Ein Porträt von Piet Pollack
Rainer Prüss als Jury-Vorsitzender begründete die Entscheidung: »Es ging ganz schnell. So wenig Zeit haben wir noch nie gebraucht. Ich habe in der CD-Beschreibung geschrieben: Wir wollen nicht auszeichnen, was wir besonders gern und besonders oft hören. Wir wollen auszeichnen, auf was wir aufmerksam machen wollen. Das, was man vielleicht seltener hört. Das, was man vielleicht nie hört. Und das, was man vielleicht auch überhört. Darum geht der 1.Preis an die Diskantzither mit Robert Zollitsch.« Der jodelnde Bayer mit Diskantzither und Kehlkopfgesang verbreitete viel Heiterkeit an diesem Abend. Nicht nur, daß er 30 Minuten über das ganze Gesicht strahlend professionell sein Programm durchzog. Auch die abrupten Wechsel zwischen Zitherspiel, Jodlern und Kehlkopfgesang ließen immer wieder Stimmung aufkommen. Kommentare von Musikerkollegen während des Zollitsch-Konzerts waren: »witzig«, »cool«, »ej, geil«.
Im Interview mit dem Folker! äußert er sich dazu.
Markenzeichen ist der Kehlkopfgesang, wo das Publikum erstmals aufhorcht und sich fragt, mein Gott, wo kommen diese Töne her?
Das ist eine Technik, die meist im Zusammenhang mit Obertongesang genutzt wird. Die gibt es sehr viel in Zentralasien, in Tuwa, besonders im Nordosten der Mongolei. Auch in Kasachstan gibt es ihn.
Was hat Dich gereizt, so etwas zu machen? Wie kommt man zu dieser Musik?
Das hing mit meinem Ausflug nach China zusammen, dem Zitherstudium. Zu dieser Zeit hatte ich noch wenig mit Folk und Weltmusik zu tun. Ich habe in Berlin Musiktheorie und Gehörbildung studiert, auch viel mit Jazzmusikern zusammengespielt und solche Projekte. Im Crossover-Bereich von E-Musik und Jazz, mit sehr komplexen Kompositionen. Und dann kam es ganz durch Zufall zu dem Stipendium des Berliner Senats. Ich war irgendwie bereit, noch mal ganz was Neues anzufangen und hatte zu der Zeit eine Kassette mit chinesischer Zithermusik gehört.
Aber die Zither hast Du vorher schon gespielt?
Die Alpenzither habe ich von Kind an gelernt, damit bin ich in Bayern aufgewachsen. Weniger allerdings Traditionsmusik, mehr Klassik. Mit der Alpenfolklore bin ich zwar großgeworden, gelernt habe ich aber mehr das klassische Repertoire. Vieles sind Bearbeitungen von Gitarren- und vor allem Lautenliteratur. Die Zither, die ich jetzt spiele, hat zwar eine etwas neuere Form, ist aber ansonsten das traditionelle Instrument. Neu sind nur die piezokeramischen Tonabnehmer. Da ich oft auf großen Bühnen spiele, habe ich keine Probleme mit den Mikrophonen. Das Instrument hat 5 1/2 Oktaven Stimmumfang, auf dem Griffbrett sind es knapp vier Oktaven.
Kontakt: Robert Zollitsch Otto-Suhr-Allee 73 10585 Berlin Tel/Fax 0 30/3 41 32 37 E-Mail: rzollitsch@aol.com |
Wie paßt der bayrische Jodler in Dein Programm?
Ich habe jetzt fast fünf Jahre nur mit meiner Frau Urna, der mongolischen Sängerin, gearbeitet. Ich war mit auf Tour, habe Stücke und Arrangements geschrieben. In dem Zusammenhang paßt der Kehlkopfgesang natürlich super. Den Jodler kann ich von klein auf. Ich bin schon immer singend durch die Gegend gelaufen. Mehr zum Leidwesen der Familie als zur Freude der Zuhörer. Ich hatte jetzt das Gefühl, ein eigenes Programm machen zu wollen. Letztendlich habe ich genauso angefangen wie Urna. Als ich sie in Schanghai kennengelernt habe, da hat sie die mongolischen Lieder auch noch nicht professionell auf der Bühne gesungen. Mir ging es jetzt umgekehrt genauso. Es war für mich wichtig, jetzt meine Musik zu spielen. In Urnas Ensemble mache ich ja ihre Musik, nicht meine. Ich komponiere auch für andere Gruppen.
Das Dilemma des »Folk-FÖRDER-Preises« kommt schon im Namen zum Ausdruck. Gefördert wird der Sieger und die Promotion ist attraktiv. Preisträger-CD, Konzert im nächsten Jahr in Rudolstadt sowie in Österreich, man wird durchgereicht bei den Medien. »Schlüsselbund« verhalf es vor 2 Jahren sogar zu Akzeptanz im Ursprungsbereich der Nyckelharpa, Skandinavien.
