backHelmut Gotschy

alphaEiner der bekanntesten Drehleierbauer

im Gespräch mit Piet Pollack

Zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zu mehr als 20 Jahren erfolgreichem Drehleierbau. Wo kam eigentlich der »Kick« her, solch ein exotisches Instrument herzustellen?

Helmut Gotschy: 1975 habe ich Musikinstrumente für mich entdeckt, zu einer Zeit, als ich Maschinenbau in Augsburg studierte. Ausgelöst wurde es durch die Folkwelle. Es kam der Wunsch auf, etwas Handwerkliches, Praktisches auf diesem Gebiet zu machen. Ich hatte Aussicht auf eine Lehrstelle als Gitarrenbauer in Freiburg/Br.. Das Interesse wuchs, aber die Lehrstelle gab es letztendlich nicht. In der Fußgängerzone von Freiburg sah ich dann erstmals eine Drehleier bei einer französischen Folkband.

1978 zog ich nach Berlin und eröffnete »Helme’s Lad’n«, ein Geschäft für Holzkleinkunst und folkloristische Musikinstrumente wie Streichpsalter, Kanteles, Dulcimer und Bodhrans. Dort baute ich auch meine erste Drehleier nach einem Bauplan aus dem Nürnberger Museum. Allerdings wurde die Form verändert, weil es Probleme mit dem Korpusbau gab. Daraufhin besuchte ich im nächsten Jahr Lautenbau-Seminare in Erlangen, das waren aufwendige Kurse bei Robert Landberg aus Portland/Oregon).

classicoDu hast doch vorher einen „anständigen“ Beruf gelernt: Maschinenbauer. Nutzt Dir das heute noch?

Das Maschinenbau-Studium kommt mir noch heute zugute. 20 % der Arbeit in der Werkstatt sind z.B. Maschinen einrichten, Arbeitsabläufe organisieren, Schablonen erstellen, die Serienfertigung vorbereiten.

Sind die Baupläne, nach denen Du arbeitest, praktikabel? Oder muß man viel selbst experimentieren?

Die Erfahrungen beim Bau kamen durch Kritik und Änderungswünsche von Kunden, so daß gerade in der Anfangszeit gezielt verändert werden konnte. Aber ist auch heute noch so, daß ständig Veränderungen hinzu kommen. Man denkt über das Instrument nach, will es perfektionieren. Da stellen die Pläne historischer Instrumente nur eine Grundlage dar. Ansonsten konstruiere ich meine Drehleiern seit über 10 Jahren komplett selbst.

1987 bist Du von Berlin nach Wain in Süddeutschland umgezogen. Wirkte sich dieser Wohnungswechsel auf den Kundenkreis aus?

Der Umzug nach Wain 1987 erfolgte, weil ich aus der Ulmer Gegend bin. In der Mühle ist viel Platz für die Maschinen, die Bandsäge, Hobelmaschine, Dickenschleifmaschine und zur Holzlagerung. Der Kundenkreis aus Berlin blieb weiterhin, aber durch die vielen Brauchtumsgruppen in Süddeutschland kam ein neuer, ganz unerwarteter Kundenkreis dazu, z.B. Spielleute, die bei Ritterfesten und traditionellen Heimatfesten auftreten. Das war ein enormer Kreis von Leuten, die historische Instrumente, v.a. des 15.-16.Jh.s, benötigten.

phoenixWarum bist Du bei der Drehleier geblieben? Hast Du nicht den Drang gehabt, das ganze Repertoire historischer Instrumente zu erschließen?

Ich habe anfangs neben der Leier noch anderes gebaut. Man konnte nicht von 5-6 Leiern im Jahr leben. Mich hat die Fiedel interessiert, die Laute, ganz früher das Scheitholz, Viola da bratsche. Das war eine Phase am Anfang. Dann legte ich die Prüfung als Gitarrenbauer ab und habe etliche Konzert- und Westerngitarren gebaut.

Bei wem hast Du Drehleierbau gelernt? Oder ging alles nur im Selbstversuch nach der Versuch-Irrtum-Methode?

Drehleierbau wird nirgends gelehrt, man muß einfach rein und dann durch. Es gibt wohl auch eine Prüfung im Drehleierbau, irgendwo in Frankreich. Das läuft über Geigenbau, also Streichinstrumentenprüfung, Abteilung Drehleier. Ich bin als Gitarrenbauer angemeldet, mit Sondergenehmigung für Drehleiern. Ein gut gefülltes Auftragsbuch sollte Bestätigung genug sein.

studio1992-93 war so ein Punkt, wo Du durch die Zusammenarbeit mit Valentin Clastrier stark über Elektrifizierung und spieltechnische Erweiterungen nachgedacht hast. Richtig?

Kontakt:
> Helmut Gotschy
Mühlgässle 17
88489 Wain
Tel: 0735 33035

Ich höre viel Rockmusik und Experimentelles, weniger Folk. Da hat mich die Elektrifizierung der Leiern schon lange gereizt und fasziniert. Ich habe Anfang der achtziger Jahre erste Experimente gemacht, die waren grauenhaft. Es gab damals auch noch nicht so ausgereifte Tonabnehmersysteme wie diese Keramik-TA’s. Zu dieser Zeit habe ich ein Konzert von Clastrier gehört, umwerfend. Und ich habe gemerkt, da gibt es noch etwas anderes, das war Blues und Power. Davor war die Orientierung auf französische Tanzmusik und Barock. Clastrier war ein Anreiz, nicht nur das historische Programm anzubieten, also Leiern des 12. bis 19.Jh.s. Es hat mir gezeigt, daß die Drehleier ein unheimliches Zukunftspotential hat. Für Musiker, die sich in diese Ebene vorwagen, sind auch andere Leiern notwendig. Wichtig war, die Gebundenheit des Klanges an den Bordun aufzuheben. Also dieses Orientieren an C oder G. Das ging über aufwendige Hebel- und Kapodastersysteme oder über ganz viele Saiten. Und dann war noch die Idee MIDI. Das kam aber eher nebenbei auf.

Der Ansatz war, keine Effekt-Übersprechungen auf den Einzelsaiten zu haben. Es ging um Tonabnehmer-Experimente zur Kanaltrennung. Das war wichtig für ein sauberes Klangbild. Mit Clastrier war es 1992 so: er hatte eine rein elektroakustische Leier. Er besuchte mich dann, war von der MIDI-Idee begeistert. Es ging darum, daß man durch eine zusätzliche MIDI-Tastatur völlig frei ist in sämtlichen Tonarten. Wir haben viel gearbeitet, seine Ideen und Musikalität eingearbeitet. Ich habe viel entwickelt, Pläne gemacht und einen Prototyp gebaut. Was nicht klappte, war die Finanzierung. Da sollte ein Museum und eine Stiftung beteiligt sein und das ist geplatzt. Es war ein Wechsel von Museumsleiter und Stadtrat, dann lief nichts mehr. Für uns beide waren die Entwicklungskosten allerdings ziemlich hoch.


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