back Black Magic Women

Von Busi Mhlongo bis Sally Nyolo

Als Nichelle Nichols alias Lieutenant Uhura zum ersten Mal in »Raumschiff Enterprise« auftrat, ging ein Aufschrei durch die amerikanische Gesellschaft: Eine schwarze Frau, die ungefragt mit Captain Kirk plaudert? Das geht zu weit. Andere lobten, daß neben der selbstverständlichen Integration von Klingonen und Vulkaniern nun auch schwarze Erdlinge eingemeindet wurden. SALLY NYOLO - tribuJust in dieser Zeit politischer Klimaschwankungen betrat eine junge Südafrikanerin die Bühne Amerika und erlebte größte Triumphe ebenso wie schwerste Demütigungen: Miriam Makeba. Sie verbrachte mehr Jahre im Exil als Mandela im Knast und wurde zum Vorbild ihrer vielen Töchter im Amt wie Busi Mhlongo, Khadja Nin, Angelique Kidjo oder Sally Nyolo. Ohne Wunden ging es aber auch bei ihnen meist nicht, auch wenn sie sich inzwischen allesamt erfolgreich im Weltmusik-Getriebe tummeln.

Von Luigi Lauer

»Ich glaube, wer immer uns in diese Weltmusik-Schublade gesteckt hat wollte sagen: Dritte-Welt-Musik.«

Miriam Makeba

Miriam Makeba tritt derweil ab. Im letzten Jahr gab es ihre Farewell-Tournee. Dieses Jahr wird wohl die zweite folgen, denn das Album, mit dem sie sich verabschieden wollte, war noch nicht fertig. So wird sie noch einmal kommen und Pata-Pata singen müssen – nach 40 Jahren schon fast eine Strafe, zumal sie selbst dieses Lied für eines ihrer unbedeutendsten hält. Miriam Makeba aber gibt sich trotzig: »Die Musik kann sich ändern, wie sie will, ich bleibe trotzdem, wer ich bin.« Ihr gutes Recht. Aber es waren gerade Veränderungen, die ihr die Miriam MakebaRückkehr nach Südafrika ermöglichten. Ihre schlaflose Nacht vor dem lange ersehnten Rückflug ist allzu verständlich, und als man am Flughafen in Johannesburg ihren Paß forderte, kamen die Erinnerungen wieder hoch an damals, vor 33 Jahren, als man ihr im südafrikanischen Konsulat in New York den Stempel »Ungültig!« ins Dokument drückte. »Den Grund dafür hat mir bis heute niemand gesagt. Obwohl ich so lange das Lieblingskind der amerikanischen Presse war, hatte ich mich bis dahin zu politischen Fragen nie geäußert.« Das sollte sich durch den schnöden Stempelabdruck ändern. Ihr Förderer und Freund Harry Belafonte, seit jeher als Kämpfer gegen den alltäglichen Rassismus tätig, machte sie mit einem Mann bekannt, der für sein Engagement erst den Friedensnobelpreis, später eine Kugel in den Kopf bekam. In ihrer Biographie »Homeland Blues« beschreibt sie ihn so: »Er war eine sehr starke Persönlichkeit. Wenn er in einer Versammlung sprach, zog er mit seiner Kraft und seinem Charisma die Zuhörer in seinen Bann. Als er mich nach meinem Auftritt begrüßte, brachte ich vor Schüchternheit kein Wort heraus.« Der Respekt ist verständlich. Ihr Gegenüber war Martin Luther King.

