Jury-Mitgliedern Frank Reglin, Uli Joosten und Jo Meyer im November 1993 für ein Arbeitswochenende in Syke zusammengesetzt. Dort haben wir die “Empfehlungen der Jury” entwickelt, die anschließend mit den Auslobern von PROFOLK und dem TFF Rudolstadt abgestimmt wurden. Daraufhin veränderte sich der Preis. Es gab klare Kriterien der Auslobung, der Veröffentlichung und der Ausstattung. Es gibt seitdem ein “Pflichtenheft ” in dem die inhaltlichen und organisatorischen Dinge wie die Vorprüfung, die Dokumentation, die statistische Auswertung usw. geregelt sind. Es entstand ein Folkförderpreis-Logo und die CD-Reihe mit den jeweils drei Endausscheidungs-Teilnehmern. 1997 übernahm Liane Fürst die DFF-Geschäftsstelle, und von da an wurde die gesamte organisatorische Abwicklung im Sinne der Jury-Empfehlungen professionalisiert (Danke Liane). Der DFF wurde auch in Rudolstadt “aufgewertet”. Er erhielt unterdessen einen eigenen Veranstaltungsort (den Neumarkt) mit einer überdachten Bühne. Rundfunk und Fernsehen berichten über den Preis, und wenn man die Presseberichterstattung über den Ausschnittdienst beobachtet, wird inzwischen nicht nur deutschlandweit über den Preis berichtet. Es geht also aufwärts.

Aber es gibt noch viel zu tun, um die Dinge zu optimieren. Nachfolgend sind hier einige alte Fragen und neue Ziele dargestellt. Im Übrigen gilt: Ein Image für Unternehmen oder für Wirtschafts- oder Kulturinstitutionen aufzubauen, dauert Jahre. Es ist aber über Nacht angeknackst (siehe “Peanuts” oder “Elch-Test”). Wir sollten also umsichtig agieren, um das bis hierhin Erreichte nicht zu beschädigen, sondern behutsam weiterzuentwickeln. Der “Deutsche Kleinkunstpreis” z.B. genießt inzwischen nationale Bekanntheit und Anerkennung. Er hat dafür fast zwei Jahrzehnte gebraucht. PROFOLK, der Folker! und das TFF Rudolstadt haben als Auslober für den Deutschen Folkförderpreis gerade mal neun eineinhalbstündige Veranstaltungen abgeliefert, – und wenn man die Anfänge betrachtet, mit einer enormen Qualitätssteigerung und inzwischen beachtlicher öffentlicher Aufmerksamkeit. Seien wir also nicht ungeduldig.

Über alte Fragen und neue Ziele …

Immer wieder erfolgt der Ruf nach klaren Beurteilungskriterien. Das ist verständlich. Gerechtigkeit wird gefordert. Andere verlangen mehr Transparenz und sogar wissenschaftlich abgesicherte Punkteprogramme für die vergleichende Bewertung von instrumentaltechnischer Virtuosität, Tonbildung, Professionalität, Bühnenpräsenz usw. ... Robert Zollitsch (DFF '99) hat wiederum bei einer anderen Preis-Gelegenheit erlebt, dass bei zu viel Wissenschaftlichkeit der subjektive Aspekt der Klangschönheit nicht ausreichend beurteilt wurde. Was heißt denn wissenschaftliche Beurteilungskriterien, Punktesystem, Klangschönheit? Wollen wir eine computergestützte Rasterfahndung? Wer intoniert sauberer? Wer hat die bessere Gesangstechnik? Wer spielt virtuoser? Bob Dylan wäre durch alle wissenschaftlich abgesicherten Raster gefallen: Gesang: Scheiße! Nicht förderfähig! Derroll Adams? Ohne jede Chance! Zu wenig TPM (Töne pro Minute). Ich erinnere mich an eine blechblasende 10-Mann-Balkan-Straßenmusikgruppe, die vor einigen Jahren in Rudolstadt aufspielte. Die Musik war unter konventionell-musikalischen Gesichtspunkten unter jedem Level. Brutal verstimmte Bläser, alles Dilettanten. Tonbildung? Eine Katastrophe! Aber die Musik war grandios. Leider null Punkte in fast allen Kategorien, oder wie? Nein, wir werden mit Eiskunstläufer-Punktesystemen in der Abwägung aller möglichen Kriterien nicht weiter kommen. Das ist Rechtfertigungs-Schein-Sachlichkeit und die Wissenschaft weiß es längst: Das Gehirn und der Bauch vergleichen viel komplexer als alle Tabellen-Versuche darstellen können.


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