HALBMASTBIRGER GESTHUISEN
6.9.1952 in Duisburg-Rheinhausen Abschied von einem Welt-Birger Im zurückliegenden Jahr, als er seine tückische Krankheit schon bestens kannte, nahm er unglaublich und bewundernswert Fahrt auf: schrieb, produzierte Sendungen, kümmerte sich um den Verbleib seiner Sammlungen, besuchte noch einmal Istanbul, die Stadt, in der er einige Jahre gelebt und die ihn schon früh bezaubert hatte. Die alte Vielvölkermetropole, aber auch Anatolien und die Schwarzmeerregion mit ihren vielerlei Wirklichkeiten und Musiken von Kurden, Armeniern, Lasen und auch kleinen, fast verschwundenen Ethnien zu diesen Themen hatte er seit den 1980er-Jahren für die WDR-Reihe Vom Bosporus bis Gibraltar Klangschätze, interessante Musikerinnen und Musiker sowie authentische Zeitzeugen als Gesprächspartner aufgespürt. Noch älter war sein Engagement in Sachen demokratisches Volkslied (LP Bauer Maas — Lieder gegen Atomenergie, 1978) und Gastarbeiter (Dokumentation Kleiner Mann, was tun?!, 1979). Die Frage im Festivalmotto der Duisburger Akzente von 1979, deren Programm er mitgestaltet hatte, begleitete ihn sein ganzes Berufsleben. 2010 zog er zu diesem Strang seiner Arbeit in einem auf weit über hundert Interviews basierenden Buch Musikwelten NRW — Kulturen der Einwanderer, einer Veröffentlichung im Auftrag des NRW-Landesmusikrats, eindrucksvoll Bilanz. Dann waren da noch Feuer und Eis, sein Label, und sein Musikproduzentenherz es schlug für vieles, zum Beispiel die damals noch kaum wieder bekannten spaniolisch-jüdischen Cantigas der Sefarden in der Türkei. Aber ganz nahe lag ihm Madagaskar, seine zweite große musikalische Liebe mit Folgen: wunderbaren (auch preisgekrönten und Grammy-nominierten) CDs sowie bahnbrechenden Konzert- und Rundfunkprojekten (wie zum Beispiel im Theater an der Ruhr mit dem Hira Gasy, dem traditionellen Musiktanztheater der madagassischen Hochland-Reisbauern). Der Norden Europas seine dritte Liebe: Norwegen und Finnland. Für eine Joiksendung in den Musikpassagen auf WDR 5 erhielt er 1997 den World Music Award der Deutschen Welle. Das Preisgeld investierte er vierte Liebe in eine Aufnahmeexpedition, Ziel: Pazifik. Auch für den Folker war er über Jahre als Autor tätig. Und mit seiner Titelgeschichte über çigdem Aslan (Heft 3/2014) sang er noch einmal ein Hohelied auf die Diaspora als hochmusikalisches Kraftfeld. Birger Gesthuisen starb am 15. Februar 2015, und wir vermissen seine Stimme schmerzlich. Werner Fuhr JIM McCANN
26.10.1944, Dublin, Irland Jim McCann ist in Deutschland vor allem bekannt aus seiner Zeit bei den Dubliners, doch seine Karriere vorher und nachher weist ebenfalls beeindruckende Höhepunkte auf. Als junger Medizinstudent kam er mit der irischen Folkszene in Kontakt, gründete mit Freunden das Trio The Ludlows, das nur zwei Jahre bestand, in dieser Zeit in Irland aber einen Verkaufshit mit Dominic Behans Song The Sea Around Us landete (den die Dubliners dann in ihr Repertoire aufnahmen). Danach spielte er Theater und war Gastgeber einer Folksendung im irischen Fernsehen. 1973 verkörperte er in der irischen Uraufführung von Jesus Christ, Superstar den Petrus, während sein alter Freund Luke Kelly den Herodes gab. Kelly bat ihn im folgenden Jahr, für den erkrankten Ciarán Bourke vorübergehend bei den Dubliners einzuspringen. Daraus wurden fünf Jahre, denn Bourke erholte sich nicht von den Folgen seines Schlaganfalls und Ronnie Drew strebte eine Solokarriere an. Nach 1979 trat Jim McCann weiterhin bisweilen mit den Dubliners auf und veröffentlichte eine Reihe von überaus erfolgreichen Alben. 2002 wurde bei ihm Kehlkopfkrebs diagnostiziert, die Behandlung war zunächst erfolgreich, zerstörte allerdings seine Stimme. Bei Konzerten der Dubliners wirkte er weiterhin hin und wieder als Gitarrist mit. Seine Krankheit brach jedoch erneut aus und Jim McCann starb am 5.3.2015 in Dublin. Sein ehemaliger Bandkollege John Sheahan bezeichnet ihn in einem Nachruf als Naturbegabung als Erzähler, von überschäumendem Temperament und immer für einen Witz zu haben. Gabriele Haefs JOHN RENBOURN
8.8.1944 in Marylebone/London, England In den sagenumwobenen Sechzigerjahren, den Zeiten eines regelrechten Folk- und Bluesbooms in Großbritannien, machte ein Mann von sich reden, dessen akustische Gitarre zu einer der einflussreichsten Stimmen der Fingerstyleszene werden sollte: John Renbourn. Er bildete mit Davey Graham und Bert Jansch das gitarristische Dreigestirn, von dem wesentliche Impulse für die Entwicklung der Spieltechniken des Instrumentes ausgingen. Mit Jansch nahm er 1965 das Album Bert And John auf. Der Londoner Stadtteil Soho war kreatives Zentrum jener Tage. An den Veranstaltungsorten des Viertels traf sich alles, was künstlerisch Rang und Namen hatte. 1968 formierte sich mit John Renbourn, Bert Jansch, Jacqui McShee, Terry Cox und Danny Thompson die legendäre Folkrockband Pentangle, die bis zu ihrer Auflösung 1973 mehrere sehr erfolgreiche Alben aufnahm. Renbourn blieb unermüdlich Reisender in Sachen akustische Gitarre. Er gab zahllose Konzerte rund um den Erdball, solo und in den verschiedensten Besetzungen, unter anderem mit Stefan Grossman und Robin Williamson. Er unterrichtete Schüler, die seinen hochindividuellen, aus den verschiedensten musikalischen Quellen gespeisten Spielstil erlernen wollten. Er forschte, schrieb Bücher, nahm Lehr-DVDs auf. Die CD Live In America der John Renbourn Group wurde 1981 für den Grammy nominiert. 2011 erschien nach dreizehnjähriger Pause sein letztes Album Palermo Snow mit dem Klarinettisten Dick Lee. Sein Leben endete in voller künstlerischer Fahrt. Zu einem Konzert mit dem Kollegen Wizz Jones in Glasgow erschien Renbourn nicht mehr. Er erlag einem Herzversagen in seinem schottischen Wohnsitz in Hawick. Rolf Beydemüller |
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