mir Augen und Nase über und der Salzstrom aus den Achselgruben, als mich mitten in der Sommersiesta die message des Folker!-Redakteurs ereilte: mein »Erguß« schuldbewußt-einschränkend in Klammern hinzugesetzt: »literarischer Art« werde zum nächsten soundsovielten dringend benötigt. Offenbar war sie nicht mehr zu vermeiden, die ultimative Glosse über Körperflüssigkeiten. Die werden schließlich nicht erst seit Blood, Sweat & Tears immer wieder bespült, besabbelt und be-rappt: »Tränen lügen nicht«, »Sperma ist ekelhaft«, »gib mir deinen Saft, ich geb dir« etc. Glosse? Bei den Temperaturen? Wie soll der distinguiert artikulierenwollende Causeur arbeiten, wenn es so heiß wird, daß Vokale zu Konsonanten und Edelmetall-Implantate im Zerebralbereich schmelzen?
Dann aber platzte doch noch der, äh, springende Funke der Transpiration, der die heiße Luft zum Überlaufen brachte. Schuld daran war Hans Mentz. Wir haben ja zusammen Kritik und Eugenik studiert, auf der Humorakademie Plundersweilen (Außenstelle der Frankfurter Altneuschule), wo sich das Hänsle allerdings vorzugsweise damit befaßte, Adorno-Profilporträts mit Kugelschreiberbärtchen zu verunstalten. Und nun also schreibt dieser Schlingel im Titanic-Juliheft: »Leute gibt's, denen kann man einen Bierbauch als Selbstironie, Mundgeruch als Stilparodie und Achselschweiß als lockere Atmosphäre verkaufen. Zu ihnen zählen scheint's die Juroren der öffentlich-rechtlichen Liederbestenliste.«
Peng. Das saß. Vor allem bei mir, der ich auf der zuletzt erwähnten Abschußliste stehe ohne freilich vom öffentlich-rechtlichen Honorartopf schwelgen zu dürfen, wie der Autor stillschweigend suggeriert. »Leute gibt's, denen kann man sonstwas verkaufen...« Aber mit dem Bierbauch war ja auch (Mißverständnissen vorbeugend) Maurenbrechers Manfred gemeint, der nach Mentz' Meinung »unfreiwillige Komik als Meterware vom Masterband« liefert. Schon der mehrsilbige Name paßt dem Spätrezensenten der CD Lieblingsspiele nicht. Schlimmer noch, der Wessi-»Ghosttrack« enthalte Beobachtungen, deren Realitätsgehalt (immer noch Mentz) zwischen hundert, null und fünfzig Prozent schwanken. Unausweichliches Fazit dieser Statistik, die allerdings auch den Stilmix in Faust, Finnegan's Wake und Midsummer Night's Dream zutreffend analysieren könnte »die Gesamterscheinung Maurenbrecher läßt sich als selbstironisch und somit komisch feiern, alle Unzulänglichkeitkeiten sollen als Charme oder Chuzpe verbucht werden«.
Wenn ich nicht fehllese, wird dem Sänger hier der ironische Gestus bestritten das Wessi-Lied sei dem nur vorgeschoben-ironischen, in Wahrheit mangelhaften Vortrag zum Trotz 'ernst gemeint' bzw. richte sich aus resignativ-westdeutscher Perspektive gegen Ossies. Aber lassen wir den liederbestenpreisgekrönten Song mal beiseite. Wie ich darüber denke, steht hier nicht zur Debatte gut, daß ein Juror Recht auf's Wahlgeheimnis hat. Interessanter ist, woraus der Verächter sein Verdikt (durch nichts treffender motiviert als durch seine eigene Voreingenommenheit; nichtverstandene muß keine nichtvorhandene Doppelbödigkeit sein, Ironie wird im Süden bekanntlich als Berliner Biersorte aufgetischt) argumentativ herleitet.
