FOLKER – Halbmast

HALBMAST

PINETOP PERKINS

Pinetop Perkins

7. Juli 1913 in Belzoni, Mississippi, USA
bis 21. März 2011 in Austin, Texas, USA

Er musste fast 80 Jahre alt werden, um als Solokünstler groß rauszukommen. 1992 veröffentlichte Pinetop Perkins, der 1913 als Willie Perkins geboren wurde, das erste von insgesamt fünfzehn Alben, auf denen er als einer der großen Sänger und Pianisten des Mississippi-Blues brillierte. Ursprünglich war die Gitarre sein Instrument, doch wegen einer schweren Verletzung am linken Arm musste er sich neu orientieren. Das gelang mit Bravour. Aus den 1950er-Jahren, als er mit Earl Hooker auftrat, stammt Perkins’ Künstlername, den er einer sensationellen Aufnahme von „Pinetop’s Boogie Woogie“ (geschrieben von Pinetop Smith) verdankte. Ab 1969 spielte er zwölf Jahre lang das Piano in der Muddy Waters Band, danach war er Mitbegründer der Legendary Blues Band, die auf zahlreichen Tourneen ein breites Publikum begeisterte. Noch mit über 90 Jahren stand Perkins, dessen Pianostil großen Einfluss auf nachfolgende Generationen hatte, auf der Bühne. Zweimal erhielt er den Living Blues Award als bester Pianist, 2003 wurde er in die Blues Hall of Fame aufgenommen, zwei Jahre später durfte er sich über einen Grammy für sein Lebenswerk freuen. „Ich will die Leute glücklich machen und den einen oder anderen Dollar verdienen“, lautete sein Motto. Im 98. Lebensjahr ist Pinetop Perkins am 21. März in seinem Haus in Austin, Texas, sanft entschlafen.

Annie Sziegoleit


JACK HARDY

Jack Hardy

23. November 1947, South Bend, Indiana, USA
11. März 2011, New York City, USA

Ein Sonntagnachmittag im November 1982. Jack Hardy war auf Tournee und kam für ein Interview nach Bonn. Anschließend fuhr ich ihn nach Köln, wo Jack Hardy in einen Zug stieg, um an der Seine seinen 35. Geburtstag zu feiern – „Take the night train to Paris, you hopelessly romantic fool“ kommentierte er dies selbst im Opener seines dann nächsten Albums The Cauldron (Big Pink Music, 1984).

John Studebaker Hardy war Liedermacher, Sänger und Dramatiker. An der Universität von Hartford, Connecticut, hatte er Englische Literatur studiert; 1969 war er als Herausgeber der Studentenzeitschrift The News – Liberated Press wegen eines anzüglichen Cartoons über Richard Nixon verhaftet und zu 50 USD Strafe verdonnert worden – auch wenn das Urteil später aufgehoben wurde, bleibt er damit der einzige Mensch in der Geschichte der USA, der je wegen Beleidigung des amerikanischen Präsidenten verhaftet und verurteilt worden ist. Politik zog sich auch später durch sein Wirken, wenngleich eher indirekt – Jack Hardy hatte immer einen Heidenspaß an versteckten Verweisen, an literarischen Bezügen und subtilen Referenzen an die Historie oder an die keltische Mythologie, was vom Hörer hohe Intelligenz erforderte. Unvergessen seine Geschichte, wie an einem Abend im Kreise seiner New Yorker Singer/Songwriterkollegen alle aufgefordert wurden, ein Lied zu schreiben, in dem in jeder Strophe mindestens einmal das Wort „elevator“ vorkommen musste. Als dann alle ihre Werke vorgetragen hatten, schauten sie Jack Hardy an: Wo war elevator? Verschmitzt deutete Jack Hardy auf die jeweils acht Zeilen seiner drei Strophen – man möge doch einfach mal die ersten Buchstaben von oben nach unten lesen…

Solche kollegialen Treffen fanden oft in seinem Appartement statt und „hielten die nachbarschaftliche Tradition der Gegenkultur-Troubadoure am Leben“. (New York Times) Dazu gehörten auch öffentliche Treffen wie das Cornelia Street Cafe Exchange, CooP oder Fast Folk, letztere auch als monatliche LP und Zeitschrift veröffentlicht. Sie alle waren von Hardy initiiert und geleitet und ebneten heutigen Stars wie Suzanne Vega, Christine Lavin oder Shawn Colvin den Weg. Jack Hardy war ein „community worker“, der sich selbst immer der Gemeinschaft unterordnete, weswegen trotz rund fünfzehn eigener Alben sein Einfluss deutlich höher war als sein eigener Erfolg. Anfang des Jahres wurde bei Jack Hardy Lungenkrebs diagnostiziert; er starb in der Nacht nach der ersten Chemotherapie.

