HALBMASTREINHARD HIPPEN17.1.1942, Leer, bis 25.4.2010, Mainz Humor war, und das nicht nur aus professioneller Sicht, sein Leben. Der Ostfriese Reinhard Hippen, entdeckte bereits als Teenager – vielleicht auch weil er mit Entertainer Karl Dall die Schulbank drückte – seine tiefe Leidenschaft für Satire und Kabarett und sammelte fortan alles was ihm zu diesem Thema in die Finger kam. Aus dieser Sammelleidenschaft wurde Profession und entstand 1961 das Deutsche Kabarettarchiv in Mainz. In die rheinland-pfälzische Metropole hatte es Hippen verschlagen, weil er seinem Idol, dem Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch, nah sein wollte. Zu ihm baute er später eine enge Freundschaft auf. Bis 1989 war Hippen Leiter des Archivs. Die Sammlung umfasst umfangreiches Material zu Personen, Ensembles, Kabaretttheatern, Stichworten wie Zensur, Revue oder Karikaturen, außerdem zahlreiche Exponate und Fotos. Ein Jahr vor dem fünfzigjährigen Bestehen „seines“ Archivs starb Hippen nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 68 Jahren in seiner Wahlheimat. „Er war nicht nur ein engagierter Sammler und Chronist des Kabaretts, er liebte diese Kunstform und war ihr von Herzen zugetan. Das Kabarett hat er zu seiner Lebensaufgabe und Lebensleistung gemacht“, würdigte ihn Ministerpräsident Kurt Beck in einem Nachruf. Claudia Frenzel LJILJANA BUTTLER1944, Belgrad, ehem. Jugoslawien, bis 26.4.2010, Düsseldorf Am 26. April starb die 1944 in Belgrad unter dem Namen Ljiljana Petrovic geborene legendäre Romasängerin Ljiljana Buttler in ihrer Wahlheimat Deutschland. Viele ältere Jugoslawen haben die Schallplatten Ljiljana Petrovics in die Emigration gerettet. Noch in den Neunzigerjahren wurden die Lieder der „Mother of Gypsy Soul“ regelmäßig auf dem serbischen Romaradiosender Krlo e Romengo gespielt. Sie war nie ganz vergessen, aber an eine Rückkehr auf die Konzertbühnen hatte kaum noch jemand geglaubt. Ihre balladesken, sparsam instrumentierten Stücke entsprachen nicht dem Klischee des ewig feiernden Zigeunermusikers. Von dem billig produzierten und übersexualisierten Turbofolk, der die Region des ehemaligen Jugoslawien seit den Neunzigern überschwemmte, distanzierte sich Ljiljana Petrovic stets. Als die Kriege in Jugoslawien ausbrachen, emigrierte sie mit ihren Kindern nach Deutschland und ernährte ihre Familie als Köchin und Putzfrau. Gelegentlich sang sie auf Hochzeiten oder Taufen, vor allem im Ruhrgebiet. Das änderte sich erst, als der in Amsterdam lebende bosnische Musikproduzent Dragi Sestic bei ihr auftauchte. Doch Ljiljana Pétrovic – sie nannte sich jetzt Buttler – wollte lange nichts von einem Comeback wissen, überzeugt hat sie letztendlich die Beharrlichkeit Sestics und der warme akustische Klang der Musiker aus dem bosnischen Mostar, mit denen sie immer wieder Konzerte gab. Auf ihren drei seit 2002 produzierten CDs und besonders auf ihrem letzten Album Frozen Roses (Snail Records/Cargo Records, 2009) dominieren eher swingende Nummern – mit so viel Würde und Understatement hat man diese Volkslieder und Romaklassiker selten gehört. Ljiljana Buttler fand ihr Publikum in den Vorstädten genauso wie in den Restaurants der Mittelschicht und unter Intellektuellen. „Schmerz, Trauer, Freude, das alles drücken die Zigeuner durch ihre Musik aus. Damit mir ein Lied gefällt, muss es Herz und Seele haben, natürlich auch einen schönen Text, aber das wichtigste ist für mich die Seele. Ohne Seele geht es nicht.