HEIMSPIEL
Deutschland hat einen reichen Festivalsommer, meist sind es die ganz großen, die von so vielen Musikliebhabern frequentiert werden, dass sie von Jahr zu Jahr größer werden. Doch es gibt auch ganz kleine, spezielle Festivals. Zu diesen zählen sicherlich die Liedertage in Boltenhagen, 1998 von dem blinden Radiodokumentar und heutigen Archivar des NDR Jürgen Trinkus ins Leben gerufen. Schon damals traf man sich im Begegnungszentrum des Blinden- und Sehbehindertenvereins Mecklenburg-Vorpommern im Aura-Hotel Ostseeperlen. Die meisten, die sich auch in diesem Herbst wieder hier treffen, sind blinde und sehbehinderte Menschen. Die Intention der Festivalleitung ist jedoch, diesen Umstand nicht zum Schwerpunkt zu erklären, sondern für Offenheit und musikalische Inhalte zu werben. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Inklusion statt Ausgrenzung. Text: Stefan Sell
Schon in den ersten Jahren war der kulturelle Ost-West-Dialog wichtig, nicht die Behinderung. Seit 2001 führt der gemeinnützige Verein Liederleute e. V. jedes Jahr die Liedertage durch. Der Veranstaltungsort wurde beibehalten, weil für blinde und sehbehinderte Teilnehmer ein barrierefreier Zugang zum Festival benötigt wird. Sie können alleine anreisen und sicher sein, dass sie gut klarkommen. Momentan wissen wir keinen besseren Austragungsort, sagt die Vorsitzende Karen Sophie Thorstensen. Und dann ist da natürlich noch der Strand, der im November besonders schön ist.
Jedes Jahr ein Hauptthema In der Praxis heißt das: Die Liedertage haben jedes Jahr ein Hauptthema. Es werden musikalische Präsentationen, Workshops und Konzerte angeboten. Häufiger Gast im Frühjahr eines Jahres ist die Sängerin, Schauspielerin und Gesangspädagogin Pascal von Wroblewsky mit ihren Gesangsworkshops. Außerdem sind unsere Radiosendungen nicht mehr wegzudenken.
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Es begann 2006 mit dem Brief eines alten BR-Klassik-Hörers, der bedauerte, dass im Radio so selten alte deutsche Volkslieder gesendet werden, erzählt der freie Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks Xaver Frühbeis. Der studierte Volkskundler und Musikwissenschaftler aus München nahm die Anregung auf und stellte überrascht fest, dass in vielen Volksliedern interessante Geschichten stecken, die den Hörern unbekannt sind. Seinen Vorschlag, diese in einer Sendereihe vorzustellen, nahm seine Redaktion an. Die erste Staffel startete am 25. Dezember 2006 mit dem Weihnachtslied O Tannenbaum, dessen Melodie über ein Arbeiterkampflied deutscher Auswanderer zur Hymne gleich mehrerer amerikanischer Bundesstaaten geworden ist. Text: Kay Reinhardt Die Sendung Mittagsmusik auf BR-Klassik ist ein Sammelbecken für alles, was gerne gehört, aber selten im Radio gespielt wird, wie gehobene Unterhaltungsmusik, Jazz, alte Schlager, Weltmusik oder Klezmer. Die genreübergreifende Volksliedbetrachtung nimmt in der Stundensendung durchschnittlich fünfzehn Minuten ein.
Zwischen den Moderationen erklingen Liedbearbeitungen von Hermann Prey bis Achim Reichel, von Hannes Wader bis zum Musikkorps der Bundeswehr. Bei seiner Liedauswahl geht Frühbeis nach dem Prinzip Im Zweifel für den Angeklagten vor. Was ein Volkslied ist, sieht die gesamte Redaktion eher locker. Entscheidend ist der Bekanntheitsgrad. So finden sich im Mittagsmusik-Archiv neben Klassikern wie Feinsliebchen, du sollst mir nicht barfuß gehn auch die Ohrwürmer Jingle Bells, Lili Marleen, La Paloma, Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad oder Happy Birthday To You. Sein Verhältnis zur Musik beschreibt der Journalist so: Mir ist es wichtig zu betonen, dass man sich durch die Welt der Musik nicht auf einer einspurigen, breiten Asphaltstraße bewegt. Ich sehe sie als ein herrlich vielgestaltiges Wirrwarr aus schmalen Wegen, neu planierten Trassen, alten überwachsenen Trampelpfaden und Hängebrücken, ein Labyrinth aus interessanten und ungeahnten Wegen, Plätzen, Menschen und Kulturen. Was ist die Geschichte?