Bernhard Hanneken


GARY MOORE

Gary Moore

4.4.1952 in Belfast, Nordirland
bis 6.2.2011 in Estepona, Spanien

Zum Rock-'n'-Roll-Abgang gehört wohl ein früher plötzlicher Tod, dennoch war der von Gitarrenlegende Gary Moore mit nur 58 Jahren zu früh und zu überraschend. Der irische Gitarrist versuchte sich nach seinem Ausstieg bei den Bluesrockikonen Thin Lizzy an verschiedenen Stilrichtungen. Obwohl er letztlich dem Hardrock-Geschäft am meisten verbunden blieb, finden sich schon in seiner früheren Musik Einflüsse aus Irish Folk, wie etwa auf Wild Frontier (EMI, 1987). Ab den 1990er-Jahren verschrieb er sich dem Blues und landete mit „Still Got The Blues“ (1990) einen Welthit. Ausgerechnet um jenes Stück rankte sich ab 2001 auch ein Rechtsstreit mit der Krautrockband Jud's Gallery (1970-1974), deren Bandleader behauptete, Moore hätte Passagen seines Hits deren zwar 1974 bereits eingespielten, jedoch erst 1999 erstmals veröffentlichtem Stück „Nordrach“ entnommen. Das Landgericht München befand 2008, dass es in der Tat „frappierende Übereinstimmungen beider Stücke“ gäbe, lehnte es aber ab, Moore die Verbreitung des Stücks zu untersagen. Ende 2009 erklärte Gary Moore, dass er nur noch ein weiteres Bluesalbum machen werde. Danach wollte er ein Celtic-Rock-Album zusammen mit den Chieftains aufnehmen. In diesen Genuss wird die Musikwelt nun leider nicht mehr kommen.

Claudia Frenzel


CALVIN RUSSELL

Calvin Russell

1. November 1948, in Austin, Texas, USA
bis 3. April 2011, in Garfield, Texas, USA

Als Calvert Russell Kosler und Underdog kam der US-amerikanische Singer/Songwriter zur Welt, und wenn man den Pressemeldungen über ihn Glauben schenkt, dann galt der Sänger mit dem zerknautschten Gesicht als so etwas wie der kleine Bruder Charles Bukowskis. Mit insgesamt acht Geschwistern wuchs er in höchst bescheidenen Verhältnissen als sechstes Kind eines Kochs und einer Kellnerin quasi in der Kneipe auf. Später bestimmten regelmäßige Aufenthalte in Jugendanstalten, in die er wegen verschiedener kleinerer Delikte wanderte, sein Leben. Auch nach der Volljährigkeit ereilte ihn der Knast. In den Zeiten zwischen den Gefängnisaufenthalten verdingte er sich als Tagelöhner oder begab sich mit dem Motorrad auf Abenteuerreisen. Erst spät, 1985, kam er zur Musik. Er entdeckte sie für sich, als er mal wieder im Gefängnis saß. Dort begann er Lieder zu schreiben, mit denen er nach seiner Entlassung durch die Bars tingelte. 1988 veröffentlichte er mit der Band Characters, die soundmäßig an ZZ Top erinnerten, eine Platte in Deutschland. Später nahm sich ein französisches Underground-Label Calvin Russels an und veröffentlichte sein Solodebüt A Crack In Time (1990). In den folgenden Jahren veröffentlichte er fast jährlich neue Songs. Allerdings waren es weniger seine Alben als seine Liveauftritte, die ihn bekannt machten. Seine Songs galten als aus dem Leben gegriffen, seine Darbietung mit wenigen Akkorden, brüchiger Stimme und einem alten Cowboyhut als authentisch. Einen Großteil seiner letzten Lebenshälfte verbrachte der Roots-Rock-Musiker in Europa, wohnte in der Schweiz und war letztlich hier bekannter in den USA. Im Alter von 62 Jahren starb er in seiner amerikanischen Heimat an Leberkrebs.

Claudia Frenzel

Update vom
09.02.2023
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