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Abidjan, 20.-27. Februar 1999

MASA 99Von Bernhard Hanneken

MASA, Marché des Arts du Spectacle Africain. »Art du Spectacle« ist ein Begriff, der im Deutschen keine direkte Entsprechung hat, handelt es sich dabei doch um »performing arts«, die künstlerische Dreifaltigkeit von Musik, Tanz und Theater. Bei der MASA steht die Musik eindeutig im Vordergrund – nicht nur für den Berichterstatter, sondern auch für die Organisatoren. 60 Prozent aller offiziellen Veranstaltungen sind Konzerte, und zählt man noch die Veranstaltungen des »MASA Festival« genannten Rahmenprogramms hinzu, dürfte sich die Quote leicht auf über 75 Prozent erhöhen.

Die MASA gibt es seit 1993. Alle zwei Jahre findet sie Ende Februar in der Hauptstadt der Elfenbeinküste, in Abidjan, statt. Anfangs war die MASA eine Messe der frankophonen Länder Afrikas; seit der 1997er Ausgabe versucht sie, sich auch den anderssprachigen Ländern des schwarzen Kontinents zu öffnen. Dennoch, wer kein Französisch spricht, ist ziemlich aufgeschmissen bei der Veranstaltung. Dies mußte auch Rashnie Moonsammy aus Johannesburg, Vertreterin des dortigen »Arts Alive«-Festivals, feststellen: »Es ist immer noch sehr französisch dominiert, und ich glaube, die Veranstalter sollten noch ernsthaftere Anstrengungen unternehmen, die englischsprachigen Länder einzubinden. Ich muß fürs nächste Mal auf jeden Fall mein Französisch aufpolieren.«

MASA 99, das war im offiziellen Teil die Rückkehr in das Hotel Ivoire, das Vorzeigehotel Westafrikas. Dessen großer Konferenzsaal (Palais de Congrès) erwies sich als geeigneter Rahmen für die offizielle Eröffnung durch den Staatspräsidenten der Côte Ivoire, aber als wenig brauchbar für die Showcases. Schon am zweiten Abend sprach wie auf Kommando jeder nur noch vom »Kühlschrank«. Wenig glücklich auch, die Stände nur drei Stunden geöffnet zu haben – um 10.00 Uhr war kaum schon jemand wach, um 13.00 Uhr mußte man den Saal schon wieder räumen.

Hinter den Kulissen brodelte es jedoch noch heftiger. Erstmals hatte nämlich das MASA-Team auf die bewährte Mithilfe von Freunden aus z.B. Frankreich, Kanada oder Belgien verzichtet und die Messe in Eigenregie organisiert. Und da reihte sich Panne an Panne. Rashnie Moonsammy gibt sich noch diplomatisch: »Für mich hat sich der Besuch gelohnt, denn nach dem Ende der Apartheid suchen wir Südafrikaner ja erst noch die Kontakte und den Anschluß zum Rest Afrikas. Aber negativ waren sicherlich die organisatorische Probleme. Da kann man nur sagen: Es ist ein Anfang, und die Organisatoren haben noch einen langen Weg vor sich.«

Wesentlich heftiger ging André Diabaté, Direktor des Festivals »Afriques en Scènes« in Yaounde/Kamerun, mit der MASA-Crew ins Gericht. Sein Wort hat besonderes Gewicht, da er zum erweiterten Organisationsteam 1997 gehörte und immer noch im Programmbeirat aktiv ist: »Die Organisation ist eine Katastrophe!« Und was sagt er dazu, daß man Christian Mousset (Direktor des Festivals Musiques Métisses in Angoulême/Frankreich und seit Jahren MASA-Mitarbeiter) abbügelt, als er die Pannen anspricht, er sei ein Weißer und solle gefälligst die Schnauze halten, denn es handele sich dabei um ein innerafrikanisches Problem? »Völliger Schwachsinn. Dies ist kein afrikanisches Problem, sondern die Antwort auf die generelle Frage, wie man eine solche Messe organisiert. Aber ich habe bspw. den MASA-Direktor während der ganzen Woche bei keiner einzigen Veranstaltung gesehen – und das ist doch sehr bezeichnend.« Was die Probleme im einzelnen waren, kam als indirekte Replik auf die Frage, ob er – wie eine Reihe der Besucher – auch der Meinung sei, das künstlerische Niveau sei niedriger als vor zwei Jahren: »Stimmt. Aber man muß eben auch die Rahmenbedingungen betrachten. Wenn Musiker hier ankommen, und es gibt eine wirklich schauderhafte Unterkunft, es gibt permanente Probleme mit dem Transport zu den Auftrittsorten, es gibt dort technische Probleme und Verzögerungen, es gibt für die Musiker keine Flasche Wasser, sie haben aber auch kein Geld, sich etwas zu kaufen, weil alles für die Reise draufgegangen ist, und das bißchen, das sie hier als Tagegeld (kein Honorar!) bekommen, kriegen sie auch erst sehr viel später, dann ist das kein Wunder! Wenn ein Musiker sechs Stunden wartet, bis er endlich mal einen Schluck Wasser bekommt, wie soll er dann ein gutes Konzert abliefern?«

