HALBMASTMIKE SEEGER15.8.1933, New York, USA, bis 7.8.2009, Lexington, USA Mit Mike Seeger hat am 7. August eine Musikerpersönlichkeit diesen Planeten verlassen, die vor allem in den Fünfziger- und Sechzigerjahren die amerikanische Folkmusikszene und insbesondere die Old-Time Music prägte, ohne dabei so im Rampenlicht zu stehen wie sein älterer Halbbruder Pete. Dieser schrieb in seinem Buch The Incompleat Folksinger, sein kleiner Bruder Mike könne ihn „schwindlig spielen, nicht nur auf dem Banjo, natürlich, sondern auch auf der Gitarre und einem halben Dutzend weiterer Instrumente“. Darunter vor allem die Autoharp, die Mike im Alter von zwölf Jahren zu spielen begann und nicht einfach nur anschlug, sondern wie Maybelle Carter mit den Fingern zupfte; auch Fiddle, Dulcimer, Dobro, Mandoline und Maultrommel gehörten zu den Instrumenten, die er sich als Autodidakt selbst beibrachte. Mike Seeger wurde als Sohn des Ethnomusikologen Charles Seeger und der Komponistin und Volksliedsammlerin Ruth Crawford Seeger geboren und wuchs neben seinen beiden Schwestern Peggy und Barbara in Washington, D. C., auf. Er spielte mehr als vierzig Platten ein, solo, mit Gastmusikern und natürlich mit seiner Gruppe, den New Lost City Ramblers. Außerdem produzierte Seeger über dreißig Dokumentaraufnahmen: Als leidenschaftlicher Sammler spürte er längst vergessene Pioniere der Old-Time Music auf, bannte sie auf Tonträger und bewahrte so ihr umfangreiches Liedrepertoire, ihre Melodien und Spieltechniken vor der Vergessenheit. Die New Lost City Ramblers hatte Seeger zusammen mit John Cohen und Tom Paley (der später durch Tracy Schwarz ersetzt wurde) 1958 in New York City gegründet. Sie beeinflusste zahllose Musiker und war eine der am längsten auftretenden Gruppen der populären Musik. Die Gruppe konzentrierte sich darauf, die erforschten traditionellen Spieltechniken und -stile aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren zu pflegen, und weigerte sich, sie den aktuellen Hörgewohnheiten anzupassen, wie es die Weavers oder das Kingston Trio taten. Mike Seeger war Mitglied verschiedenster Direktionen und Komitees, unter anderem des Newport Folk Festivals und des Smithsonian Folklife Festivals. Das National Endowment for the Arts gewährte ihm zwischen 1975 und 1987 vier Stipendien. Er erhielt den Bess-Lomax-Hawes-Preis für seine Arbeit zur Erhaltung traditioneller Musik. Seeger war insgesamt sechsmal für einen Grammy nominiert. Im August erlag er den Folgen eines Krebsleidens. Ulrich Joosten SAM HINTON21.3.1917 in Tulsa, USA, bis 10.9.2009 in Berkeley, USA Der amerikanische Folksänger und Mundharmonikaspieler Sam Hinton war Begründer der San Diego Folk Song Society und spielte überwiegend politische Songs wie „Talking Atomic Blues“, der sein erster kommerzieller Erfolg war. Der in Tulsa, Oklahoma, geborene Sänger, studierte Zoologie, schrieb verschiedene Artikel und Bücher, lehrte an verschiedenen Universitäten und arbeitete als Kalligraph. Als er mit fünf Jahren seine erste Mundharmonika geschenkt bekam, wollte er alle Songs, die er hörte, spielen lernen. Neben der Musik interessierte er sich auch für Naturgeschichte, ihr verschrieb er ebenso wie dem Folk sein Leben. Mit seinen beiden Schwestern Ann und Nell gründete er The Texas Trio, mit dem er in Washington auftrat. 1937 fuhr die Gruppe nach New York, um an Major Bowes’ Amateur Hour teilzunehmen. Im Anschluss daran reiste Hinton drei Jahre mit den Bowes durch Amerika, ehe er in Los Angeles sesshaft wurde. Erst ab 1947 veröffentlichte er seine ersten Alben, Buffalo Boy und The Barnyard Song, 1952 folgte Folk Songs Of California. Im Alter von 92 Jahren starb der Musiker und Wissenschaftler und hinterlässt weit über zweihundert Folksongs. Claudia Frenzel MARY TRAVERS9.11.1936, Louisville, USA, bis 16.9.2009, Danbury, USA Mary Allin Travers wurde in Louisville, Kentucky, als Tochter eines Journalisten geboren. Da Pete Seeger im selben Haus wohnte, war der Weg in die Folkmusik für Mary nicht weit. Aus der Freundschaft entwickelte sich auch