FOLKER – Halbmast

HALBMAST

LUCIO DALLA

LUCIO DALLA 2008 * Foto: Lucarelli (Wikipedia)

4. März 1943, Bologna
bis 1. März 2012, Montreux

Bei Lucio Dalla lag man richtig, wenn man italienische Musik mochte, einem Italo-Pop aber zu seicht war. Er hatte kritische Texte und bekannte sich, Italiens Kommunisten zu wählen, oder sang mit Konstantin Wecker zusammen das Duett „Stirb Ma Ned Weg“. Nun ist dies genau geschehen, denn kurz vor seinem 69. Geburtstag ist der italienische Cantautore am 1. März 2012 in Montreux während einer Tournee an einem Herzinfarkt gestorben. In Deutschland waren etliche Konzerte mit ihm im März geplant.

Dalla war ein vielseitiger Musiker. Bereits in den Fünfzigerjahren startete er eine Karriere als Jazzklarinettist. Gesanglich trat er erst 1964 auf die Bühne und zwar als Soulsänger. Aber selbst im Opern-Bereich war er tätig und inszenierte 2003 die Puccini-Oper Tosca, wobei ihm Modezar Armani die Kostüme lieferte. Zuletzt arbeitete er auch an einem Musical. An seinem vielleicht schönsten Lied „Caruso“ (1986) sahnten dann Tenöre wie Luciano Pavarotti und Andrea Bocelli mehr Geld ab als er selbst, doch sein „Attenti Al Lupo“ verkaufte sich 1990 in Italien 1,4 Millionen Mal und wurde auch in Deutschland ein Hit. Dallas letztes Album Questo È Amore mit Höhepunktenaus 40 Jahren wirkt nun wie ein Vermächtnis.

Hans-Jürgen Lenhart


LOUISIANA RED

LOUISIANA RED 2008 * Foto: Ingo Nordhofen

23. März 1932, Bessemer (USA)
bis 25. Februar 2012, Hannover

Am 7. November 1982 habe ich in Ingelheim mein erstes Solo-Konzert von Louisiana Red erlebt – welch ein Ereignis! Ich war hin und weg, wie einer da über sein Leben sang, voll von Brüchen und Widersprüchen. Unglaublich, mit welcher Intensität er seine Gitarre sprechen ließ und sein Publikum mitnahm, wohin er wollte.

Auf dieser Tournee entschloss sich Red, ganz in Europa zu bleiben. Champion Jack Dupree besorgte ihm in Hannover ein Appartement im selben Haus, in dem auch er wohnte. Davor lebte Red einige Monate bei mir in Bad Sobernheim.

Am 23. März 1932 als Iverson Minter in Bessemer/Alabama geboren, verlor er die Mutter eine Woche nach der Geburt an einer Lungenentzündung. Als er vier war, wurde der Vater vom Ku Klux Klan ermordet. Red wuchs in Waisenhäusern und bei den Großeltern auf. In jungen Jahren begegnete er Muddy Waters, dessen Slidegitarrenspiel Red prägte. Auf der akustischen wie auf der elektrischen Gitarre konnte Red Spannung aufbauen wie kein Zweiter. Im Lauf seines Musikerlebens traf er und spielte mit allen, die im Blues Rang und Namen hatten.

Als sein Tourneebegleiter in den Achtzigerjahren, habe ich um die 250 Konzerte von Red erlebt, ohne dass meine Begeisterung für ihn abgenommen hätte. Louisiana Red war ein großer Künstler. Er war ein liebenswerter, großzügiger Mensch, den ich nie vergessen werde.

Gerhard Engbarth


EARL SCRUGGS

EARL SCRUGGS

6. Januar 1924, Shelby (USA)
bis 28. März 2012, Nashville (USA)

Denkt man an das Five String Banjo, so kommen zunächst einige wenige Namen in den Sinn, Pete Seeger natürlich oder Béla Fleck. Aber ein Name ist ganz besonders zum Inbegriff des Banjopickers geworden: Earl Scruggs. Nach ihm wird das Dreifingerspiel auf dem Banjo „Scruggs Picking Style“ genannt – dabei hat er es selbst gar nicht erfunden. Allerdings war er es, der diese bereits in den Zwanzigerjahren von Musikern der Carolina Tar Heels und anderen verwendete Technik bekannt gemacht hat. Scruggs etablierte das Five String Banjo als gleichberechtigtes Soloinstrument.

