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Eine ziemlich bunte Firma

von Mike Kamp

„Sampler sind immer so eine Sache. Meistens dienen sie mit zwei, drei Zugpferden dazu, mißliche Ware an den Mann zu bringen und eine schnelle Mark zu machen.“ Klingt das bekannt? Sollte es, denn ich zitiere meinen werten Kollegen Andel Bollé bzw. seine „Celtic“-Rezensionen aus dem letzten Heft (S. 70). Zwar sind die Ansichten über Sampler bekanntermaßen geteilt, doch Einigkeit besteht, daß die obige Schilderung auf die meisten dieser Produkte zutrifft. Bestenfalls, und das ist die andere und seltenere Seite der Medaille, sind solche CDs eine Einladung, geografisches oder stilistisches Neuland zu betreten. Wenn man aber nun erfährt, daß es eine angeblich ernstzunehmende und überdies erfolgreiche Firma gibt, die den Sampler quasi zum Prinzip erklärt hat, dann schrillen die Alarmglocken. So kam es, daß ich mir das amerikanische Label Putumayo und seine Philosophie sozusagen zwangsweise mal etwas genauer ansehen mußte.

PUTUMAYO – eine ziemlich bunte Erfolgsgeschichte

Manche Labels werden am Reißbrett entworfen, andere werfen sich, bildlich gesprochen, vor die Füße der ahnungslosen Gründer. Putumayos Anfang fällt eindeutig in die zweite Kategorie. Obwohl die CD-Aktivitäten relativ jung sind, reichen die Wurzeln der Firma zurück ins Jahr 1974. Da saß der US-Bürger Dan Storper, der sich im College auf Südamerika-Studien konzentriert hatte, im südlichen Kolumbien am Putumayo-Fluß inmitten des indianischen Karnivals und war mit sich und der Welt zufrieden. Als er ein Jahr später in Manhattan seinen ersten mickrigen Kleiderladen eröffnete, gab es über den Namen keine Diskussion. Storper war in seinem Element. Er bereiste regelmäßig zuerst Südamerika, später auch Länder in Asien und Afrika und kaufte Kleidung und handwerkliche Arbeiten. Während hierzulande Dritte-Welt-Läden der biederen und gutgemeinten Solidarität dienen, gingen die Putumayo-Shops ab wie die sprichwörtliche Sylvester-Rakete. Stars wie Diane Keaton, Greta Garbo, Jane Fonda oder Mia Farrow und euphorische Berichte in Modezeitschriften wie Vogue oder Mademoiselle sorgten dafür, daß aus dem Laden eine kleine Kette im Osten der Staaten wurde.

Ein Open-Air-Konzert der afrikanischen Gruppe Kotoja führte Stroper vor Augen (oder Ohren), daß die Musik, die in seinen Läden gespielt wurde, alles andere als adäquat war. Der Versuch, selber Kassetten von Folk- und Worldmusik-CDs zusammenzustellen, brachte die Begegnung mit hoffnungslos überfordertem Personal in den CD-Läden und die enttäuschende Erfahrung mit vielen CD-Samplern genau der negativen Kategorie, wie sie am Anfang dieses Artikels beschrieben wurde. Die mühsam erstellten Bänder jedoch wurden von den Kunden begeistert aufgenommen. Immer wieder fragten sie nach den Interpreten und der Möglichkeit, diese Musik zu erwerben. Also mußte Genosse Zufall eingreifen und zwar in Form eines Treffens mit dem Label-Chef von Rhino Records. Der hatte nämlich bereits über einen vernünftigen Worldmusik-Sampler nachgedacht und so bot sich eine Kooperation mit Putumayo an. Im April 1993 erschienen die ersten beiden Zusammenstellungen: „World Instrumental“ und „World Vocal“.

