backHarold Leventhal

Ein Manager und Veranstalter, der Pete Seeger die McCarthy-Ära überleben half


Von Peter Applebome (Übersetzung Michael Kleff)

So wie Harold Leventhal an diesem 11. November, dem amerikanischen Veterans Day, durch die Hintertür die ehrwürdige Carnegie Hall betritt, hat man das sichere Gefühl, daß er nicht das erste Mal hier ist. »Harold!«, dröhnt eine Stimme von hinter der Scheibe des Kartenschalters, »Wie geht´s? Sie sehen großartig aus. Das ist heute Ihr Tag, Harold. Sie sind ein Veteran, ein Veteran als Veranstalter.«

Harold LeventhalHarold Leventhal beeilt sich klarzustellen, daß er in der Tat auch ein ehemaliger Soldat ist, der bemerkenwerte Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg in Indien hatte. Wenn es jedoch einen in der amerikanischen Musikgeschichte gibt, den man mit Recht als »Veteranen« auf diesem Gebiet bezeichnen kann, dann ist es Harold Leventhal. Er begann seine Karriere im Musikgeschäft als »Songverkäufer« für Irving Berlin, überlebte mit den Weavers die Jahre der schwarzen Liste, veranstaltete Bob Dylans ersten Auftritt in einer Konzerthalle und bringt seit nunmehr fast einem halben Jahrhundert Künstler wie Judy Collins und Joan Baez auf Bühnen wie die in der Carnegie Hall. Heute beschäftigt er sich u.a. mit Projekten des Woody Guthrie-Archivs, gemeinsam mit Guthries Tochter Nora.

»Harold ist eine bemerkenswerte Person, durch und durch ehrlich und mit einer großen Portion Humor gesegnet«, sagt Pete Seeger, der Leventhal im Programmheft für das traditionelle Thanksgiving-Konzert mit Arlo Guthrie im vergangenen November gewürdigt hat. »Er hat etwas Außergewöhnliches für die Weavers getan. Er hat seinen Kopf aus dem Fenster gehalten und glaubte an uns, als niemand anders dies tat. Man könnte fast sagen, er hat an Amerika geglaubt.«

Harold Leventhals Haltung ist geprägt von liberalen Ansichten, dem Leben in der Bronx in den Jahren der Depression und den lockeren Einstellungen der Folkära. Mit einer an den Nikolaus erinnernden Statur und seiner grauen Strickweste über einem himmelblauen Rollkragenpullover sieht er aus wie ein krauser jüdischer Buddha. Dabei weist er die Fähigkeit auf, »schwergewichtige« Namen ebenso beiläufig ins Gespräch einfließen zu lassen wie Mel Brooks in seinem Stück »2000 Year Old Man«.

Harold Leventhal wurde 1919 in Ellenville, New York, als jüngstes von fünf Kindern einer Immigrantenfamilie geboren. Seine Mutter kam aus der Ukraine, sein Vater, der nur wenige Wochen nach seiner Geburt starb, aus Litauen. Im darauffolgenden Jahr zog die Familie in die Lower East Side in Manhattan, wo die Mutter als Hausmeisterin in dem Gebäude arbeitete, in dem sie wohnten. 1933 zog man erneut um, in die Bronx.

Harolds älterer Bruder Herbert bekam einen Job bei Irving Berlin. Er selbst folgte ihm schon bald. Harold »verkaufte« die Stücke von Irving Berlin an Bigbands wie die von Harry James oder an Sängerinnen wie Dinah Shore. Nach Büroschluß traf man ihn meistens bis in die frühen Morgenstunden beim gemütlichen Plausch in nächtlichen Treffpunkten wie »Lindy´s« an. Zu den schönsten Erinnerungen aus jenen Jahren gehört, wie er einmal Frank Sinatra als »Ersatz« bei einem Konzert mit Benny Goodman zusammenbrachte.

Irgendwie konnte er seine Fähigkeiten auch in Indien anwenden, wo er als Obergefreiter in einer Fernmeldetruppe diente. »Die charistmatischste Persönlichkeit, der ich je begegnet bin, ist Nehru«, sagt Leventhal voller Bewunderung, während er über die Jahre des Zweiten Weltkriegs erzählt. Ein Photo der beiden hängt in seinem Büro. »Er war gutaussehend. Charmant. Großzügig. Ein beeindruckender Mann.« Indiens erster Ministerpräsident gab Harold Leventhal ein Empfehlungsschreiben mit auf den Weg, um Mahatma Ghandi kennenzulernen. Die beiden trafen sich danach mehrere Male.

Nach dem Krieg fühlte sich Leventhal wieder vom Musikgeschäft angezogen und eines Nachts fand er sich irgendwo in Greenwich Village wieder, wo er die damals noch unbekannten Weavers hörte. Folkmusik war in jenen Jahren das allerletzte, dessen man sich des kommerziellen Erfolgs wegen annehmen konnte. Aber Harold Leventhal mochte die Bandmitglieder, ihre politische Einstellung und ihre Musik. Kurz danach wurde er ihr Manager. Es war die wichtigste Verbindung seiner Karriere.

Die Weavers mit Pete Seeger, Fred Hellerman, Lee Hays und Ronnie Gilbert waren der erste kommerzielle Erfolg des Folkrevivals der 50er und 60er Jahre. Und ihre Mitglieder, vor allem Pete Seeger, gehörten zu den prominentesten Zielscheiben der Untersuchungen von Senator Joseph McCarthy und der schwarzen Listen, die folgten.

Peter Applebome ist Redakteur der New York Times und schreibt für das Feuilleton.


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