Der Verriß reibt sich nicht an Text oder Musik, sondern am Sosein, der schlechthinnigen Alssolchheit der Maurenbrecherchen Erscheinung, ihren Sekretionen, ihrem Geruch, ihrer Hosenbundweite, am Humanum der Hauptstadt-Primitivos, den »Unkultiviertheiten« ihrer Theaterbühne etc. Mit seinen Marginalien reproduziert er freilich denselben unreflektierten Authentizitätsmief, dem Barden wie Backfische gern aufsitzen. Daß ein sog. »Realitätsgehalt« untrügliches humorologisches Qualitätskriterium sei, hat man seit ja den seligen Zeiten der Brigadetagebücher nicht mehr vernommen. Nur wo Dings draufsteht, ist auch Dings drin. Ihn ekelt, daher taugt es nichts. Wer Profi sein will, zieht sich gefälligst auch ein frisches Hemd an, und wer so schwitzt, ist demzufolge kein Profi; wörtlich: »die Hinterzimmersession von Heinz Hobby und Fritz Feierabend klingt nicht anders«. Allein die dummschwätz-verballhornten Namen sagen alles über den abgewelkten, unausrottbar stilbildend gewordenen Titanic-Langweilerstil, wo sich Fritz und Heinz Gute Nacht sagen. Mutmaßlich müßte Maurenbrecher, um eine mildere Titanic-Beurteilung zu erzielen, seinem geschätzten Spezi Slobodehm Lerrynowitsch folgen, dem Liederagentendarsteller mit dem gesünderen Geltungsbedürfnis. Dr. päd. Dehm (»das Gegenteil von Geltungsbedürfnis ist das Bedürfnis, nichts zu gelten, und das Bedürfnis, nichts zu gelten, ist krankhaft«) dekretierte schon zu Beginn der achtziger Jahre, wenn er nicht gerade bei Mielkes Stasi rapportieren ging: »Wenn man weiß, morgen früh kommt ein Revolutionär, ein Feind der hiesigen Gesellschaft, der vielleicht im Zuchthaus oder im KZ war, ...dann ist es ein Zeichen sozialistischen Respekts und sozialistischer Freundlichkeit, wenn ich diesem Mann am Morgen nicht meinen unausgeschlafenen Kopf entgegentrage, mit einem Gesicht, das zum 'Ankotzen' aussieht, sondern ihm meine frische Aufmerksamkeit entgegenbringe.« Und noch eins drauf: »Mir gegenüber gibt es so ein Gefühl, daß manche Leute meinen, für einen Linken sei ich vielleicht zu gutaussehend, oder zu gesund aussehend, oder irgendetwas.« Oder irgendetwas? Vermutlich wurde der ausgeschlafene Kopf gerade deshalb in den PDS-Vorstand gekürt: zu Tarnungszwecken!
Liedermacherinnen und Liedermacher! Wollt auch in hygienischer Hinsicht dem landstreichernden Berufsverbrecher Fran¸¸ois Villon »bis zu den Zähnen geht mir schon der Kot« nacheifern? Wollt ihr, daß euch alle Zähne schwarz werden wie Brecht, bevor ihn Marianne Zoff in die Wanne steckte (»danach war er gar nicht mehr rauszukriegen«)? Oder haltet ihr euch, wie Ian Anderson, durch Tragen jahrelang ungewaschener Hosen die Meute der Fans vom Leib? Hofft ihr auf gute Presse, weil es von Andersons Combo unverhohlen anerkennend hieß: »Jethro Tull treten auf in langen uralten Mänteln, tragen große Schlapphüte und ungepflegte Bärte. Wo andere sich geschniegelt geben (mit frisch gewaschenen Haaren), zeigen sie sich mit Gehstock, riesigem Buckel und tiefen Gesichtsrunzeln«? Wenn nicht, dann haltet euch an meine Tips: Erstens, vor allem regelmäßig waschen und duschen! Dreimal täglich Zähne putzen, nach den Mahlzeiten! Öfter rasieren als Hans Mentz und noch öfter neu einkleiden! Kommen nun noch ein zünftiger Haarschnitt, ein angenehmes Duftwasser oder Deo dazu, dann bestimmt auch eure ironischeren Pointen 'rüber.
Nikolaus Gatter
|
|
|
|
Folker! 5/99