Der Preis erscheint zunehmend wichtiger, wie die wachsende Zahl der Bewerber beweist. 77 waren es in diesem Jahr. Und es »schleicht« sich Prominenz ein, was so nie beabsichtigt war. Denn die Nominierungskriterien besagen mittlerweile nur:
Nach den Härtekriterien der Anfangsjahre (die Gruppe darf noch keine CD veröffentlicht haben), läßt die Ausschreibung eigentlich jeden zu, da der Begriff Experimentelles der Nominierungskriterien sehr weit dehnbar ist. Alle Crossover-Projekte können sich zuordnen, sofern sie nicht gerade Mainstream-Rock oder Tagesschlager spielen. Was passiert, wenn sich nächstes Jahr Liederjan, Horch, Reinhard Mey, Bläck Fööss, Biermösl Blosn, Konstantin Wecker, Wacholder, Gerhard Schöne und Hölderlin Express melden, nur weil es gut in den Terminplan paßt und sie mal wieder Promotion benötigen? Wen von ihnen würde man dann als Preisträger auswählen? Mit welcher Begründung würde ein Sieger gekürt? Würde die Jury Topgruppen auswählen oder sich für das Experimentelle, Unbekannte und Neue entscheiden?
Darin liegt das Dilemma, wie es sich in diesem Jahr andeutete und berechtigterweise zu Diskussionen führt. 1999 als Preisträger einerseits hochkarätige Gitarren-Stars (blödes Wort, aber es trifft den Kern der Sache!) der Akustik-Szene wie Naßler/Schneider, andererseits Gruppen wie Das Blaue Einhorn, deren technisches, sprich handwerkliches Level doch um einiges niedriger liegt. Das muß man ehrlicherweise sagen. Trotz der Sympathien der angereisten Fans, trotz des besseren Programmplatzes. Das Einhorn hat seine Chance genutzt, sich sehr gut »verkauft« auf der Bühne und viel an Renommee gewonnen. Ich bleibe aber bei meiner Einschätzung: im Vergleich zu Naßler/Schneider, es war, als ob erst Giora Feidman und dann »Das Blaue Einhorn« spielen. Gut, dass immer wieder salomonische Lösungen möglich sind. Vor ein paar Jahren der Mandolinenspieler O. Felix und jetzt Robert Zollitsch. Sie sind als Solisten exzellent, Unikate in ihrer Stilistik und jederzeit vorzeigbar als Deutschlands Preisträger. Und sie retten den Abend!
Auch unter den nichtgekürten Bewerbern waren noch jede Menge bekannte Gruppen aus ganz Deutschland, viele multikulturelle Ensembles und Musik unterschiedlichster Couleur. Das reichte von türkischer Musik über deutsche Iren, Tanzfolk, plattdeutsche Musik also quer durch den ganzen Gemüsegarten. Das zeigt immerhin, daß der Preis angenommen wird und vielen Stilrichtungen lukrativ erscheint. Nach Aussagen der Koordinatorin für den Förderpreis, Liane Fürst, und eigenem Durchsehen der Bewerberliste bleibt festzustellen, es sind kaum Gruppen mit einem Durchschnittsalter unter 25 Jahren dabei, falls doch, läßt die Qualität noch sehr zu wünschen übrig. Wie geht man zukünftig um mit der »Institution« DFFP? Und wie benennt man ihn?
Überlegenswert wäre vielleicht, Musiker auszuwählen, die noch keine CD bei einem deutschlandweit arbeitenden Vertrieb haben. Damit gäbe man Bands mit CDs im Eigenvertrieb/Eigenproduktion eine Präsentationschance oder auch Newcomern und Soloprojekten. Damit könnte man die Topgruppen aus der Bewerberliste raushalten. Die haben bei Firmen wie »pläne«, »Verlag der Spielleute«, »Polydor«, »Löwenzahn« eigene Promotionmöglichkeiten über Kataloge und bundesweiten Vertrieb. Die prominenten Bands haben eine ganz andere Lobby und benötigen das Medium Folkförderpreis zum Bekanntwerden nicht. Dabei wäre die parallele Installation eines Nachwuchspreises, meinetwegen mit Altersbegrenzung bis 25 Jahre, wünschenswert. Es wird doch wohl mehr als drei handwerklich und musikalisch interessante Youngster in Deutschland geben. Wenn es Teenie-Schlagerstars, Boy- und Girlie-Groups gibt, warum sollte es nicht auch im Folkbereich möglich sein, auf handwerklich solider Basis spannende Musik zu machen? Die Uhlmänner aus Leipzig haben es doch vorgezeigt.
Ein Wegfall des Preises, denke ich, würde der Folkszene schaden. Das Instrumentarium der Preisträger-Vermarktung hat sich bewährt. Der gewünschte Effekt für die Sieger ist nachweisbar. Die Veranstaltung »Folkförderpreis« wird nach wie vor in Rudolstadt angenommen vom Publikum und den Medien. Nur die Modalitäten der Bewerbung und die Kriterien der Preisträger-Festlegung sind heftigst in der Diskussion. Hier eindeutige Maßstäbe zu finden, ist Aufgabe bis zum nächsten Juli. Das würde auch verhindern, daß Rainer Prüss als Jury-Vorsitzender jedesmal Kopfstände machen muß in seiner Begründung der Sieger-Entscheidung.
Es gab bei der Jury-Entscheidung in diesem Jahr erstmals »Buh«- und »Schiebung«-Rufe, die meiner Ansicht nach mit Sicherheit nicht gerechtfertigt waren. Aber die Thematik spielte auch in den Interviews mit den Siegern und 2. Preisträgern eine Rolle.
Piet Pollack
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