backSommerzeit – Festivalzeit – Rudolstadtzeit!

Das TFF '99

Das neunte Festival im neunundneunzigsten Jahr. Vom 2. bis zum 4. Juli findet es statt. Number nine. Revolution? Doch nicht in Deutschland! Aber: Forever changes. Noch größer, noch schöner. Noch mehr Bühnen – wir haben gezählt: 25! –, noch mehr Musik, noch mehr Tanz, noch mehr Möglichkeiten, zu hören, mitzumachen, zu entdecken ... Zu diesem Ergebnis kommt man, wenn man dem nachfolgenden Ausblick Bernhard Hannekens folgt. Der muß es ja wissen. Schließlich ist er der künstlerische Leiter vom Tanz- und Folkfest Rudolstadt.

Das Instrumentenspecial dreht sich in diesem Jahr rund um die Mundharmonika. Mit dabei sind Brendan Power aus Neuseeland (der blies die Harmonika drei Jahre lang in der Ur-Version von »Riverdance«), ÆHarmonica` Phil Wiggins, der Country-Blueser aus Amiland, Lars-Luis Linek, der Multi-Stilist aus Hamburg, Jouko Kyhälä aus Finnland, dem einen oder anderen eventuell durch Bands wie Progmatics bekannt, und der vielleicht derzeit innovativste Vertreter des Instruments, Howard Levy (ebenfalls USA), der bei uns vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Rabih Abou-Khalil und anderen bekannt geworden. Die Verwandten der Mundharmonika kommen natürlich auch zu Gehör: die chinesische Mundorgel sheng, gespielt von Wu Wei (Omen, Urna Band), und die Maultrommel, vorgestellt von zwei Weltmeistern aus dem unumstrittenen Maultrommel-Zentrum des Globus, aus Yakutien, von Ivan Alexeev und Spiridon Shishigin. Sie bringen aus dem heimischen Maultrommel-Museum einige Exponate mit, die die Ausstellung des Deutschen Harmonika-Museums (Trossingen) im Schiller-Haus abrunden werden. Neu in diesem Jahr: Der Session-Charakter des Specials soll stärker betont werden, und da wir im letzten Jahr mit der Bluegrass-Session auf dem Neumarkt so überaus positive Erfahrungen gemacht haben, bleiben wir an dem Ort zu der Zeit: Samstag, Neumarkt, 22.30 Uhr.

Ein Neun-Städte-Programm ist Rudolstadts Beitrag zur Kulturstadt Europas 1999, Weimar. Da sich die EU für das symbolträchtige Jahr 2000 nicht auf einen einzigen Kandidaten hat einigen können, akzeptierte sie die Bewerbungen von allen neun Bewerbern. Und da neun Städte so gut zu unserem 9. Festival passen, zwingen wir also schon in Rudolstadt zusammen, was sonst erst im nächsten Jahr zusammengehört: In einem gemeinsamen Programm präsentieren sich Musiker aus den neun Kulturstädten des Jahres 2000, also aus Avignon (Frankreich), Bergen (Norwegen), Bologna (Italien), Brüssel (Belgien), Helsinki (Finnland), Krakau (Polen), Prag (Tschechien), Reykjavik (Island) sowie Santiago de Compostela (Spanien). Gastgeber, Dirigent, Arrangeur und Komponist von Zwischenmusiken ist Christoph Theusner aus Weimar mit seiner Gruppe Bayon. Ergänzt wird das Projekt durch eine Ausstellung über Souvenir-Artikel aus Weimar zum Kulturstadtjahr (»Neo-Goethik«).