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Seit siebenundzwanzig Jahren steht der vielseitige Musiker, Geschichtenerzähler und Entertainer Chris Kramer vor Erwachsenen auf der Bühne. Bestärkt durch die erfolgreiche Premiere seines Musicals für Kinder Die kleine Mundharmonika über die er sagt: Das war das Schönste, das ich in meinem Leben gemacht habe , ist er startklar, damit von Schule zu Schule und über die Dörfer zu ziehen. Statt auf Peter Maffay, Rolling Stone Chuck Leavell, Cream-Bassist Jack Bruce oder Swingin Götz Alsmann freut sich der sympathische Ruhrpottler nun auf Kinderchor und Kindertanzgruppe als Kollegen auf der Bühne. 2016 will er mit dem Musical durch drei bis vier Städte und ab 2017 durch acht bis zehn Städte mit jeweils vier Aufführungen pro Stadt touren. Text: Kay Reinhardt
Die Inspiration zu dem Projekt kam, als ich im Rahmen eines Bluesfestivals in Marl sozusagen als Promotion durch Schulen gegangen bin, um auch Kinder für Blues zu interessieren. Ich hatte nicht im Traum daran gedacht, dass Zehnjährige so darauf abfahren würden. Von Kindern ein solches Feedback zu bekommen, ist für mich eine ganz neue Ebene und erfüllt mich sehr, sagt Chris Kramer, einer der besten Bluesharpspieler Deutschlands. Seine Schnupperstunde Blues führt ihn seit mittlerweile zwei Jahren durch Grund- und Hauptschulen. Sie ist Teil seiner musikpädagogischen Arbeit, die vor neunzehn Jahren mit Bluesharpworkshops begann.
Ich führe besonders gern Kinder an die Musik heran, weil sie so offen und unbestechlich sind, sagt er. An weiterführenden Schulen setzt der passionierte Musiker seine Kurse seit ebenfalls zwei Jahren fort.
Kramer sieht im Blues den Kern der Popmusik, aus dem sich viele andere Musikrichtungen entwickelt haben beziehungsweise mit dem diese verschmolzen sind. Im Musical begegnet die kleine Mundharmonika auf ihrer Reise durch die USA und zu sich selbst einigen davon: von Sklaven gesungenem Gospel, von einem Banjospieler vorgetragenem Country, Rock n Roll, Hardrock, Rap, Beatboxing, Hip-Hop und der Rockballade. Wer das Musical noch nicht kennt, sondern das liebevoll und kindgerecht gestaltete Album vor sich liegen hat, sollte zuerst das Hörbuch und danach die CD Die Lieder einlegen, um die Geschichte zu verstehen. Im Hörbuch beweist Kramer zudem seine Qualitäten als vielstimmiger Sprecher. ... mehr im Heft
Weihnachtsmärkte polarisieren. Die einen genießen das bunte Treiben, die Weihnachtslieder, den Duft von Zimt und Glühwein; die anderen hassen das Gedrängel, die furchtbare Musik und den Gestank der Gewürze und alkoholischen Getränke. In Berlin gab es fast zwei Jahrzehnte lang an den Wochenenden vom vorletzten Wochenende im November bis zum dritten Advent die Kompromissvariante: den Markt der Kontinente im Ethnologischen Museum, mit Kunsthandwerk und Weltmusik. Leider wird er in diesem Jahr zum letzten Mal stattfinden. Text: Wolfgang König
Entstanden war die Idee 1997. Im wiedervereinten Berlin konzentrierten sich die Besucherströme auf die Museen im Stadtzentrum wie die Museumsinsel oder das Deutsche Historische Museum. Etwas abgehängt wurden dadurch die Einrichtungen in Dahlem: das Ethnologische Museum, das Museum für Asiatische Kunst und das Museum Europäischer Kulturen. Um neue Besucher nach Dahlem zu locken, wurde der Markt der Kontinente aus der Taufe gehoben.
Musik für alle Altersgruppen Livemusik gehörte von Anfang an zum Markt der Kontinente. Und seit Jahren wird am ersten Tag der Kontinent der Kinder gefeiert. In speziellen Workshops können die Kleinsten zum Beispiel verschiedene Instrumente ausprobieren und damit eventuell sogar auf der Bühne stehen. Dieses Mal wird das erste Wochenende musikalisch von der international besetzten Berliner Gruppe The Beez bestritten, legendär für ihr Programm Look What Theyve Done To My Song. Bei dem wird ein vom Publikum gewünschtes Lied in verschiedenen Varianten konsequent gegen den Strich gebürstet: als Bossa Nova, russische Volksweise oder Blues. ... mehr im Heft |
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