Das »garstige« politische Lied hat in Ost- und Westdeutschland unterschiedliche, aber vergleichbare Tradition. In einigen Zeiten hatte die »LiedermacherInnnen-Szene« durchaus Einfluß auf zeitgeschichtliche Entwicklungen. Daß LiedermacherInnen einen immensen Anteil an der Schaffung jenes politisch-geistigen Klimas hatten, das schließlich den Wendeherbst ermöglichte, steht wohl außer Frage aber was genau geschah im Jahr '89 und welche Entwicklung war dem vorausgegangen? Wie groß waren Repressionen und Spielräume, Hoffnungen und Illusionen, Ängstlichkeit und Zivilcourage? Um diese Fragen soll es an Pfingsten (22./23. Mai) auf der Burg Waldeck unter der Überschrift »Leipzig im Herbst '89 Die DDR-Liedermacher und die Wende« gehen. Angekündigt sind Vorträge, Gespräche und natürlich viel Musik.
Ihre Teilnahme haben angekündigt: Bernd Lindner vom Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig, Autor verschiedener Publikationen über die Wende, wird die politischen Bedingungen des Herbstes '89 in der DDR schildern. Zeitzeugen werden in Workshops die Situation der DDR-Liedermacher und ihren Anteil an den 89er Ereignissen zu rekonstruieren versuchen.
Hans-Eckardt Wenzel, ein vielseitiger Schriftsteller, Musiker und Theatermann aus Berlin. In den achtziger Jahren zog er mit seinem Partner Steffen Mensching als »Duo Wenzel & Mensching« durch die Lande. Wenzel war einer der Autoren der Resolution der Rockmusiker und Liedermacher vom 18. September '89 und trat u.a. bei der Demonstration am 4. November auf dem Berliner Alexanderplatz auf.
Matthias Görnandt, heute Leiter des Perleberg-Festivals und damals ehrenamtlicher Vorsitzender der Sektion »Lied und Kleinkunst«, die einen Spagat zwischen staatlich sanktionierter Kulturpolitik auf der einen Seite und künstlerischer Kreativität und Ehrlichkeit auf der anderen Seite versuchte.
Leipzig spielte nicht nur in politischer, sondern auch in kultureller Hinsicht eine besondere Rolle in der DDR: Im Workshop »Zwischen Fördervertrag und Auftrittsverbot« werden sich Künstler und Journalisten über die Leipziger Lied- und Folkszene der achtziger Jahre auseinandersetzen. Mit dabei sind u.a. Dieter Kalka, Liedermacher aus dem Braunkohle- und Chemierevier südwestlich von Leipzig, Andreas Reimann, der für viele Liedinterpreten Texte geschrieben hat, und Jens-Paul Wollenberg, enfant terrible der ostdeutschen Liedszene.
Die auftretenden Künstler berichten über die 80er Jahre und präsentieren ihr Repertoire des Jahres 1999, so Hans-Eckardt Wenzel Lieder und Texte unter dem Titel »Die Zeit der Irren und der Idioten«. Die Westsicht bei den Mitwirkenden bringt der Berliner Liedermacher Manfred Maurenbrecher ein. Er hat allerdings spezielle »Osterfahrungen«, kann von der Rockpoeten-Tour durch die DDR im Sommer 89, von der Zusammenarbeit mit dem ostdeutschen Liedermacher Gerhard Gundermann und von Tourneen durch Sachsen und Thüringen berichten. Und nicht zuletzt hat er die Ost-West-Problematik auf witzige Weise in seinem Lied »Wessi« thematisiert.
Aber nicht das Abfeiern von (N)ostalgie ist der Mittelpunkt der Veranstaltung, sondern eine breite Analyse der Wechselwirkungen von Kultur und Politik, von kulturellen Differenzen und kulturellen Entwicklungen in West und Ost vor, während und nach der Wende. Sicher werden auch die Perspektiven von Politik und politischem Lied andiskutiert. Und es ist nicht auszuschließen, daß an Pfingsten eine von freiheitlichem und emanzipatorischen Liedgut getragene spezielle Atmosphäre entsteht, für die die Waldeck schon lange einen hervorragenden Rahmen bietet.
Anmeldungen und weitere Informationen: Burg Waldeck (Telefon 06762/7997, Fax 06762/6201)
Lutz Kirchenwitz
|
|
|
|
Aktuelles im Folker! 3/99