FOLKER – Halbmast

HALBMAST

MAGGIE BOYLE

MAGGIE BOYLE * FOTO: NIGEL HILLIER

24.12.1956 in London, England
bis 6.11.2014 in Keighley, Yorkshire, England

Eines der letzten Projekte der in London geborenen und Anfang November verstorbenen irischen Sängerin und Flötistin Maggie Boyle nannte sich Maggie’s Kitchen Songs. In dieser Filmserie war zu sehen, wie sie an den Küchentischen einiger der renommiertesten Liedermacher des Vereinigten Königreiches saß und Lieder und Geschichten austauschte. Damit schloss sich der Kreis ihres musikalischen Lebens, das in der Küche ihrer Eltern begonnen hatte, wo sie die Melodien und Lieder lernte, die ihr von ihrem Vater und ihren Brüdern vorgespielt wurden, ehe sie selbst zu einer der besten Sängerinnen keltischer Musik wurde. Im Laufe ihrer Karriere arbeitete sie mit Kollegen wie Bert Jansch, den Chieftains, Ballet Rambert, John Renbourn, Paul Downes und dem Trio Grace Notes. Mit ihrem Ehemann, dem Gitarristen und Songschreiber Steve Tilston, verband sie auch eine langjährige musikalische Partnerschaft. Weiterhin bekannt wurde sie für ihre Mitwirkung an Soundtracks für Filme wie Die Stunde der Patriotenund Legenden der Leidenschaft. Allem, woran sie beteiligt war, auch aufregend neuen musikalischen Stilmixen, verschaffte sie mit ihrem klaren Gesangsstil ein essenzielles und zeitloses Fundament in der Folktradition. Ihr Vermächtnis schließt drei Soloalben mit ein sowie ihre Kinder Molly und Joe, die eigene musikalische Laufbahnen eingeschlagen haben. Die Kitchen-Songs-Filme wie auch viele andere ihrer Auftritte sind auf Youtube zugänglich. Maggie Boyle hat uns viel Musik hinterlassen, aber den warmherzigen, lustigen und bescheidenen Menschen, den wir verloren haben, werden wir sehr vermissen.

Jez Lowe

MANITAS DE PLATA

MANITAS DE PLATA

7.8.1921 in Sète, Frankreich
5.11.2014 in Montpellier, Frankreich

Eine der schillerndsten Persönlichkeiten des Flamenco hat am 6. November 2014 die Bühne für immer verlassen: Ricardo Baliardo, besser bekannt als Manitas de Plata – „Silberhändchen“ (der Goldtitel war bereits an Andrés Segovia vergeben). Der am 7. August 1921 im südfranzösischen Sète geborene Spross einer Romafamilie wurde weltweit zu einem der exponiertesten Vertreter des Flamenco. Er gehörte keiner bestimmten Schule an, sondern pflegte einen Individualstil, der ihm gleichermaßen glühende Verehrer wie Kritiker bescherte. Der langmähnige „Wilde von der Riviera“ faszinierte und inspirierte Künstler und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Sein Entdecker, der Fotograf Lucien Clergue drängte den nicht mehr ganz jungen Mann, der mit Pablo Picasso, Jean Cocteau und Salvador Dalí befreundet war, zu den ersten Plattenaufnahmen. Nachdem de Plata seine Flugangst überwunden hatte, folgten weltweit gefeierte Konzerte. Mitte der Sechzigerjahre spielte er unter anderem in der New Yorker Carnegie Hall (deren häufiger Gast er in den folgenden Jahren werden sollte). Besondere Erwähnung in allen Konzertkritiken findet die große Bühnenpräsenz des Künstlers, dem Lampenfieber völlig fremd zu sein schien. Er veröffentlichte rund achtzig Alben, von denen er laut Agence France Presse circa einhundert Millionen [!] Exemplare weltweit verkaufte – eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Und ein Mann, der sich zeitlebens keinen Deut um Konventionen scherte. Ein Mann, der die Frauen und schnelle Autos liebte. Der eine nicht exakt bezifferbare Zahl von Kindern zeugte, seinen Reichtum mit Stumpf und Stiel durchbrachte, um am Ende wieder mittellos dazustehen. Dreiundneunzig Jahre pralles Musikerleben, das vermutlich die meisten Rock ’n’ Roller neidisch gemacht hätte.

Rolf Beydemüller

Update vom
09.02.2023
Links
go! Home
go! Voriger Artikel
go! Nächster Artikel
FOLKER auf Papier
Dieser Artikel ist ein Beispiel aus der Print-Ausgabe!
Bestelle sie Dir! Einfach das
go! Schnupper-Abo! bestellen und drei Ausgaben preiswert testen. Ohne weitere Verpflichtung!
Oder gleich das
go! Abo ?