eine intensive Zusammenarbeit. So arbeitete die Sängerin an einem Album Seegers mit und war auch bei zwei seiner Konzerte in der New Yorker Carnegie Hall dabei. Erst die Begegnung mit Peter Yarrow und Noel „Paul“ Stookey machte Mary Travers jedoch zu dem, wofür sie bis heute bekannt ist: zu einem Drittel von Peter, Paul and Mary. Die Gruppe war bis zu ihrer zwischenzeitlichen Auflösung 1970 eine der erfolgreichsten Formationen der Sechzigerjahre. Songs wie „Blowin’ In The Wind“, „If I Had A Hammer“ oder „Lemon Tree“ machten sie weltweit bekannt. Nach Ende der gemeinsamen Zeit mit Yarrow und Stookey startete Travers eine Solokarriere und veröffentlichte fünf Alben, die allerdings nie die Verkaufszahlen des Trios erreichten. Die Sängerin engagierte sich vielfach auch politisch, etwa für die Einhaltung der Menschenrechte in Lateinamerika und gegen Apartheid in Südafrika. Ende der Siebzigerjahre fand die Gruppe für Auftritte wieder zusammen und veröffentlichte neue Alben. Eines der letzten Konzerte der Band fand im Mai 2009 in New Jersey statt. Nach einer erfolgreichen Knochenmarkstransplantation 2006 verschlechterte sich der Gesundheitszustand der an Leukämie erkrankten Travers Mitte dieses Jahres erheblich. Im Alter von 72 Jahren verlor sie den Kampf gegen den Krebs schließlich in einem Krankenhaus im US-Bundesstaat Connecticut. Claudia Frenzel MERCEDES SOSA9.7.1935 in San Miguel de Tucumán, Argentinien, bis 4.10.2009 in Buenos Aires, Argentinien „La Negra“, die Stimme Argentiniens, als die Mercedes Sosa zeitlebens galt, ist tot – das Land trauert um eine seiner größten Gesangsikonen. Jeder kannte sie, die kleine stämmige schwarzhaarige Sängerin mit der tiefen Stimme, die aus ärmlichen Verhältnissen kam. Songs wie „Gracias A La Vida“ aus der Feder der Chilenin Violeta Parra gehören zu ihren berühmtesten Interpretationen. Im Oktober 1950 nahm sie unter dem Pseudonym Gladys Osorio an einem Wettbewerb des lokalen Radiosenders LV12 teil und gewann einen zweimonatigen Vertrag. Ihre erste LP erschien 1962 unter dem Titel La Voz De La Zafra und enthielt ausschließlich argentinische Folklore. Drei Jahre später gelang der Sängerin auf dem Festival Nacional de Folklore de Cosquín der große landesweite Durchbruch. Sie erweiterte ihr Repertoire um Stücke aus ganz Lateinamerika, bediente sich ausschließlich der Lieder anderer, schrieb nie selbst. Ab Mitte der Sechzigerjahre gab sie weltweit Konzerte. Neben der Musik engagierte sich Sosa auch politisch, bereits in ihrer Jugend sympathisierte sie mit Juan Perón. Sie prägte wie keine andere Sängerin das Nueva Canción, das neue folkloristische Genre Lateinamerikas, das nicht nur traditionelle Liedformen bewahren wollte, sondern sich vor allem politisch artikulierte. Nach dem Putsch 1976 blieb sie trotz starker Repressionen durch die Militärdiktatur zunächst im Land, erhob ihre Stimme und hatte Auftrittsverbot. Ihre Alben landeten auf dem Index. Bei einem Konzert in La Plata 1979 wurde sie mitsamt Publikum bei laufender Show verhaftet. Ein Jahr später floh Sosa über Paris ins Madrider Exil. Dort wurde sie zur international bekannten Protestsängerin und interpretierte Songs von Atahualpa Yupanqui, Pablo Neruda oder des Brasilianers Milton Nascimento. Im deutschsprachigen Raum wurde sie vor allem durch gemeinsame Konzerte mit Konstantin Wecker und Auftritte mit Joan Baez, Nana Mouskouri, Shakira oder Sting bekannt. Nach dem Ende der Diktatur kehrte sie 1982 zunächst für ein Konzert nach Buenos Aires zurück. Das Doppelalbum dazu, Mercedes Sosa En Argentina, schrieb landesweit Musikgeschichte. 1983 wurde sie endgültig wieder in ihrem Heimatland sesshaft. Bereits am 18. September dieses Jahres war Sosa mit Leberproblemen in die Klinik eingeliefert worden. Die Ärzte versuchten vergeblich, ihr Leben zu retten. Am 4. Oktober starb sie im Alter von 74 Jahren. Über siebzig Alben hinterlässt die Sängerin, das letzte, Cantora, erschien noch vor wenigen Monaten in Argentinien. Claudia Frenzel |
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