back»Musikalische Fremdsprache« muß erlernt sein

TIERISCH IRISCH

MIDNIGHT COURT

Von Anne D. Marcordes

Einige Folker-LeserInnen konnten sie sicherlich schon auf dem ‘98er St. Patrick’s Day Celebration Festival erleben: Midnight Court sorgen mit fetzigen Tunes, traditionellen und modernen Songs für frischen Wind in der Irish-Folk-Szene.

Die Iren Noel Minogue (Button Accordeon, Voc.), Aaron Shirlow (Gitarre, Voc.) und der Berliner Bernd Lüdtke (Fiddle, Bouzouki, Banjo, Bodhran, Voc.) überzeugen nicht nur durch instrumentales Können und eine lockere Show – sie sind auch für jeden Spaß zu haben.

Midnight Court’s Anfänge liegen in der Berliner Session-Szene. Hier trafen um 1994 die beiden »Exil-Iren« Minogue und Shirlow den deutschen Multiinstrumentalisten Lüdtke und gründeten wenig später die gemeinsame Band.

Discographie

»Half Moon«, Magnetic Music Records MMR CD 1014

»Ear to the Ground«, MMR CD 1021

Alle drei haben einen recht unterschiedlichen musikalischen Background – nicht zuletzt das macht ihre Aufnahmen und Liveauftritte spannend und abwechslungsreich. Die stärksten Bezüge zur traditionellen irischen Musik hat sicherlich Noel Minogue. Aufgewachsen in ländlicher Umgebung im County Tipperary lernte er schon als Kind seine ersten Tunes von Familienmitliedern und Nachbarn. Während des Irish Folk-Booms der 70er Jahre spielte er auf unzähligen Sessions und Festivals, eignete sich neue Ideen und Techniken an, versuchte, sein Spiel weiterzuentwickeln.

Ganz anders dagegen Aaron Shirlow aus Belfast: das Gitarrespielen brachte er sich selbst bei und seine Helden waren amerikanische Singer/Songwriter wie Bob Dylan und Neil Young. Bernd Lüdtke startete seine musikalische Laufbahn ebenfalls als Gitarrist – mit einer soliden klassischen Ausbildung. Später wurde er – wie so viele andere – vom Irish Folk-Bazillus infiziert, spielte Tunes auf Banjo und Mandoline und lernte schließlich das Fiddeln auf Workshops in Irland. Auf die Frage, wie sich eigentlich die beiden Iren die Irish-Folk-Begeisterung der Deutschen erklären, gibt sich Noel Minogue diplomatisch: »Deutschland ist ein schönes Land und die Leute sollen ruhig spielen, was ihnen gefällt, solange wie’s niemanden wehtut. Früher, in den 70ern, klang’s manchmal schrecklich, wenn die Deutschen nach Irland kamen und versuchten, Tin Whistle zu spielen – aber es war auch nicht alles schlecht. Für uns Iren ist es irgendwie ein Kompliment. Wenn ich als Ire nach Spanien komme und Flamenco spielen will, werden die Einheimischen vielleicht erst mal über mich lachen, aber wenn ich versuche, mein Spiel zu verbessern, richtig gut zu werden, dann werden sie das irgendwann respektieren. Es dauert nur seine Zeit ... und manche Leute realisieren vielleicht nicht, wieviel Übung und Arbeitsaufwand es kostet, solch eine ‘musikalische Fremdsprache’ wirklich zu erlernen. Das Problem ist, wenn solche Leute, die gerade mal drei, vier Tunes leidlich spielen können, gleich die ganze Session an sich reißen wollen.«

Bernd Lüdtke findet, das Wichtigste sei einfach der Spaß an der Sache, relativiert das aber gleich darauf: »Wenn einen irgendeine Form der Musik – in meinem Fall eben Irish Folk – besonders stark interessiert, dann sollte man die auch spielen. Und es liegt dann ja an jedem selbst, ob man sich weiterentwickeln und einen höheren Standard erreichen will. Sicherlich gibt es gewisse Probleme für jeden, der nicht in Irland aufgewachsen ist – nicht nur für Deutsche.«

Aaron Shirlow steuert zu dieser deutsch-irischen Debatte einen interessanten Aspekt bei: »Ich kannte mal einen Berliner Filmemacher, der plante eine Dokumentation über die verlorene deutsche Folk-Tradition und der spielte mir in diesem Zusammenhang ein paar ‘German Dancetunes’ vor. Die erinnerten mich an Jigs’n’Reels: sehr schnell, sehr powervoll, mit viel Drive und Energie und ich dachte: wie schade, daß das alles verloren sein soll und die Deutschen sich damit nicht mehr identifizieren mögen – es gab doch auch in Deutschland vor 25 Jahren sowas wie ein Folk-Revival?«


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