FOLKER – Plattenprojekte

PLATTENPROJEKTE

Es gibt DVDs, CDs und spezielle Serien, die sich den herkömmlichen Kriterien einer Rezension entziehen. Gerade in einer Zeit, in der Tonträger preiswert produziert werden können, die Menge an Veröffentlichungen inflationär ist und gleichzeitig die Bedeutung des Konzepts CD angesichts neuer verfügbarer Medien mehr und mehr in Frage gestellt zu sein scheint, sind anspruchsvolle Serien besonders wichtig. Engagierte Vorhaben, ganz gleich ob tatsächliche oder angebliche, müssen sich mit strengeren Maßstäben messen lassen als zum Beispiel eine ordinäre Kompilation.


In diesem Heft schreibt CHRISTOPH WAGNER über


London Is The Place For Me
Eine Plattenserie dokumentiert die Anfänge der Multikultisounds an der Themse

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DIVERSE:
London Is The Place For Me –The Music Of Young Black London (CD/LP/Download; Honest Jon’s Records, 2013)
Vol. 1: Trinidadian Calypso in London, 1950-1956
Vol. 2: Calypso & Kwela, Highlife And Jazz From Young Black London
Vol. 3: Ambrose Adekoya Campbell
Vol. 4: African Dreams And The Piccadilly Highlife
Vol. 5: Latin Jazz, Calypso & Highlife From Young Black London
Vol. 6: Mento, Calypso, Jazz & Highlife From Young Black London

Der Notting Hill Carnival ist eine Attraktion. Jeden Sommer zieht das Straßenfestival mehr als eine Million Besucher an. Ein Zug aus farbenprächtigen Tänzern und Tänzerinnen wälzt sich zu den wummernden Bässen der zahllosen Soundsysteme durch die Straßen von Westlondon. Das Ereignis hält die Erinnerung an die Einwanderer aus der Karibik wach, die London in den Fünfzigerjahren zur ihrer neuen Heimat machten. Rhythmen aus der Karibik und Afrika erklangen damals in den Nachtclubs und legten den Grundstein dafür, dass die englische Hauptstadt heute als Mekka der Weltmusik gilt.

London Is The Place For Me 1 &mdas; Trinidadian Calypso in London, 1950-1956 London Is The Place For Me 2 &mdas; Calypso & Kwela, Highlife And Jazz From Young Black London
London Is The Place For Me 3 &mdas; Ambrose Adekoya Campbell London Is The Place For Me 4 &mdas; African Dreams And The Piccadilly Highlife
London Is The Place For Me 6 &mdas; Latin Jazz, Calypso & Highlife From Young Black London London Is The Place For Me 6 &mdas; Mento, Calypso, Jazz & Highlife From Young Black London
In London regiert die Vielfalt. Mit nahezu zehn Millionen Einwohnern ist die englische Hauptstadt eine der ethnisch buntesten Metropolen der Welt. Mehr als dreihundert verschiedene Sprachen werden an der Themse gesprochen, und über fünfzig Volksgruppen mit mehr als zehntausend Angehörigen leben hier. Die weiße britische Bevölkerung macht heute weniger als die Hälfte der Einwohner aus. In der Musik der Metropole spiegelt sich diese Vielfalt wider.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es vor allem Menschen aus den Kolonien, die in die Hauptstadt des damals noch weltumspannenden britischen Königreiches kamen – auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben. Ihr Beitrag zum Wiederaufbau nach dem Krieg war beträchtlich. Und immer hatten die Einwanderer ihre Musik im Gepäck. Im Juni 1948 gingen die ersten 493 „Untertanen ihrer königlichen Majestät“ aus Jamaika in London von Bord der Empire Windrush. Werbeanzeigen in jamaikanischen Zeitungen hatten diejenigen mit einer billigen Überfahrt gelockt, die in England länger bleiben und arbeiten wollten. Reisebeschränkungen gab es damals im „Empire“ noch nicht.

Viele der Neuankömmlinge fanden zuerst im Südlondoner Stadtteil Brixton Quartier, in heruntergekommenen Wohnungen oder schäbigen Zimmern ohne Warmwasser und mit klapprigem Mobiliar. Dazu kamen Vermieter, die den Neuankömmlingen das Leben schwer machten: „Meine Vermieterin ist schrecklich. / Sie mischt sich in mein Leben ein. / So behandelt zu werden, ist schwer zu ertragen. / Kein Stuhl, kein Tisch – von Gemütlichkeit keine Spur. / Die Bettwäsche ist dreckig. / Kein heißes Wasser, um ein Bad zu nehmen. / Und dann besitzt sie auch noch die Frechheit zu behaupten, dass ich im Luxus lebe. / Doch wenn man sich beschwert, fliegt man raus!“ Mit diesen Textzeilen brachte im Song „My Landlady“ der Calypsosänger Lord Kitchener die Misslichkeiten auf den Punkt.

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Update vom
09.02.2023
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Dieser Text ist nur ein Auszug des Original-Artikels der Print-Ausgabe!

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