In North Carolina wurde er in eine musikalische Familie geboren, in der jeder ein Instrument spielte. Scruggs führte die Tradition in seiner eigenen Familie später auch professionell mit der Earl Scruggs Revue fort, in der seine drei Söhne mitspielten. Sein musikalischer Weg führte ihn von den Morris Brothers (Ende der Vierzigerjahre) zu Bill Monroes berühmten Bluegrass Boys und trug wesentlich dazu bei, dass diese Gruppe stilbildend für das nach ihnen benannt Subgenre der Countrymusic wurde. Nachdem Scruggs die Bluegrass Boys verlassen hatte, gründete er mit dem Gitarristen und Sänger Lester Flatt – einem Bruder im Geiste, mit dem er von 1948 bis 1969 zusammen musizierte – die legendären Foggy Mountain Boys. Das Instrumental „Foggy Mountain Breakdown“ wurde 1967 in Warren Beattys Film Bonnie and Clyde weltberühmt. Gemeinsam mit Flatt schrieb Scruggs die Titelmelodie zu der in den Sechzigerjahren äußerst beliebten US-amerikanischen Fernsehserie The Beverly Hillbillies.

Nach dem Ende der Zusammenarbeit mit Flatt gründete Scruggs die Earl Scruggs Revue, um neue Wege zu gehen, wie er das zuvor bereits mit dem Saxofonisten King Curtis getan hatte und mit „anderen Leuten, die andere Arten von Musik spielen – und ich war aufgeregt über diese Möglichkeiten“ (Scruggs zitiert nach K. Siniveer, Folk Lexikon). 1991 wurde Scruggs als erster in die International Bluegrass Music Hall of Fame aufgenommen und 2002 in America’s Old Time Country Music Hall of Fame. Bei den Grammy Awards 2008 erhielt er den Lifetime Achievement Award für sein musikalisches Lebenswerk.

Ulrich Joosten


BARNEY McKENNA

BARNEY McKENNA 2010 * Foto: Ingo Nordhofen

16. Dezember 1939, Donnycarney (Irland)
bis 5. April 2012, Howth (Irland)

Wer ihn im Januar beim Jubiläumskonzert zum fünfzigjährigen Bestehen der Dubliners in Dublins Christ Church Cathedral erleben durfte, der hat natürlich bemerkt, dass „Banjo Barney“, wie er häufig genannt wurde, gesundheitlich angeschlagen war. Man musste ihm helfen und auch seine Stimme klang nicht mehr so fest wie einst. Er war Diabetiker und hatte überdies schon vor einigen Jahren einen Schlaganfall erlitten. Aufhören kam für den Vollblutmusiker und viel beachteten Banjospieler allerdings nicht in Frage. „It’s too late to stop“, hatte er gesagt, als er auf den Ruhestand angesprochen wurde. Vor kurzem war er noch zu Aufnahmen für den irischen Fußball-Europameisterschafts-Song im Studio und wenige Tage nach seinem Tod wollte er auf Dänemark-Tour mit seinen Dubliners. Mit Barney McKenna tritt nun das letzte Gründungsmitglied der Dubliners von der Bühne des Lebens ab – Luke Kelly, Ciarán Bourke und Ronnie Drew sind ihm bereits vorangegangen. Barney war aber nicht nur Musiker, er war auch ein begnadeter Geschichtenerzähler, ein Entertainer im besten Sinne und ein Mensch, dem die Szene hohen Respekt zollte. John Sheahan und Eamonn Campbell von den Dubliners erklärten, er sei wie ein Bruder für sie gewesen.

Mit 72 Jahren ist er in seinem Haus in dem Fischerort Howth bei Dublin City, friedlich entschlafen. Ein Musikerfreund war bei ihm, sie hatten über einer Tasse Tee geplaudert, als Barney McKennas Herz von einer Sekunde auf die nächste aufhörte zu schlagen. Am Tag zuvor hatte er selbst noch auf der Beerdigung eines Freundes gespielt.

Er wird vermisst werden, der Mann mit der Seemannsmütze, der für die irische Musik so viel getan hat.

Markus Dehm

Update vom
09.02.2023
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