Von Claudia Frenzel
Seit über drei Jahren ist Aziza-A auf den Bühnen der deutschen HipHop-Szene anzutreffen. Die in Berlin geborene und aufgewachsene Türkin ist durch eine Reihe von Zufällen zur Vorzeigerapperin mit türkisch-deutschem Hintergrund geworden. Aziza-A steht zumindest in Szenekreisen für eine eher ungewohnte, aber nicht neue Mischung aus HipHop und orientalischen Klängen. In etlichen Features und Artikeln wurde die 27jährige als Berlins HipHop-Hoffnung und erste türkische Rapperin Deutschlands gefeiert.
AZIZA-A
Es ist Zeit
(Orient Express/ GGM) Aziza-A wurde nach ihrer Debut-CD als neuer Star der Berliner Oriental HipHop-Szene gefeiert. »Es ist Zeit« stand zwei Monate nach Veröffentlichung bereits auf Platz 2 der World Music Charts. Aziza-A mischt Soul, Rap und HipHop mit traditionellen türkischen Klängen und türkisch-deutschen Texten. DJ Soft G., in der Berliner Szene kein unbeschriebenes Blatt, arrangierte sämtliche Songs mit etlichen technischen Raffinessen. Die Erfindung des Oriental HipHop allerdings ist nicht so neu. Zu seinen Vorboten zählen Islamic Force aus Berlin, die 1991 mit diesem neuen Sound vorpreschten, und Cartel, ebenfalls aus Berlin, die sogar in den türkischen Charts Stars wie Michael Jackson von der Spitze verdrängten. Daß auch Aziza-A, die in Berlin geboren und aufgewachsen ist, diesem Sound verfallen ist, zeigt, daß die Spannungsverhältnisse der verschiedenen Kulturen auf der ehemaligen westdeutschen Insel mitten in der DDR sehr kreative Früchte hervorgebracht haben. Gleich zu Beginn fährt Aziza-A mit fetten Beats und sehr vordergründigen orientalischen Klängen auf. Der Titelsong der CD ist zudem textlich recht anspruchsvoll. Aziza-A gibt sich als selbstbewußte Frau, die ihren Weg zwischen der deutschen und türkischen Kultur gefunden und etwas zu sagen hat. Wahrscheinlich ist es genau der Song »Es ist Zeit«, der sie in einigen Kritiken zum Sprachrohr der türkischen Frauen hochstilisiert hat, was ziemlich übertrieben ist. Zugegeben, Oriental HipHop ist gewöhnungsbedürftig. Die Beats sind oft zu monoton und recht einfach gestrickt. Mitunter wünscht man sich das Ganze etwas härter und weniger poppig. Auch die Reime wirken oft etwas holprig und passen nicht immer exakt auf die Beats. Witzig ist die Verwendung traditioneller Instrumente wie Saz, Zurna und Darbuka in Verbindung mit modernen Sounds. Samples, für die sich die Rapperin Unterstützung von keinem geringeren als DJ Derezon, von den Islamic Force geholt hat, gibt es in Hülle und Fülle, was auf Dauer der Monotonie der meisten Songs auch keinen Abbruch tut. Wenngleich Titel wie »Körper« unglaublich soft und soulig klingen, greifen andere natürlich in sämtliche Schubladen des HipHop, wie z.B. »Hamam«, wo munter gegroovt und geshoutet wird. Leider wirkt gerade »Hamam« nach einigen Sekunden bereits ziemlich ausgekaut. Live probiert Aziza-A momentan Neues aus. So tourt sie neuerdings mit einer Band, statt der bisher üblichen DJs-Tänzer-Formation. Im Interview hat die Berlinerin angekündigt, in Zukunft mehr Funk- und Jazzelemente zu verwenden. Inwieweit das dann noch Oriental HipHop ist, wird ihre neue CD in diesem Jahr sicher zeigen. Für Freunde orientalischer Klänge, die HipHop nicht prinzipiell ablehnen, sicher eine interessante Mischung. Für echte HipHop-Fans mit Sicherheit langweilig, und für mich leider nicht mehr als nett. Claudia Frenzel |
Zum Interviewtermin mit Aziza-A kann es schon mal passieren, daß man an ihr vorbei rauscht. Man erwartet nicht, daß sie bereits etliche Minuten vor dem Termin am verabredeten Ort wartet. Auf der Bühne, von der sie sagt, sie sei für sie geschaffen, gibt die Rapperin sich als echte Powerfrau, die ihrem Publikum, egal wie zahlreich es auch ist, immer wieder ein Feedback abverlangt. Gerade so, als suche sie ständig nach Bestätigung. Beim Interview scheint Aziza-A dann doch etwas ruhiger zu sein. Nur ihr extrem markantes Lachen ist unverkennbar.
Aziza-A bedeutet übersetzt so viel wie die mächtige Schwester. »Diesen Namen hat mir vor vielen Jahren ein Freund verpaßt. Wahrscheinlich, weil ihn meine Gestalt daran erinnert hat«, erzählt sie lachend. Das war allerdings schon lange vor ihrer musikalischen Karriere.
