backVon wegen sichere Bank

Der lange Weg zum Erfolg

25 Jahre Irish Folk Festival

Gespräch mit Carsten Linde

Demnächst ist es wieder in Deutschland unterwegs, das Irish Folk Festival. Doch 1999 ist es nicht einfach eine Veranstaltung wie in jedem Jahr. Deutschlands ältestes »Touring-Festival« feiert sein 25jähriges Jubiläum. 1974 wurden »irische Stimmungen« zum ersten Mal als »Tourpaket« durch die Lande geschickt. Was als Pionierarbeit begonnen hat, gehört mittlerweile zu den Höhepunkten des Jahres für die Anhänger irischer Musik. In 13 deutschen und vier Schweizer Städten macht das Irish Folk Festival ab Anfang Oktober Station. Zu den Gästen der Jubiläumstournee gehören neben Davey Arthur, der schon 1974 dabei war, Begnish, Seamus Creagh, die Niamh Parsons Band und Cathie Ryan, über die an anderer Stelle in diesem Heft berichtet wird. Michael Kleff hat sich mit Carsten Linde unterhalten, dem Gründer und künstlerischen Leiter des Festivals.

Folker!: 25 Jahre Irish Folk Festival, darauf kann man stolz sein. Dazu zunächst einmal herzlichen Glückwunsch. Doch ist mit einem solch langen Zeitraum nicht auch die Gefahr verbunden, daß beispielsweise allein bei der Planung des Festivals »Ermüdungserscheinungen« auftreten können?

Carsten Linde: Ich weiß nicht, welche »Gefahren« gemeint sein sollen. Gefahren wodurch? Gefahren für wen? Nein, ich denke nicht, daß schon allein darin eine »Gefahr« besteht, daß man sich über einen langen Zeitraum mit dem beschäftigt, was einem Spaß macht. Ganz im Gegenteil. Gerade dadurch, daß ich nun schon so lange und immer noch von der Musik der Grünen Insel so fasziniert bin und über diesen Zeitraum verfolgen konnte, wie sich die traditionelle Musik dort verändert, laufe ich nicht Gefahr, zum Puristen und möglicherweise gar konservativen Pfleger einer statisch verstandenen Musik zu werden. Ich meine, daß diese Musik allen gehört, die sich von ihr angesprochen fühlen, ihre Sprache verstehen und sie weitergeben. Wer mit dieser Sprache spielt, verändert sie, paßt sie seinen musikalischen Fähigkeiten und auch seinem Lebensgefühl, seinen Hörgewohnheiten und Vorstellungen an und versucht vielleicht sogar, seine eigene Identität mit dieser Musik auszudrücken. So gesehen ist Musik ein sich ständig wandelnder Prozeß. Und das ist ja auch das Reizvolle an einer lebendigen traditionellen Musik wie der irischen, daß man sich durch die verschiedenen Überlieferungen gewissermaßen »zurückhören« kann in vergangene Zeiten und Stile. Daneben aber lebt diese Musik in der Gegenwart. Sie steckt in den Köpfen und liegt in den Händen sehr vieler und auch unglaublich kreativer und virtuoser Musiker von heute. Diese schaffen kontinuierlich neue interessante Formen, die unverwechselbar irisch geprägt sind und in eben dieser Tradition stehen.

1974-1999

25 Jahre IRISH FOLK FESTIVAL

Dabei waren unter anderem:

DAVEY ARTHUR Banjo, Mandolin, Guitar, Vocals (1974, 1975, 1999), MAIRE BREATNACH Fiddle, Viola, Keyboards, Vocals (1994, 1996), KEVIN BURKE Fiddle (1989, 1993), JACKIE DALY Accordion (1976, 1977, 1981, 1989, 1993), JOHN FAULKNER Vocals, Guitar, Fiddle, Bouzouki (1978, 1981, 1988, 1998), ANDY IRVINE Vocals, Bouzouki, Hurdy Gurdy, Harmonica, Mandolin (1976, 1977, 1978, 1989), DOLORES KEANE Vocals, Hurdy Gurdy, Flute, Tin Whistle (1978, 1981, 1988, 1995), JOHNNY ‘RINGO’ McDONAGH Bodhran, Bones (1976, 1977, 1981), CHRIS NEWMAN Guitar, Mandolin, Bass Guitar, Percussion (1989, 1991, 1994), MAIRE NI CHATHASAIGH Irish Harp, Tin Whistle, Vocals (1978, 1989, 1991, 1994), GERRY O’BEIRNE Guitar, 12 String Guitar, Ukulele, Vocals (1989, 1991, 1994), LIAM O’FLYNN Uilleann Pipes, Tin Whistle (1978, 1994), MICHO RUSSELL Tin Whistle, Flute, Vocals (1974, 1975, 1977, 1981, 1988), ALTAN (1990, 1991), BEGINISH (1999), MAIRE BREATNACH BAND (1994, 1996), THE BUSKERS (1974, 1975), CAPERCAILLIE (1992), CHERISH THE LADIES (1995, 1997), CLANNAD (1975, 1976), DE DANANN (1976, 1977, 1981, 1990), FUREY FAMILY (1974).