Im Vergleich zum Vorjahr gibt sich Rudolstadt ´99 wieder etwas moderner, mit Dub (Hypnotix aus CZ), mit Rai-Pop (Rachid Taha), Afro-Pop (Baaba Maal), Polk (Hiss) oder den Elektronik-Loops des A-capella-Sängers Michael Schiefel. Rudolstadt gibt sich archaisch (Outi Pulkkinen auf der finnischen Geigen-Verwandte jouhiko, Olov Johanson auf der Nyckelharpa, Talago Buni mit traditionellen Klängen aus West-Sumatra), legendenbewußt (De Dannan zu ihrem 25. Geburtstag, Fiedel Michel, Linnenzworchs Erben = SaitenFell & Firlefanz), improvisationsfreudig (Fairy Tale Trio aus Bulgarien, Trio Globo = Howard Levy/David Friesen/Glen Velez), hochkulturell (Klassik mit Triology sowie dem Kyoungki Korean Music Orchestra), herzerweichend (Zuzaná Homolova aus der Slowakei, Susana Baca aus Peru, Waldemar Bastos aus Angola), Folkie-freundlich (Natalie MacMaster aus Neufundland), liedorientiert (Jens-Paul Wollenberg, Leipziger Folk-Session-Band, Continental Drifters), kulturpolitisch wertvoll (Leyoad aus den Flüchtlingslagern der West-Sahara), nonsense-geneigt (Olaf Schubert) und im Zweifelsfall immer multikulturell (Emil Zrihan aus Israel, Tchaka aus Haiti, Boubakar Traore aus Mali). Alles bunt gemischt, damit den Zufall der überraschenden Entdeckung noch ein bißchen befördernd. Am Freitagabend auf der Burg ein wenig gezielter: Da präsentieren fünf »Nordlichter« neueste Entwicklungen in der nordeuropäischen Musikszene, mit Fliflet/Hamre Energyforsyning aus Norwegen, einem noch nicht feststehenden Musiker aus Island, Virvla aus Schweden (drei Musiker: 2x Hedningarna, 1x Den Fule, plus drei Tänzer!), IMA-C aus Finnland (schwere Synthi-Sounds für den Dancefloor) sowie, endlich, die derzeitige Number-1-Folkband in Schweden: Väsen.

Natürlich kommen die Tanzfans auf ihre Kosten (u.a. mit An Erminig, Stocai aus England, Wunderlich-Budweis-Meyering oder Zerrwanst & Co.), Kinder sowieso, die Instrumentenbauer sind wieder da, und wer Straßenmusik machen will – mehrere Bühnenplätze sind noch frei und können spontan zwecks Musizieren belegt werden. (Große Bitte. Wirklich auf den Podien und nicht einfach in der Fußgängerzone, denn die ist in Nullkommanix wieder verstopft, was wir eben zu verhindern trachten.) Und natürlich wird auch in diesem Jahr der Deutsche Folkförderpreis vergeben. Zwei Gewinner stehen bereits fest: Einmal der DFF selbst, mit dem neuen Rekord von über 70 Bewerbungen, und das türkisch-österreichische Septett PasaPort, Sieger beim Endausscheid zum Österreichischen Förderpreis.

Medienmäßig setzen wir für dieses Musikgenre in diesem Jahr neue erfreuliche Rekordmarken: Neben den bisherigen Live-Übertragungen von MDR-Kultur, WDR, Deutschlandfunk Köln, DeutschlandRadio Berlin, Radio Bremen und Deutscher Welle gibt es heuer zusätzlich zumindest noch eine vierstündige Live-Sendung im Bayerischen Rundfunk. Und zu der 90-minütigen TV-Sendung im MDR am Festivalsonntag gesellt sich in diesem Jahr das ZDF, das im Herbst in seiner sechsteiligen Reihe »Musik und Landschaft« einen 35-Minuten-Beitrag über das TFF ´99 eingeplant hat.

Was gut ist, hat seinen Preis. Rudolstadt '99 kostet 70 DM im Vorverkauf. Für alle drei Tage. Das sind 27 Mark weniger als für einen Abend Bruce Springsteen in Berlin oder Köln. Also mehr als preiswert. Trotzdem mehr als gut. Preiswert vor allem für den, der sich die Vorverkaufskarte sichert – eine Dauerkarte in Rudolstadt selbst haben wir nicht mehr im Angebot. Da gibt's nur noch Tageskarten. Also: Bis 21. Juni eine Dauerkarten kaufen bzw. bestellen (es gilt das Datum des Poststempels; der Rechtsweg ist ausgeschlossen). Sonst wird's nämlich doch teuer – die Tageskarten kosten 35 DM (Freitag bzw. Sonntag), am Samstag sogar noch 5 Mark mehr.

Ansonsten hoffen alle Beteiligten, daß der Hundertjährige Kalender unrecht hat (ist ja auch schon vorgekommen). Der prophezeit nämlich für das erste Juli-Wochenende fürchterliche Unwetter. Dabei hätten wir, Besucher wie Macher, nach drei Regenjahren eigentlich mal wieder ein richtiges Sonnenfestival verdient. Oder ist das zuviel verlangt???


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Aktuelles im Folker! 3/99