FOLKER – Halbmast

HALBMAST

ALLAIN LEPREST

ALLAIN LEPREST * Foto: G. Debailleul

3.6.1954, Lestre, Frankreich
bis 15.8.2011, Antraigues-sur-Volane, Frankreich

Der französische Sänger, Dichter und Songschreiber Allain Leprest war hierzulande nicht wirklich ein großer Name, dennoch verließ mit ihm ein bedeutender Mann für die französische Musik die Bühne. Neben seiner langjährigen Arbeit mit Romain Didier schrieb er auch Texte für andere Künstler wie Juliette Gréco, Francesca Solleville oder Enzo Enzo. Bewunderung wurde ihm auch von Kollegen wie Jean Ferrat, Henri Salvador, Claude Nougaro oder Anne Sylvestre zuteil. Ein neues Album war für Ende dieses Jahres zusammen mit einer Reihe von Konzerten in Paris geplant. Seine letzte Platte Quand Auront Fondu Les Banquises erschien 2008 und wurde, wie auch sein Lebenswerk 2009 mit dem Grand Prix In Honorem der Akademie Charles-Cros gewürdigt.

Allain Leprest wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Als junger Mann entdeckte er Léo Ferré und Georges Brassens für sich, verdingte sich zunächst aber als Maler und Dekorateur sowie Fallschirmspringer in der Armee. Ende der Siebziger lernte er den Sänger Henri Tachan kennen, der ihn ermutigte, seine Texte zu veröffentlichen, und sein Gesangstalent förderte. Nach Erscheinen seiner ersten Gedichtsammlung Tralahurlette zog Leprest nach Paris, sang in Bars und Kabaretts und brachte seine Karriere erst Anfang der Achtziger richtig in Schwung. Sein erstes Album Mec wurde 1985 veröffentlicht. Festivals wie die Francofolies in La Rochelle luden ihn fortan ein, dennoch fand sein wachsender Ruhm kaum Eingang in die Berichterstattung der Medien, wenngleich er mit Künstlern wie Jacques Brel verglichen wurde. Leprest sang oft von einfachen Dingen, wie der Begegnung mit seiner Frau, seiner Tochter, das alltägliche Leben, über seine Erinnerungen und Träume, und tat das in Slang und Poesie und scheute sich dabei nicht, sich selbst zu spiegeln. Viele Jahre litt Leprest an Lungenkrebs. Dieses Leiden beendete er selbst Mitte August in Antraigues-sur-Volane, dem Schauplatz des jüngsten Jean-Ferrat-Festivals, bei dem er Ehrengast gewesen war.

Claudia Frenzel


RAY FISHER

RAY FISHER

26.11.1940, Glasgow, Schottland
bis 31.8.2011, North Shields, Tyne and Wear, England

Ray Fishers lebenslange Verbundenheit mit der schottischen Folkmusik begann Ende der Fünfzigerjahre. Sie lernte die Feinheiten des Balladengesanges persönlich von der legendären Jeannie Robertson und bildete anfänglich ein Duo mit ihrem Bruder Archie. Seit 1962 jedoch, als sie Colin Ross heiratete, Northumbrian Piper und Mitglied der Gruppe High Level Ranters, trat sie meist als Solosängerin auf, unter anderem auch in Deutschland, natürlich im Rahmen des Scottish Folk Festivals. Fisher hatte sich Zeit ihres Lebens nie um ein Management gekümmert, nie für sich geworben – sie war immer mit den Auftritten zufrieden, die ihr angeboten wurden. Ihr Gesang und ihre Persönlichkeit machte sie auch unter ihren Kollegen sehr populär. Martin Carthy hält sie (neben seiner Frau Norma Waterson) für die wichtigste Folksängerin der Insel. Auch im Norden Englands bewahrte sie sich ihre Liebe zur schottischen Heimat, allerdings im deutlich antinationalistischen Sinne. Die an der Westküste gelagerten Atomwaffen jedoch hat sie immer und aktiv als Schande für ihr Land bekämpft. Ray Fisher erlag einem Krebsleiden. Sie ist Mitglied der Scottish Traditional Music Hall of Fame und erhielt 2008 die höchste englische Auszeichnung, den Gold Badge der English Folk Dance and Song Society.