Zusammenstellung: Axel Schuldes/Irish Folk Festival

Damit ist auch gleich eine weitere Frage beantwortet: Wer aufmerksam und wach bleibt und nicht in Routine erstarrt, sondern sich auch immer wieder fragt: »Was läßt sich noch besser machen?«, der wird nicht müde. Unser Team, das die Irish Folk Festivals organisiert, bringt die ganze Erfahrung vieler Tourneen mit völlig unterschiedlichen Menschen ein, wenn es darum geht, ein weiteres Programm zusammenzustellen und in die renommierten Konzertsäle Deutschlands und der Schweiz zu bringen. Es macht ganz einfach immer wieder Spaß, dies zu tun und später vom Publikum, den Medien und vor allem den mitwirkenden Künstlern zu hören, daß unser Irish Folk Festival wieder einmal ganz hervorragend war. Solches Lob inspiriert das Team ohne Zweifel dazu, nicht nachzulassen oder müde zu werden.

Folker!: »Irland« klingt in Sachen Musik immer nach einer »sicheren Bank« für die Veranstalter.

Carsten Linde: Das mag so erscheinen. Aber sehen wir heute nicht nur eine Momentaufnahme einer andauernden Bewegung? Auch die irische Musik ist Wellen unterworfen. Mal ist sie weniger populär, mal mehr. Das ist wie bei jedem anderen Musiktrend auch. Noch vor dreißig Jahren zogen keine irischen Musiker durch Deutschland, gab es hierzulande keine Konzerte mit irischer Musik. Man braucht nur einmal die Organisatoren der legendären Waldeck-Festivals zu fragen, warum dort in den sechziger Jahren keine irischen Musiker oder Liedermacher zu hören waren?! Das läßt sich nicht alleine mit dem vorrangig politischen Interesse der Waldeck-Macher beantworten, denn gerade Irland hat ja seit Jahrhunderten eine ausgeprägt politische Liedkultur und die wäre doch für die Festivals auf Burg Waldeck wie geschaffen gewesen. Die irische Musik blühte in den sechziger Jahren auf der Grünen Insel noch im Verborgenen hinter Rhododendronhecken und Steinmauern und hatte sich auch noch kaum in die Jetztzeit geöffnet. Sie wurde von puristischen Gralshütern beherrscht, die ihr nicht die Kraft zutrauten, andere musikalische Einflüsse (insbesondere aus den USA) so zu integrieren, daß sie dabei ihre eigene Identität nicht verlieren würde. Erst eine junge, unerschrockene Musikergeneration – deren Exponenten in den Fureys und den Musikern von Planxty zu sehen waren – schuf zu Beginn der siebziger Jahre die Voraussetzungen für das Hinaustreten der irischen Musik in die Welt. In Deutschland wurde sie in den Sechzigern von nur sehr wenigen Fans wahrgenommen.

Als ich vor dreißig Jahren zum ersten Mal irische Dudelsackmusik hörte, war ich so hingerissen, daß ich Kontakt zu Finbar Furey aufnahm, der später auf Einladung von Ulrich Olshausen mit seinem Bruder Eddie seinen ersten Auftritt in Deutschland bei einem Konzert im Hessischen Rundfunk hatte. Die Dubliners kamen zu Beginn der siebziger Jahre nach Deutschland, auf Einladung irischer Folkfans in Düsseldorf. Eine »sichere Bank« war das zunächst nicht. Als ich 1970 die erste Tournee für Eddie und Finbar Furey organisierte, kamen höchstens vierzig, vielleicht fünfzig Leute in die Klubs, um ihnen zuzuhören. Und das zu Zeiten des ersten »Folk-Booms« in der Bundesrepublik! Von wegen »sichere Bank«! Es würde den Rahmen dieses Gesprächs sprengen, aber es gäbe viel zu erzählen über die Arbeitsbedingungen, Konzerte und Sessions aus den frühen Jahren der irischen Musik in Deutschland. Doch eins ist sicher: Wenn die genannten Musiker »der ersten Generation« durch ihr Auftreten, durch ihre Ausstrahlung auf den Bühnen und durch die für uns noch ungewohnten Klangbilder nicht einen direkten Weg in die Herzen des Publikums gefunden hätten, wäre heute vieles anders... Zum Glück sind sich in dieser Hinsicht sowohl die irischen Musiker der mittlerweile »dritten Generation« wie auch das deutsche Publikum treu geblieben.


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