PUTUMAYO – ein ziemlich buntes Konzept

Heute ist Putumayo ein eigenständiges und kommerziell erfolgreiches Label mit Vertriebspartnern in 27 Ländern der Welt, u.a. auch in Deutschland, wo Exil/Indigo für die Verbreitung der bunten CDs verantwortlich sind. Wenn man sich die im allgemeinen meist gerechtfertigten Vorurteile gegenüber Samplern vor Augen führt und die daraus resultierende Ablehnung beim Käufer berücksichtigt, dann taucht automatisch die Frage auf: Was macht Putumayo anders als die Konkurrenz? Es ist wie so häufig eine Sache des Prinzips. Während die meisten anderen Firmen (mit wenigen Ausnahmen wie z.B. Network in Frankfurt) Sampler im eingangs beschriebenen Sinne sehen oder bestenfalls für den Firmenkatalog werben wollen, ist für Putumayo der Sampler Teil der Firmenphilosophie. Entsprechend liebevoll und ernsthaft wird das Produkt behandelt. Das beginnt bei der Verpackung, die ein Teil dessen ist, was man heutzutage auf Neudeutsch „Corporate Identity“ nennt. Mit anderen Worten: Eine Putumayo-CD ist eindeutig als solche zu erkennen. Das liegt daran, daß jedes Digipack-Cover von der englischen Künstlerin Nicola Heindl gestaltet wird, ausnahmslos farbenfrohe Zeichnungen im leicht naiv-einfachen Dritte-Welt-Stil.

Discographie

(Auswahldiskographie)

Africa / Oliver Mutukudzi, 4 Etoiles, Diaou Kouyate u.a. (Exil 8986-2)

Athens to Andalucia – A Mediterranean Odyssey / Lò Jo, George Dalaras, Maria Salgados u.a. (Exil 8765-2)

Best of Folkmusic – Contemporary Folk / Dougie MacLean, John Gourka, De Dannan u.a. (Exil 8436-2)

Best of World Music – African / Angelique Kidjo, Mory Kanté, Thomas Mapfumo u.a. (Exil 8437-2)

Best of World Music – World Vocal / Bhundu Boys, Miriam Makeba, Jorge Ben u.a. (Exil 8434-2)

Brasileiro / Clara Nunes, Beth Carvalho, Rosa Passos u.a. (Exil 8904-2)

Cairo to Casablanca – An Arabic Musical Odyssey / Rachid Taha, Shariat, Hassan Hakmoun u.a. (Exil 8570-2)

Caribe! Caribe! / Kali, Beethova Obas, La Perfecta u.a. (Exil 8954-2)

Celtic Tides – A Musical Odyssey / Altan, Old Blind Dogs, Nathalie MacMaster u.a. (Exil 8613-2)

Cuba / Ibrahim Ferrer, Irakere, Todos Estrellas u.a. (Exil 8901-2)

Dublin to Dakar – A Celtic Odyssey / Alan Stivell, Dolores Keane, Cheb Mami u.a. (Exil 8701-2)

Mali to Memphis – An African-American Odyssey / John Lee Hooker, Rokia Traore, Muddy Waters u.a. (Exil 8698-2)

Women of Spirit / Cassandra Wilson, Ani DiFranco, Tarika u.a. (Exil 8456-2)

Women's Work / Janis Ian, Toshi Reagon, Ferron u.a. (Exil 8448-2)

Women of the World – Celtic (2) / Eileen Ivers, Mary Jane Lamond, Pamela Morgan u.a. (Exil 8453-2)

World Playground / Toure Kunda,Buckwheat Zydeco, Ricardo Lemvo u.a. (Exil 9044-2)

Vertrieb:
Exil Musik via Indigo, teilweise auch über Zweitausendeins

Die Musik ist sorgsam ausgewählt und läßt den Gedanken an Füllmaterial erst gar nicht aufkommen. Ein beliebiges und repräsentatives Beispiel ist der Sampler „Women of Spirit“, wo es Dan Storper vor allem darum ging, Clichés und Stereotypen zu vermeiden und Künstlerinnen von ausgeprägter Individualität zu präsentieren. Das ist ihm mit Frauen wie Karen Matheson (Capercaillie), Cassandra Wilson, Tarika, Ani DiFranco oder dem Mutter-Tochter-Gespann Bernice und Toshi Reagon eindrucksvoll gelungen. Oder aber „A Native American Odyssey“, wo die Musik der Ureinwohner Amerikas von der Hudson Bay bis hinunter nach Feuerland dokumentiert wird. Das geschieht weniger mit wissenschaftlicher Akribie als auf folkigem oder popigem Wege. Usus ist bei allen Veröffentlichungen ein informatives Beiheft, wo u. a. auch vermerkt ist, von welcher Original-CD die Stücke stammen, denn bei den Samplern handelt es sich ausnahmslos um Zweitverwertungen.