Diese begann, wie sie selbst zugibt, dank vieler glücklicher Umstände 1994. »Ich habe echt viel Glück gehabt. Ich hatte nie daran gedacht, daß ich mal so weit kommen würde, eine CD machen würde und so weiter«, sagt Aziza. »Mit 16 habe ich angefangen, in der Wanne zu singen. Später habe ich für Freundinnen gesungen. Eine von ihnen hat mich dann irgendwann bei einem Gesangswettbewerb eingeschrieben. Ich wollte da gar nicht hin. Diesen Wettbewerb hat zufällig ein Freund von mir mitveranstaltet.« Das war der Beginn ihrer musikalischen Laufbahn, denn jener Freund, der in einem Berliner Tonstudio arbeitete, lud sie ein, dort vorbeizukommen. Erste Versuche als Vokalsängerin für verschiedene CD-Produktionen fanden statt. Einer kranken Sekretärin, für die Aziza-A einsprang, verdankt sie, daß sie fortan täglich Studioluft schnuppern konnte. »Irgendwann habe ich dann halt angefangen, selber was zu machen.« Und das ohne Vorbildung. »Alles, was ich bis dahin konnte, habe ich mir selbst beigebracht«, versucht sie die glücklichen Umstände ein wenig zu kaschieren. Sie hatte ihren Klavierunterricht während der Pubertät wegen anderer Interessen schnell wieder an den Nagel gehängt und begann erst nach etlichen Liveacts, Gesangsunterricht zu nehmen.
Ihre große Leidenschaft galt seit jeher dem HipHop und türkischer Popmusik. So lag es nahe, sich selbst daran zu versuchen, obgleich großer Respekt vor den Größen der Branche sie anfangs etwas zögern ließ. Zu denen zählen Cora E., die multikulturelle Band Sons of Gastarbeita (die türkisch-deutsch-phillipinisch-libanesisch-israelitische Herkunft der Band spiegelt sich auch in ihrer Musik wider, einem Gemisch aus Acid-Jazz, Rock, Funk, Folk und HipHop mit Rap-Gesang), der türkische Rapstar Erci E. (Ex-Mitglied von Cartel), die Oriental-HipHopper Cartel (1995 schoß diese Berliner HipHop-Crew mit türkischen Texten und orientalischen Samples in die deutschen Charts; die Musikszene der jungen Türken in Deutschland war bis dahin weitgehend ignoriert worden), die Pioniere des Oriental HipHop Islamic Force aus Kreuzberg, die ihre erste Platte bereits 1991 veröffentlichten, also weit bevor sich Oriental HipHop einen Namen machte, oder Sezen Aksu, die in der Türkei als Inbegriff einer selbstbewußten und kreativen Sängerin gilt.
Auch wenn Aziza-A mit traditionell türkischer Musik nur bei ihren regelmäßigen Türkeiaufenthalten oder auf türkischen Hochzeiten in Berührung gekommen ist, greift sie diese selbstbewußt in ihren Songs auf. »Mein ganzes Leben ist hier abgelaufen, aber man kommt gerade in Berlin mit türkischer und orientalischer Musik in Berührung«, sagt sie. Gleich zu Beginn unseres Gesprächs betont sie, daß sie sich als Berlinerin türkischer Herkunft begreift und Berlin nur eher zufällig noch in Deutschland liegt. »Für mich zählt nicht Deutschland, sondern Berlin. Hier spielt sich mein Leben ab. Ich könnte mir nicht vorstellen, in einer anderen Stadt als Berlin zu leben. Diese Stadt hat mich sehr geprägt, auch wenn ich nicht genau sagen kann, wieso.«
1997 entstand vor allem bei ihrem Produzenten, dem DJ Soft G., die Idee, orientalische Musik und HipHop zu mischen, was aber, wie gesagt, so neu nicht war. Mit diesem Mix aus HipHop, arabeskem Pop, Soul, Ethno-Beats, jeder Menge Samples und deutsch-türkischen, wenn auch mitunter etwas holprigen, Texten wurde sie nach ihrer Debut-CD »Es ist Zeit« als erste türkischsprachige Rapperin mit Plattenvertrag gefeiert. Daß sie z.T. traditionelle türkische Instrumente wie Saz, Zurna und Darburka verwendet, bescherte ihr zudem in der Worldmusik-Ecke die eine oder andere Aufmerksamkeit. »Der Rhythmus des Darbuk, das ist ein Schlaginstrument, paßt gut zum HipHop, wo die Beats ja auch im Vordergrund stehen«, erklärt die Musikerin. Die Tatsache, daß es in der Rap- und HipHop-Szene national und international nur wenige Frauen gibt, rückte Aziza-A schnell ins Licht der Medien. Diese Aufmerksamkeit bescherte ihr zudem einen Moderatorinnen-Job beim ZDF-Jugendmagazin »Dr. Mag«, womit sie ebenfalls die erste türkische Moderatorin im deutschen Fernsehen war.
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