FOLKER – Halbmast

HALBMAST

RAVI SHANKAR

RAVI SHANKAR * Foto: Donald Cooper

07.04.1920, Varanasi
bis 11.12.2012, San Diego

London Anno 1992: Filmfreund Ravi Shankar sitzt mit seiner Tochter Anoushka im Kino. Sie ist elf; er ist gelangweilt. Es läuft Wayne’s World. Für ihn eine Quälerei. Er sitzt im Dunkeln. Plötzlich Waynes Stimme: „Will you still love me when I’m in my hanging-out-with-Ravi-Shankar phase?“ Erst dann fängt der bengalische Sitarist und Komponist an zu lachen. Geboren wurde er in Varanasi im heutigen Uttar Pradesh. Nun ist Ravi Shankar im Alter von 92 Jahren in San Diego, Kalifornien, gestorben. Mit zehn Jahren kam er nach Paris, wo sein Bruder Uday die Compaigne de Danse et Musique Hindou gegründet hatte, deren Mitglied er mit 13 Jahren wurde. Hier lernte er tanzen und die Saiten zupfen und erlangte Fremdsprachenkenntnisse wie wenig andere indische Musiker. Auf der Bühne konnte er unkompliziert erklären, was Raga und Tala-Zyklen bedeuten. 1938 gab er das Tanzen auf, und nach langem Studium der Sitar unter dem illustren Guru Baba Allaudin Khan trat er ab 1944 meistens nur noch als Sitar spieler auf. Er hat auch Surbahar gespielt (und mit seiner Frau Annapurna Devi auf LP aufgenommen) und gesungen. Sein ganzes Leben war eine Reise, und man kann kaum abschätzen, wie viele Zuhörer er auf dieser Reise mitgenommen hat. Ohne ihn wäre die Sitar kaum mehr als eine exotische Gitarre und ein Teil der indischen Musikethnografie gewesen. Shankars Sitar hat te eine sehr süße Stimme, aber auch eine sehr rhythmische Struktur. Wenn ich an ihn denke, sind Begriffe wie „Pate der Weltmusik“ (George Harrison) oder Hippieikone völlig bedeutungslos. Im Pantheon indischer klassischer Musiker wird er für alle Zeiten eine Zeusfigursein. Glücklicherweise hat meine Ravi-Shankar-Phase fast lebenslang angedauert.

Ken Hunt

MARTIN FAY

MARTIN FAY * Foto: Mick Hutson

19.09.1938, Dublin
bis 14.11.2012, Dublin

Fast wäre Martin Fay an die klassische Violine verloren gegangen. Nachdem er einen Film über Niccolò Paganini gesehen hatte, in dem Yehudi Menuhin die Musik des Meisters interpretierte, verschrieb sich Fay der Geige, erhielt ein Stipendium und besuchte die Dublin Municipal School of Music. Doch in den späten Fünfzigerjahren, als er immer wieder mal am Abbey Teatre im dortigen Orchester spielte, traf er Seán Ó Riáda – eine Begegnung die seinem Leben eine entscheidende Wende gab. Ó Riáda lud ihn ein, in seiner Gruppe Ceoltóirí Cualann mitzuspielen, wo er Paddy Moloney wieder traf, mit dem ihn bereits eine Freundschaftverband. Ergebnis: Er wurde 1962 eines der Gründungsmitglieder der Chiefains. Die nächsten vierzig Jahre nahm er zig Alben mit der Band auf und reiste mit ihr um die Welt.
2001 zog er sich aus dem Tourneegeschäft zurück, spielte aber noch gelegentlich mit den Chiefains, wenn sie in Irland aufraten, bevor er im Jahr darauf die Fiddle an den Nagel hängte. Am 14. November starb der Mann aus Cabra in Dublin, der mit Ceoltóirí Cualann und mit den Chiefains ein Stück irische Musikgeschichte geschrieben hat, im Alter von 76 Jahren nach langer Krankheit in Dublin. „Er hatte eine ernste Miene, und doch krümmten wir uns immer wieder vor Lachen, wenn er einen Witz machte,“ sagte Paddy Moloney: „Als Musiker war er fantastisch. In der Filmmusik zu Stanley Kubricks Barry Lyndon, zum Beispiel, hört man als erstes Martins Fiddle. Das ist die Art magischer Musik, die er uns hinterlässt.“

Eberhard „Paddy“ Bort

MICHAEL MARRA

17.02.1952, Dundee
bis 23.10.2012, Dundee

Zugegeben, er war außerhalb seiner schottischen Heimat nie sehr bekannt, aber zu Hause genoss er unter seinen Musikerkollegen fast schon Heldenstatus. Michael Marras erste Band Hen’s Teeth hatte 1971 einen Teenager namens Dougie MacLean im Line-Up. Danach blieb Marra meistens solo und sang seine Songs mit tief rauchiger Stimme zum Klavier. Es waren diese Songs, die ihn auszeichneten, Lieder über Menschen wie du und ich, Lieder über Menschen am Rande der Gesellschaft,Lieder, die von unzähligen Künstlern gecovert wurden, so zum Beispiel seine alternative schottische Nationalhymne „Hermless“ von den McCalmans. Alles Lieder geschrieben mit Witz und einer warmherzigen Liebe zu den Menschen speziell seiner Heimatstadt Dundee. Man hätte ihn vom Stil her fast einem schottischen Dr. John nennen können, aber sein ausgeprägter Dialekt machte unmissverständlich klar, dass er durch und durch ein Sohn der schottischen Ostküste war. Der Krebs setzte seinem Leben und seiner Kreativität ein Ende.

Mike Kamp

ABDOURAHMANE GILBERT DIOP

20.08.1948, Senegal
bis 15.08.2012, Berlin

Wie wir erst kürzlich erfahren haben, ist der senegalesische Sänger, Perkussionist, Komponist, Autor, Bandleader und Schauspieler Abdourahmane Gilbert Diop bereits am 15. August 2012 im Alter von 63 Jahren in Berlin gestorben. Seine seit über zwanzig Jahren bestehende und regelmäßig auftretende Band Griot Music Company war der perfekte Mikrokosmos, um seine Lebensphilosophie abzubilden: Musiker aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen wachsen im engen Austausch mit- und aneinander und bringen das Publikum mit ihrer wilden Mischung aus Mbalax, Funk, Jazz, Salsa, Highlife und Soul ordentlich in Bewegung. Für neu in Berlin ankommende Musiker war der Sohn einer bedeutenden Griot-Familie häufig Anlaufpunkt und half gerne mit Kontak ten weiter oder engagierte sie gleich vom Fleck weg für seine Band. Aber Gilbert, dessen Bühnenpräsenz legendär war, war nicht nur eine große Integrationsfigur der Berliner Weltmusikszene, er arbeitete als Musiker und Komponist auch an der Komischen Oper, spielte eine der Hauptrollen in dem Film Die Farbe der See le, für den er mit seiner Band die Musik schrieb, und hatte Engagements am Teater des Westens und an der Schaubühne. Knapp zwei Wochen nach seinem Tod verabschiedeten sich Freunde und Kollegen mit einem großen Gedenkkonzert in der Werkstatt der Kulturen von dem „Doy en der afrikanischen Musikszene Berlins“, über den der Berliner Tagesspiegel einst schrieb: „Der größte Trumpf, den Berlin an Perkussionskunst und Perkussionskultur zu vergeben hat, heißt Abdourahmane Diop. Würde dieser Perkussionist in New York leben, er würde von den Großen des Jazz wie auf dem Silber-Tablett herum gereicht.“

Sabine Froese

Update vom
09.02.2023
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