MASA 9933 Grad im Schatten sind schließlich auch für einen Afrikaner schweißtreibend. Dan Behrman, ehemals Manager von Haitis Boukman Eksperyans und heute aktiv bei den Francofolies de Montréal und dem Festival International de Jazz de Montréal, sah natürlich gerade in den Temperaturen ein Plus: »Wo ich herkomme, sind's derzeit so ungefähr 33 Grad minus. Allein das ist also ein Grund...« Ihn begeisterten vor allem die Konzerte des MASA-Festivals, umgangssprachlich »MASA Off« genannt: »Das ist für mich die wirkliche MASA, nicht die Showcases in irgendwelchen Plüschsesseln, sondern die Konzerte auf den Plätzen der Stadt.« In der Bilanz erwies sich die MASA Off als wesentlich mehr On denn die eigentliche MASA. Lokale Bands wie auch Künstler aus dem offiziellen Programm stellten sich hier auf Open-Air-Bühnen den Bewohnern der Stadtteile Abidjans. Zeitpläne waren nur grobe Anhaltspunkte; zwar gab es Listen, wer in einem Zeitraum von etwa vier Stunden alles vorgesehen war, doch wann jemand spielte und ob überhaupt, das blieb abzuwarten. Insofern brauchte man Glück und manchmal auch Geduld, um bspw. in den frühen Morgenstunden noch von Ismael Isaac (Elfenbeinküste) ein begeisterndes Reggaekonzert zu sehen oder TP Audiorama zu erleben, die älteste Band des Landes, die auch nach über 30jährigem Bestehen frisch wie eh und je klang und die Leute im Handumdrehen zum Tanzen brachte. Hier fanden sich auch die Bewohner Abidjans ein, an denen das offizielle Programm ansonsten vorbeilief. Mangels Interesse, wohl eher aber noch mangels Geld, blieben die Profis von nah und fern bei der eigentlichen MASA unter sich.

Womit nicht gesagt sein soll, daß sie uninteressant war. Ob Lukson Padaud, eine der Szenegrößen Abidjans, sich als »Exportartikel« eignet, sei dahingestellt – angetan war ich von seinem Konzert allemal. Gleiches mag für Wendo Kolosoy gelten, den über 60jährigen Paten der Zaire-Rhumba, der mit unvergleichlichem Charme die Mädels in den ersten Reihen becircte. Michel Legris mit seinem Séga von der Insel Mauritius gehört sicherlich zu den positiven Erinnerungen, ebenso Anne-Marie N'Zié aus Kamerun, deren Stimme und lebendiger Bühnenshow man ihre 68 Jahre nicht anmerkt. Und »best of the lot« war wohl ohne jeden Zweifel Néba Solo aus Mali, ein großartig polyrhythmisches Balafon-Oktett mit zwei fabelhaften Tap-Tänzern vorneweg.

Nach einer Woche hatte man sich eingegroovt, sah die organisatorischen Probleme als nicht mehr so schlimm an, hatte auch das europäische Kosten-Nutzen-Denken gegen ein sonniges laisser faire eingetauscht, und machte sich mithin wehmütig auf den Rückweg – mit der festen Absicht, im nächsten Jahrtausend wieder dabei zu sein, im Jahr 2001, bei der 5. MASA in Abidjan.


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