»Meine Werte sind nicht die der westlichen Welt.«

Angelique Kidjo

Fortan war Miriam Makeba bemüht, einen Grund für ihre Ausweisung nachzuliefern. Sie änderte sich, wenn auch nicht unbedingt musikalisch. Nachdem sie mit Pata Pata 1967 einen Top-5-Hit in den US-Charts gelandet hatte, mit ihrer Frisur und ihrer Kleidung einen neuen Modetrend auslöste (»Afro-Look«) und von Titelblatt zu Titelblatt weitergereicht wurde, stritt sie jetzt vor den Vereinten Nationen gegen die Apartheid, heiratete in dritter Ehe den radikalen Bürgerrechtler Stokeley Carmichael und brachte Afrika in das Bewußtsein unzähliger Menschen. Mit ihrer Reisepaß-Sammlung könnte sie jede Doppelpaß-Diskussion ersticken, sie kann eine Handtasche damit füllen. Auch aus Guinea ist einer dabei, persönlich überreicht von ihrem langjährigen Freund und Staatschef Sekou Toure. Daß der ein ausgemachter Diktator war – nun gut, das Leben hat so seine Widersprüche. Dies aber bleibt: Sie hat mehr als nur eine Generation von Musikern beeinflußt. Daß deren Musik nun unter der Überschrift »Weltmusik« geführt wird, hat ihr nie gefallen: » Ich glaube, wer immer uns in diese Weltmusik-Schublade gesteckt hat, wollte sagen: Dritte-Welt-Musik. Aber er wollte politisch korrekt sein und hat das »Dritte« weggestrichen. Für mich ist das Quatsch, denn solange wir keine Musik vom Mars kennen, ist ja wohl alles Weltmusik.« Starke Worte einer großen Künstlerin, die müde geworden ist an ihrem harten und engagierten Leben. Und schon dafür hat sie, patapata nochmal, einen standesgemäßen Abgang ebenso verdient wie ihre treuen Fans die Farewell-Tournee – mit neuem Album.

ANGELIQUE KIDJO - oremiDas musikalische Erbe und die nötige Weiterentwicklung haben inzwischen ihre »Kinder« und »Enkel« besorgt. Angelique Kidjo aus Benin ist eines davon, und sie steht in ständigem Kontakt zu ihrer »Mama Afrika«: »Oh, ich traf sie noch letzte Woche, sie ist immer noch mein Idol. Ich wünsche mir ihre Bescheidenheit, wenn ich in dem Alter bin. Sie ist großartig, unschlagbar! Ich bin gerne in ihrer Nähe, freue mich, wenn sie mir Rat gibt, mir sagt, wie sie die Dinge sieht.« Dabei könnten die beiden unterschiedlicher kaum sein: hier die schüchterne, nachdenkliche und ihr Leben fast nur noch im Rückspiegel betrachtende alte Dame, dort der maskuline Kraftbolzen Kidjo, deren Frisur auf der Überholspur liegenblieb. ANGELIQUE KIDJOIn ihrer Heimat sang sie Coversongs in der Band ihrer Brüder und bekam so ein multimusikalisches Gehör: »Zaire, Kamerun, Kuba, Haiti, Samba, indische Musik – ich habe mir alles angehört, seit ich klein bin.« Da sie immer noch klein ist, wird sich das kaum ändern. 1983 ging sie nach Paris, nur ein Jahr später war sie mit Pili Pili auf Tour, der holländischen World-Jazz-Gruppe um Jasper van t´Hof, bei der sie fünf Jahre blieb. Dies dürfte der eigentliche Startpunkt ihrer Karriere gewesen sein, auch wenn sie selbst mal Frankreich, mal Benin nennt – je nachdem, welche Meinung sie gerade von Frankreich hat. Und das ist derzeit keine gute, sie hat Paris den Rücken gekehrt: »In Frankreich kannst du als afrikanischer Künstler nicht mehr weiterkommen. Ich habe 14 Jahre in Frankreich gearbeitet und weniger erreicht als in 1 1/2 Jahren in New York. Und das Publikum in Frankreich ist doch sehr abgestumpft.« Mag sein. Doch ihr nachgeschobenes Lob für die Offenheit des deutschen Publikums wirft die Frage auf, wie weit sie wohl mit Wohnsitz Berlin gekommen wäre? Oder Bad Tölz? Immerhin entstanden ihre Soloalben – bis auf ihr jüngstes Werk »Oremi« – alle in Frankreich. Damit ist aber zumindest für die nächsten beiden CDs Schluß: »Oremi ist der Anfang einer Trilogie, und dazu wollte ich die Sichtweise der Amerikaner kennenlernen.« Dazu gleich nach New York zu ziehen ist sicher die konsequenteste aller Lösungen – eine andere hätte man von ihr auch kaum erwartet. Denn so ist sie drauf: gesagt – getan.