Jedes Album wird zumindest in den USA von maßgeschneiderten Kampagnen, zumindest aber Events, begleitet, die häufig das soziale Engagement der Firma hervorheben. Ein typisches Beispiel dafür ist ein 1994er-Konzert in der New Yorker Carnegie Hall mit Künstlern von der Singer/Songwriter-Kompilation „Shelter – The Best of Contemporary Singer/Songwriter“. Von jeder CD gingen 2 $ an die „National Coalition for the Homeless“. Oder zwei Jahre später, als sie anläßlich des Samplers „One World“ am Washington Monument mit einem Konzert den 50. Geburtstag von UNICEF sponsorten. Und überhaupt, es erscheinen wenige CDs, die nicht zumindest einen Teil der Einnahmen an irgendeinen sozialen Zweck abführen. Hier eine beliebige und unvollständige Liste: Kinder in Nordirland, GROOTS (ein internationales Frauen-Selbsthilfeprojekt), Coffee Kids (für Kinder in kaffeeerzeugenden Ländern), Music Maker Relief Foundation oder Future for Children in Native Communities. Dan Storper ist nämlich wie einige weitere junge amerikanische Unternehmer davon überzeugt, daß die Geschäftswelt nicht nur etwas mit positiven Bilanzen, sondern auch etwas mit sozialer Verantwortung zu tun hat (und das ganz nebenbei und unausgesprochen die Losung „Tue Gutes und rede darüber“ sehr preiswerte Werbung bei bestimmten Käuferschichten ist).

Seit kurzem, das sei nicht verschwiegen, verlassen sie langsam das ausschließliche Samplerkonzept mit dem Unterlabel „Putumayo Artists“, d.h. sie fangen an, einzelne Künstler zu featuren und zwar mit farblich zurückhaltenderen Covern, obwohl man auch hier nicht von der Idee des Einheitslook lassen will. Diese Serie fing im letzten Jahr mit einer tanzorientierten Afro/Latin-CD von Ricardo Lemvo an.

Wie viele erfolgreiche Firmen geht Putumayo neue Wege, z.B. im Verkauf/Vertrieb. So wurde anfangs die CD „A Putumayo Blend – Music from the Coffee Lands“ mit passendem Putumayo-Blend-Kaffee in einer großen Kaffeehaus-Kette verkauft nach dem Motto: „Kauf die CD und Du bekommst 'ne Tasse Kaffee umsonst“, später gab's die CD mit Kaffee in Buchläden oder auch in Bekleidungs- und Geschenkgeschäften.Alles Orte, wo der traditionelle Plattenkäufer nicht unbedingt nach Schätzen sucht, wo aber eine vollkommen neue Käuferschicht zu finden ist. Darüberhinaus sind die Putumayo-Produkte natürlich auch in den normalen Plattenläden zu finden.

Diese Maßnahmen führen zu guten bis sehr guten Verkäufen, z.B. wurden mehrfach pro Veröffentlichung über 100 000 Exemplare alleine in den USA abgesetzt. „Women of the World: Celtic“ war mit über 170 000 verkauften Einheiten 1996 der erfolgreichste Celtic-Sampler in den USA.

Überdies kümmert sich seit kurzem „Putumayo Publishing“ um ein intensives Product-Placement im Sinne der Firma, d.h. sie versuchen, Songs aus dem Label-Repertoire in Filmen, Fernsehserien oder in der TV-Werbung unterzubringen.

Diese allumfassende Herangehensweise, die die normalen Folk/Weltmusikfirmen aus diversen Gründen nicht an den Tag legen (können), zeigt sich beispielhaft und deutlich bei dem Projekt „Celtic Tides“. Hier werden alle medientechnischen Register gezogen und erstaunlicherweise ist die CD in diesem Falle eher ein Abfallprodukt. Im Mittelpunkt stehen DVD und Video, wo Künstler wie Clannad, The Chieftains, Capercaillie oder Dougie MacLean vor malerischem Hintergrund musizieren und Interviews geben.

Auch ein weiteres offenes Geheimnis bleibt Dan Storper und seinen Leuten nicht verborgen: Einer der lukrativsten Musikmärkte heutzutage ist der der Kindermusik. Putumayo zögerte nicht, auch dieses Marktsegment zu besetzen und veröffentlichte dieses Jahr die CD „World Playground“. Zu hören sind hier gestandene Musiker wie Taj Mahal, Toure Kunda, Buckwheat Zydeco oder Ricardo Lemvo mit kinderorientierten Liedern. Die netten Motive von Nicola Heindl gibt es als Aufkleber zusätzlich.

(Herzlichen Dank an Michael Kleff für das Interview mit Dan Storper!)


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