FOLKER – Halbmast

HALBMAST

JUAN FORMELL

JUAN FORMELL

2.8.1942 in Havanna, Kuba
bis 1.5.2014 in Havanna, Kuba

Längere Zeit nach seinem Tod kommt Fidel Castro auf die Erde zurück und schlägt seinen Namen bei Wikipedia nach. Dort steht: „Fidel Castro Ruz – kubanischer Politiker aus der Ära von Los Van Van.“ Deren Bedeutung könnte nichts besser illustrieren als dieser Witz. Kaum eine Band hat es über Jahrzehnte hinweg geschafft, Hits praktisch am Fließband zu produzieren. Bei LVV-Konzerten konnte man tanzende Großeltern neben begeisterten Teenagern sehen, die erst zwei Jahrzehnte nach Gründung der Band zur Welt gekommen waren. Verantwortlich für dieses generationsübergreifende Erfolgsrezept war in erster Linie der Bassist und Songschreiber Juan Formell. Er war 1942 in Havanna zur Welt gekommen, begann mit fünfzehn, Musik zu machen, und wurde im Revolutionsjahr 1959 Bassist der Banda de Música de la Policía Revolucionaria. Nach einem Zwischenspiel im Orquesta Revé des legendären Percussionisten Elio Revé gründete Formell 1969 Los Van Van (in etwa: „die, die abgehen“), die als eine der ersten Bands in Kuba elektrische Instrumente einsetzten. „Songo“ nannte Formell den Stil der Gruppe, der durch die Kombination von Geigen und Posaunen geprägt war. Songo-Titel waren immer tanzbar und reflektierten in den Texten die kubanische Lebenswirklichkeit. Trotzdem wurden LVV in Exilantenkreisen oft als „Castros Hauskapelle“ geschmäht, was bei einem Konzert 1999 in Miami zu Bombendrohungen führte, während zahlreiche Exilkubaner unbedingt die Band sehen wollten, mit der sie aufgewachsen waren. In den letzten Jahren hatte sich Juan Formell krankheitsbedingt kaum noch an Tourneen beteiligt und die Leitung von LVV seinem Sohn übertragen. 2013 bekam Juan Formell den Latin Grammy für sein Lebenswerk. Am 1. Mai ist er in Havanna gestorben; zwei Tage später gab es überall im Land ihm zu Ehren Konzerte.

Wolfgang König

JESSE WINCHESTER

JESSE WINCHESTER * FOTO: ROBBIESAURUS WIKIPEDIA

17.5.1944 in Bossier City, Louisiana, USA
11.4.2014 in Charlottesville, Virginia, USA

Der US-amerikanische Musiker, Songwriter und Produzent Jesse Ridout Winchester wuchs im nördlichen Mississippi und in Memphis, Tennessee, auf, lernte Klavier und interessierte sich für Countrymusik und Rhythm and Blues. Als Kriegsdienstverweigerer zog er nach Kanada, um dem Vietnamkrieg zu entgehen. Robbie Robertson, Gitarrist und Sänger von The Band, wurde auf ihn aufmerksam und stellte den Kontakt zu dem Produzenten Albert Grossman her, der das erste seiner (letztlich vierzehn) Alben produzierte. Winchesters Lieder wurden unter anderem von Joan Baez, den Everly Brothers, Tim Hardin, Emmylou Harris und vielen anderen aufgenommen. Erst 1977, nach einer Amnestie für Kriegsdienstflüchtige, konnte Winchester als Musiker in seiner Heimat auftreten. Im April erlag Jesse Winchester einem Krebsleiden.

Ulrich Joosten

ERNST „LARRY“ EVERS

ERNST „LARRY“ EVERS

18.4.1951 in Schwabstedt
bis 25.5.2014 in Husum

Als Ernst „Larry“ Evers 1979 gemeinsam mit Shanger Ohl in Nordfriesland die Gruppe Godewind aus der Taufe hob und die Idee hatte, eigene Lieder auf Plattdeutsch zu singen, reagierte die Musikindustrie zunächst überwiegend ratlos. „Die wussten nicht, wo sie uns einordnen sollten“, erinnerte sich Evers später in einem Interview. Obwohl das Repertoire für Volksmusik eigentlich einen Tick zu folkig und rockig klang, gewann die Band 1990 den NDR-Wettbewerb „Lieder so schön wie der Norden“. Im Rahmen zahlreicher Konzert- und Festivaltourneen im In- und Ausland war man 1997 unter anderem als Support für die CountrySängerin Trisha Yearwood unterwegs. Zudem absolvierte Godewind regelmäßig um die Weihnachtszeit Kirchenkonzerte, auf denen es auch, aber eben nicht nur besinnlich zuging. Idee und Konzept stammen aus den frühen Achtzigerjahren. „Zum Glück gab es damals ein paar liberale Pastoren“, so Evers. „Trotzdem mussten wir denen anfangs unser Programm erst einmal vorspielen, bevor wir bei ihnen auftreten durften.“ Ähnlich bevormundet fühlte sich der Godewind-Frontmann von den Plattenfirmen, weswegen er irgendwann sein eigenes Label gründete. Nach dem tragischen Unfalltod der langjährigen Sängerin Andrea Krehky 2004 dachte die Band kurz ans Aufhören, machte dann aber doch weiter. Noch Ende März diesen Jahres stand Larry Evers auf der Bühne und erlitt kurz danach einen Herzinfarkt, von dessen Folgen er sich nicht mehr erholte. In der Nacht zum 25. Mai 2014, nur gut einen Monat nach seinem 63. Geburtstag, verstarb der kreative Kopf und Motor Godewinds.

Werner Jürgens

Update vom
09.02.2023
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