Mike Kamp


ROGER TRASH DEWALD

ROGER TRASH * Foto: Wilm Weppelmann

29.5.1959, Diepholz, Deutschland
bis 31.8.2011, Münster, Deutschland

Lebens- und Leidenskünstler war er, ein „Erlebnismillionär“, in seinen Geschichten, Gedichten und Songs ging es um eigene, fremde und erdachte Erlebniswelten – immer das volle Leben! Aber bitte die ganze Palette: Gesang, Spiel und Tanz – das Leben ist ein rauschendes Fest! Natürlich auch Rückschläge, Scheitern, Trauer, Wut, Auf-die-Schnauze-Fallen – aber immer wieder Aufstehen. Neben den eigenen Songs, zuerst in Englisch, später in Deutsch, beschäftigte Trash sich immer wieder mit seinen Idolen Dean Reed, Johnny Cash und vor allem Rio Reiser, setzte ihnen großartige musikalische Denkmäler. Seit 1977 als Rockmusiker unterwegs, dann Tourneen als Bassist bei Peter Burschs Bröselmachine, ständig auf Tour mit seiner eigenen Rock-’n’-Roll-Band The Wild Lovers, mehrere Alben und bundesweite Aufmerksamkeit für den charismatischen Künstler mit der rauen Stimme. 1997 das erste deutschsprachiges Album, Sony platziert sein Lied „Kneipenstar“ auf die CD Best of deutsche Comedy, es folgen Auftritte neben Mario Barth, Helge Schneider und Ingo Appelt. 1998 und 2000 erscheinen seine Bücher Traumjob – Bekenntnisse eines Rock ’n’ Rollers sowie Der Erlebnismillionär. Seit 2003 bundesweit als Solokünstler, unter anderem mit seinen CDs Ferngeliebt und Liebe & Desaster unterwegs. Eine seiner letzten Aufnahmen erschien 2010 auf der Doppel-CD Maurenbrecher für alle. „Ich liebe das Leben und kenne den Geruch des Scheiterns“, schrieb er einmal und: „Ich habe versucht, dieses ‚Live-fast-love-hard-and-die-young‘-Ding durchzuziehen, aber ich bin einfach nicht gestorben.“ Nach langem, verzweifeltem Kampf gegen den Krebs ist er nun doch gestorben, der „Landstreichler“ und „Geschichtsvollzieher“ aus Münster.

Kai Engelke


BERT JANSCH

BERT JANSCH

3.11.1943, Glasgow, Schottland
bis 5.10.2011, London, England

„Kann mir mal jemand sagen, was das Besondere an seinem Gitarrenstil war?“, fragt ein verunsicherter Folkfan in einem Internetblog anlässlich des Todes von Bert Jansch. Die Antwort könnte folgendermaßen lauten: Der aus dem schottischen Glasgow stammende und in Edinburgh aufgewachsene Folkstar erweiterte und perfektionierte schon ab Mitte der Sechzigerjahre die aus den USA kommenden Fingerpickingtechniken der Rag-, Folk- und Bluesmusik ganz wesentlich, indem er ihnen Elemente aus der alten beziehungsweise klassischen Musik, zum Beispiel auf der Gitarre gespielte Lautentechniken hinzufügte. Manche nennen dieses Genre „Folk Baroque“. Musikerpersönlichkeiten wie Jimmy Page, Neil Young, Donovan und sogar der Skandalrocker Pete Doherty geben Bert Jansch als wichtigen musikalischen Einfluss an. Das Rolling-Stone-Magazin führt ihn in seiner Liste der „100 Greatest Guitarists“.

1965 veröffentlichte Bert Jansch seine erste LP, auf der sich bereits einer seiner bekanntesten Songs befand: „Needle Of Death“ handelt vom Tod eines Freundes. Zwei Jahre später gründete Jansch zusammen mit seinem Freund, dem Gitarristen John Renbourn, mit dem er schon zuvor Platten aufgenommen hatte, die Folk-Jazz-Band Pentangle (1967-1973). Charakteristisch für diese Band war: Musik auf höchstem musikalischen Niveau bei gleichzeitiger nahezu schwebender Leichtigkeit. Ein Reunionkonzert von Pentangle im August war gleichzeitig einer von Janschs letzten Auftritten. Neben den Bandveröffentlichungen brachte der Musiker mehr als dreißig Soloalben heraus. Fast sein ganzes erwachsenes Leben war überschattet von massiven Alkoholproblemen. Nun verlor er den mehrjährigen Kampf gegen den Lungenkrebs. „Ich hab mich nie in den Vordergrund gedrängt“, sagte er erst kürzlich, „aber meine Gitarrenarbeit streckt auch in Zukunft allen die Zunge heraus.“

Kai Engelke

Update vom
09.02.2023
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