Wie sie es schafft, immer wieder Kraft zu schöpfen für ein erfolgreiches Leben zwischen allen kulturellen Stühlen, erklärt sie so: »Aufgrund meiner Spiritualität. Platz im Herzen und im Kopf zu haben für die Natur kann dir eine Menge geben. Im Westen wollen sie schnell leben, reich leben – aber nicht in der Natur. Meine Werte sind nicht die der westlichen Welt. Sally NyoloDie Natur ist mein Gott.« Mit letzterem beantwortet sie auch die Frage danach, ob sie sich der Voodoo-Religion verbunden fühle. Und fügt hinzu, daß man im Westen von Voodoo nicht viel verstehe und bis heute die ablehnende Haltung der frühen Missionare vorherrsche. Darum sei es auch wichtig, daß Afrikaner ihre Geschichte selber schreiben und das nicht den Weißen überlassen – da komme ohnehin meist Unfug bei raus. Und der Stellenwert der Geschichte sei garnicht hoch genug zu bewerten: »Das Gestern ist wichtig. Ohne Vergangenheit keine Gegenwart, und Heute ist ein Teil der Zukunft. Was du heute nicht aufbaust, fehlt dir in der Zukunft. Die Geschichte ist schon da, bevor du geboren wurdest. Du lernst also von der Geschichte, was dein Heute bedeutet.« Dabei komme der mündlichen Überlieferung eine wichtige Rolle zu, da sie die Geschichte zum täglichen, gelebten Gegenstand macht - sagt Kidjo, die Leseratte. Und stellt ihrem Geschichtsbewußtsein eine High-Tech-Musik gegenüber. Da wird gesampelt und geloopt, was das Zeug hält, der Tontechniker wird zum wichtigsten Musiker. Das Ganze ist, trotz Kidjos kritischem Geist, vertonter Optimismus, mal Pop, mal Disco. Das afrikanischste daran sind noch die Sprachen, in denen Kidjo singt. Was vielleicht daran liegt, daß man davon in Benin mehr als 60 zur Auswahl hat.

KHADJA NIN - SamboleraEtwas mehr Optimismus würde man auch Khadja Nin wünschen. Doch mit Angelique Kidjo hat sie nur Nicolas Fiszman gemeinsam: zu Kidjos Zeiten war der Bassist bei Pili Pili, später übernahm er den Job bei Nin und war für mehrere Jahre auch deren Lebensgefährte. Doch die Diplomatentochter ist so weit von der Power und der Zuversicht der Kidjo entfernt wie Benin von Burundi. Dabei ist sie mit Gaben gesegnet, um die man sie wahrlich beneiden kann: Ihre Stimme ist von elektrisierender, subtiler Erotik, und ihr Aussehen einfach umwerfend. Sie gehört zu der Kategorie Frauen, die nicht gehen, sondern schreiten. Und mit Fiszman steht ihr auch nach der Trennung ein begnadeter Multi-Instrumentalist, Komponist und Produzent zur Seite. Khadja NinGlücklich oder zufrieden scheint sie dennoch nicht zu sein, worüber die Grußworte ihrer CD-Booklets vielleicht noch am meisten aussagen. Auf »Sambolera« heißt es: »Auch in schlechten Zeiten bleibe ich beharrlich, und wieder und wieder sage ich: Mein Leben geht weiter...«. Und auf ihrem neuen Album »Ya« heißt es gar: »Das Leben wird oft alleine gelebt.«

