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Die Freiburger Spielleyt

Christian Rath
Marienverehrung mit Computer
Die Freiburger Spielleyt

Von Christian Rath

Die deutsche Mittelalter-Szene boomt. Immer mehr Menschen besuchen sogenannte Mittelalter-Märkte und auch die dazugehörige Musikszene wird immer bekannter. Doch während Dudelsack-Rocker wie »Corvus Corax« und »In Extremo« um den Titel der »lautesten Band seit 2000 Jahren« wetteifern, gehören die »Freiburger Spielleyt« eher zu den Stillen und Besinnlichen im Lande. »Den Marktplatz überlassen wir gerne den anderen«, sagt Albrecht Haaf, der die Gruppe vor über zwanzig Jahren gründete, »wir spielen lieber die Musik der Höfe und Kathedralen«. Sehr schön, aber etwas neben dem Trend.

Auch sonst sitzen die »Freiburger Spielleyt« oft zwischen allen Stühlen. Die Puristen alter Musik finden ihre elektronischen CDs »zu modern« oder »zu kitschig«. Doch auch Pop-Zeitschriften interessieren sich nicht für sie, schließlich sei das ja immer noch klassische Musik, heißt es. Tatsächlich stammt das Material auf der jüngsten CD »Waves of Vigo« aus dem Spanien des 13. Jahrhundert. Verbunden wird der mittelalterlicher Marienkult jedoch mit moderner Soundtüftelei.

Discographie
1990 Spielleyt – Musik aus Mittelalter und Renaissance (Aurophon)
1993 Jubilate Deo – Festliche Musik aus 10 Jahrhunderten (Verlag der Spielleute)
  Tales of miracles – Cantigas de Santa Maria (Verlag der Spielleute)
1996 »Nun grüss dich Gott, mein feine Krott« – Süddeutsche Komponisten um 1500 (ARS MUSICI)
  »O Fortuna« – Glück und Unglück in Liedern und Texten des Mittelalters (ARS MUSICI)
1997 »Die Gedanken sind frei« – musikalische Flugblätter zwischen Bauernkrieg und 48er Revolution (ARS MUSICI)
1998 Waves of Vigo – Cantigas de amigo / Cantigas de Santa Maria (ARS MUSICI)
  »Es stot ein lind in himelrich« – Weihnachtliche Musik aus Mittelalter und Renaissance; in Zusammenarbeit mit den Freiburger Domsingknaben (ARS MUSICI)

»Wir hören durch den Synthesizer den fernen, fremden Klang der Engelkräfte; den einen Klang hinter allen Klängen und Tönen; den einen, göttlichen Gedanken hinter allem menschlichen Denken«, so schwelgte 1993 das Booklet der ersten elektronischen »Spielleyt«-CD (»Tales of Miracles«) in real-satirischer Technikbegeisterung. Inzwischen ist der Engel-Synthesizer nicht mehr ganz so sensationell. Bei »Waves of Vigo« vergaß man sogar, ihn in der Besetzungsliste zu erwähnen. Und das, obwohl die elektronischen Klänge diesmal noch stärker präsent sind.

Dabei ist »Waves of Vigo« aber wirklich kein Pop. »Auf einen durchgehenden Beat haben wir bewußt verzichtet«, erzählt Albrecht Haaf. Die »Spielleyt« schielen auch nicht auf Charts- oder Diskotheken-Tauglichkeit. Elektronik muß nicht aufdringlich wirken, so ihre Philosophie. Im Mittelpunkt stehen immer noch die hohen musikalischen Fähigkeiten der fünfköpfigen Gruppe.

Helden der Gothic-Szene

Und doch hat man – eher ungewollt – Anschluß an die Jugendkultur gefunden. »Irgendwann ist uns aufgefallen,« erinnert sich Gruppenmitglied Bernd Meyer, »daß immer wieder dunkel gekleidete und auffällig geschminkte junge Leute zu unseren Konzerten kamen«. Die »Dark Wave«- und »Gothic«-Szene hatte die Spielleute für sich entdeckt. Der gemeinsame Nenner ist das Interesse am Mittelalter und seiner Kultur.

Inzwischen fahren die »Freiburger Spielleyt« beim Vertrieb ihrer CDs zweigleisig. Das etablierte Publikum wird mit dem Freiburger Klassik-Label »Ars Musici« angesprochen, für die »Schwarze Szene« arbeitet man mit »Glasnost« in Hamburg zusammen. Dort wurde für die »Waves of Vigo« extra ein weniger optimistisches Cover entworfen.

Im letzten Sommer war man auch zu einem großen Dark-Wave-Treffen in Leipzig eingeladen, was aber zu neuen Problemen führte. »Die wollten«, so Bernd Meyer, »daß wir mit Riesenanlage auf der Hauptbühne auftreten«. Das verweigerte jedoch die Gruppe, die den intimen Rahmen bevorzugt. Schließlich spielten die »Spielleyt« mit großem Erfolg in einer Leipziger Kirche.

Auch das »Waves of Vigo«-Programm wird live nicht in dieser Form zu hören sein. »Da müßten wir uns eine ganz andere Ausrüstung anschaffen«, begründet dies Albrecht Haaf. Bei Auftritten verzichten die Spielleyt meist ganz auf elektronische Verstärkung, beleuchtet wird überwiegend mit Kerzenlicht.

FREIBURGER SPIELLEYT - Waves of VigoZu bestaunen gibt es für das Publikum aber auch ohne moderne Effekte genug. So sind die mittelalterlichen Instrumente, die die »Spielleyt« benutzen, in den Konzertpausen regelmäßig Gegenstand neugieriger Blicke und Fragen. Da ist etwa die Sinfonia, eine Vorgängerin der Drehleier, oder das Portafon, eine Urform der Orgel, die von zwei Personen bedient wird. Wenn Jutta Haaf auf den Tasten die Melodie spielt, muß ihr Mann dazu die beiden Blasebalge bewegen.

Groovende Triangel

Eine prägende Rolle im Konzert haben auch Regina Kabis mit ihrem natürlich-klaren Sopran sowie der Percussionist Frank Bockius. Oft genügen ihm eine Triangel oder eine Rassel, um der Alten Musik ganz unerwarten Groove zu geben.


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