“ Eine große Stimme ist verstummt. Grit Friedrich FRITZ WIDMER5.2.1938, Kirchberg, Schweiz, bis 28.4.2010, Bern, Schweiz „Was ufhört, isch nid fertig, / s’gseht mängisch zwar so uus, / es Läbe blybt es Läbe, / bis zletscht u drüberuus, / u ou we üsi Stimme, / jetz nümm so heiter klinge: / Es chöme nöji nache, / wo nöji Lieder singe“ (Mikael Wiehe, ins Berndeutsche übersetzt von Fritz Widmer): „Was aufhört, ist nicht fertig, es schaut manchmal zwar so aus, ein Leben bleibt ein Leben, bis zuletzt und darüber hinaus, auch wenn unsere Stimmen jetzt nicht mehr so heiter klingen: Es kommen neue nach, die neue Lieder singen.“ Dass der Berner Liedermacher bereits vor zehn Jahren im Lied „Di nöie Stimme“ schwedisches Liedgut ins Berndeutsche übertragen hatte und über das „Danach“ nachdachte, ist kein Zufall. Der Tod war ein steter Begleiter seiner lebensnahen Texte, und es war Widmers Spezialität, Lieder aus dem schwedischen und angelsächsischen Raum ins Berndeutsche zu übersetzen. Hauptberuflich war Werner Widmer Sprachlehrer an einem Berner Gymnasium. 1965 bis 1970 trat er mit den Berner Troubadours auf – unter anderen mit Mani Matter. 1973 bis 1978 tourte Fritz Widmer mit Jacob Stickelberger mit einem Programm, dass die beiden mit Matter geschrieben hatten. Mit Stickelberger komponierte er die Krimioper Kriminalgschicht, daneben schrieb er verschiedene Mundartromane und gestaltete für das Schweizer Radio DRS Sendungen. Ab 1992 stand er wieder gemeinsam mit den Berner Troubadours auf der Bühne. Fritz Widmer war mit der Musiklehrerin Christina Widmer-Hesse, einer Enkelin des Dichters und Schriftstellers Hermann Hesse, verheiratet. Fritz Widmer starb im Alter von 72 Jahren an Krebs. Martin Steiner JEAN MARYSE RABESIAKA – „MÉDICIS“1980, Tuléar, Madagaskar, bis 27.3.2010, Antananarivo, Madagaskar Schon mit 29 Jahren öffneten sich dem Akkordeonvirtuosen Médicis aus Madagaskar viele Türen zu einer vielversprechenden Karriere. Jean Maryse Rabesiaka (wie er mit vollem Namen hieß) stammte aus der Hafenstadt Tuléar, wo er den elektrisierenden Tsapiki und die treibenden Trancemusiken aufsog und sie mit einem Feinschliff aus feinem Vibrato und eleganten rhythmischen Akzentuierungen veredelte. In seinen Händen mutierte das chromatische Knopfakkordeon zu einem pulsierenden Kraftpaket. 2002 zog Médicis in die Hauptstadt Antananarivo, wo er schnell beachtet wurde und auch auf den umliegenden Inseln wie Mauritius und La Réunion gastierte. Vor zwei Jahren spielte er drei Monate in Frankreich und im letzten Jahr ging er mit der Akkordeonale auf Deutschlandtournee, spielte in Madagaskar eine Solo-CD ein und hinterließ seine markanten Spuren auf der CD von Samy Izy (Network Medien), seine erste Mitwirkung in einer internationalen Produktion, die zugleich seine letzte Studioarbeit bleiben sollte. Am 27. März wurde in Antananarivo eines der hoffnungsvollsten Talente der madagassischen Musikszene von Straßenräubern erstochen. Birger Gesthuisen |
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