Schon »Sambolera«, ein 1996 überarbeiteter Zusammenschnitt ihrer ersten beiden CDs, ist eine schaurig-schöne Mischung aus Klageliedern und Afro-Pop vom Feinsten, der mächtig in die Beine fährt. So abwechslungsreich sind Platten selten, Nins Stimmungen sind hier noch ausgewogen. Ihr neues Album »Ya« hingegen wird vom Weltschmerz im Allgemeinen und von ihren persönlichen Niederlagen im Besonderen dominiert. Ob in ihren eigenen Songs oder in Adaptionen wie Rod Stewarts »Sailing« (mit Gastauftritt der Bernardini-Brüder der korsischen Band I Muvrini), Pierre Akendengues »Afrika Obota« oder Stings »Damu Ya Salaam« – die Frau ist abgrundtief traurig, und man kann es hören. Sie will es auch garnicht verhehlen: »Das Leben ist nicht immer vergnüglich und optimistisch. Meine Musik auch nicht.«

»Wir waren lange genug der Schmerz der Erde«

Busi Mhlongo

Einen anderen Umgang mit ihrer schmerzhaften Vergangenheit pflegt Busi Mhlongo. Die Hölle des rassistischen Südafrika hat sie erlebt, hat ermordete und mordende Kinder gesehen, doch mit ein paar Brandnarben auf der Seele hat sie es überstanden. Niemand möchte ihre Erfahrungen teilen, und doch mußten es Millionen, täglich: »Die Apartheid hat dir eine Existenz aufgepflanzt, hat dich dirigiert, oktroyiert. Du mußtest alles mögliche sein, außer du selbst. Man wurde zur Puppe.« Oder starb. Der Alltag, den Busi in ihren Liedern beschreibt, war dementsprechend: »Du sagst jemandem Hallo, und als du dich noch einmal umdrehst, liegt er blutüberströmt am Boden. Oder es wird direkt vor dir jemand zusammengeschossen, und Menschen stehen brennend auf der Straße. Das Schlimmste aber ist, daß deine Kinder das für ganz normal halten; sie haben es nicht anders kennengelernt. Wenn du sie darauf ansprichst fragen sie dich, was mit dir los ist.«

»Ich bin eine afrikanische Frau, aber auch eine Weltbürgerin.«

Sally Nyolo

Daß auf solchem Nährboden eine so fröhliche, lebensbejahende Musik gedeihen kann, erstaunt immer wieder. Für Busi, die obendrein mit gerade 22 Jahren ihren Ehemann verlor, war es allerdings keine Selbstverständlichkeit: »Ich habe lange gebraucht, mich selbst als eine afrikanische Frau zu akzeptieren, als eine schwarze Frau, als eine reife, fertige Frau, die ihren Platz in der Welt hat. Doch ich wollte nicht länger versuchen, eine Amerikanerin zu sein oder sonst etwas, das ich nicht bin, das man aber von mir erwartete.« Gelungen ist ihr das in ihrer zweiten Heimat, in Holland, wo gute Freunde ihr das Selbstbewußtsein zurückgaben, ihr eine Bleibe boten und für Musiker und Proberaum sorgten. Den musikalischen Grundstock für ihre Musik hat sie sich bei den Männern ihrer Heimat, KwaZulu Natal, ausgeliehen. Denn Maskanda, wie der kraftstrotzende Gesang der Minenarbeiter genannt wird, war früher reine Männersache. Ein Tabubruch? Maskandalös? »Die Leute waren schon sehr überrascht, daß da plötzlich eine Frau ihre Männerlieder sang. Sie waren aber auch fasziniert, waren gefesselt von meiner ganz anderen Art, den Maskanda zu spielen. Und da dachte ich: Wenn meine Leute die Musik akzeptieren, dann kann ich auch ein Album daraus machen.«

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