Rezensionen NORDAMERIKA
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ILENE BARNES
Here’s To You
(I.C.Music 6104025/Discograph/Al!ve, www.alive.de
)
Promo-CD, 12 Tracks, 55:00
Die Songschreiberin und Gitarristin hat sich weiterentwickelt: Auf
Here’s To You
erzählt Ilene Barnes Geschichten voller verschiedenartiger Facetten. Sie hat
möglicherweise Gesangsunterricht genommen, auf jeden Fall hat ihre Stimme an
Tiefe gewonnen, hält sie die Töne unverschämt lange, ist ihre Intensität einfach
gigantisch. Am besten steht es dieser vielseitigen Sängerin, wenn sie sich dem
Black Rock widmet und kämpferisch, wie in „Shout“, wortgewaltig machtvolle
Kritik übt. Ob es allerdings notwendig war, eine derart große Zahl an
Stilrichtungen einzuschlagen und dabei unbedingt auch ein Tangostück
einzuspielen? Darüber geht dem Album
ein bisschen der Faden verloren. Dabei hat Ilene Barnes so viel Ausdruck, so
viel zu sagen, so schöne Songs, dass sie sich nicht hätte musikalisch zu
verzetteln brauchen. Möge die erstklassige Songschreiberin und Texterin beim
nächsten Album eine entschiedenere Richtung einschlagen, sich trauen, so zu sich
selbst zu stehen, wie sie auch ist: kämpferisch, nimmermüde anklagend,
leidenschaftlich, mal herzlich und auch mal distanziert.
Here’s To You
ist zwar grundsolide, doch liegt hier noch viel Potenzial brach, das es zu
entwickeln und zu integrieren gilt.
Carina Prange
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AMELIA CURRAN
War Brides
(Six Shooter Records SIX047/In-akustik, www.in-akustik.com
)
10 Tracks, 30:19
Ein Akkordeon erklingt, eine rau geschlagene Gitarre, und darüber erscheint
diese leicht brüchige, aber klare Stimme, die im wundervoll melancholischen
Opener des Albums davon singt, wie es ist, sich „Scattered & Small“ zu
fühlen. Die Songschreiberin, Schauspielerin und Autorin Amelia Curran trinkt
gern und denkt gern nach. Dabei entstehen ihre Geschichten von Einsamkeit und
verblichener Liebe, mit denen die Kanadierin uns so nah kommt – verstärkt
durch eine intime und hochwertige Produktion in Gemeinschaft mit dem
Multiinstrumentalisten Phil Sedore, der alles aufgenommen hat und unter anderem
Gitarre, Cello, Mandoline und Posaune spielt. Nur bei „Time’s A Ticker“ bekommt
das Duo Unterstützung von Lukas Pearse am Kontrabass. Trotz dieser Reduktion
eröffnet sich hier eine große stilistische Vielfalt, in der ein Song mal
Country-Touch durch Slidegitarre erhält, in einem anderen Musette-Traurigkeit
Aufmerksamkeit beansprucht und beim nächsten die jazzigen Töne dominieren.
Amelia Curran erinnert auf ihrem vierten Album nicht nur stimmlich an Lucinda
Williams, auch die Songs erreichen das Niveau der Kollegin. Schnell zieht die
halbe Stunde Laufzeit vorbei. Aber es gibt ja die Replay-Funktion für eine
nächste Runde.
Volker Dick
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DIVERSE
Man Of Somebody’s Dreams – A Tribute To Chris Gaffney
(Yep Roc Records YEP 2198/Cargo Records, www.cargo-records.de
)
18 Tracks, 78:23, mit engl. Infos
Wen das nicht zu Tränen rührt – wie Los Lobos Hacienda Brother Chris
Gaffney seinen eigenen „Man Of Somebody’s Dreams“ hinterherweinen ist wohl weder
an gefasstem Sentiment noch an ergebener Fügung ins Unvermeidliche zu
überbieten! Immerhin; ansonsten ist das vorliegende Album mal wieder eines
dieser Projekte, auf die man ihrem Anlass entsprechend auch gut verzichten
könnte. Wegen des alten Amiklassikers „Unterversicherter Künstler“ trommelte
Dave Alvin (siehe auch Kurzschluss) das Tex-Mex-/Roots-All-Star-Line-up des
vorliegenden Albums zusammen: Sein Freund und Akkordeonist Chris Gaffney kämpfte
mit Leberkrebs, der Erlös der Coverversionen seiner Songs sollte helfen, ihn bei
den Rechnungen zu unterstützen – und dann auch noch zu spät. Es bleiben
Joe Ely, Boz Scaggs, Peter Case, Tom Russel, Calexico und viele mehr mit
ausnahmslos einfühlsamen Versionen von Gaffneys melancholischen Vignetten aus
dem Leben der einfachen Leute – und Gaffney selbst zum Abschied mit einem
Cover seinerseits: „The Guitars Of My Dead Friends“ besingt er mit brüchiger
Stimme zum Abschluss des Albums – sie müssen nun an den nächsten
weitergereicht werden ... Ein Teil der Erlöse geht an Hungry For Music.
Christian Beck
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DIVERSE
Singing Through The Hard Times – A Tribute To Utah Phillips
(Righteous Babe Records RBR 065-D/Ada Global/Rough Trade, www.roughtrade.de
)
Do-CD, 39 Tracks, 134:51, mit engl. Infos
Die Zusammenarbeit mit Ani DiFranco auf
The Past Didn’t Go Anywhere und Fellow Workers
machte den Sänger, Dichter und Schriftsteller Utah Phillips auch in Deutschland
einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Zeit seines Lebens trat er als Stimme
für die Gewerkschaft Industrial Workers of the World (IWW) für eine bessere
Welt auf. Kurz vor seinem Tod nach langer schwerer Krankheit im Mai 2008 kamen
Dutzende Künstler zusammen, um ihn mit einer musikalischen Hommage zu ehren,
darunter Emmylou Harris, Mary Black, Tom Paxton, John McCutcheon, Pete Seeger
und auch Ani DiFranco. Auf ihrem Label sind die 39 Interpretationen von
Phillips-Originalen und von ihm oft gesungener Titel jetzt erschienen. Utah
Phillips trug seine Songs in der Regel nur begleitet von akustischer Gitarre
vor. Von der Stimmung der Originale sind auch die meisten der hier
zusammengestellten Songs geprägt. Die Titel umfassen nicht nur die Arbeiter-
und Kampflieder, sondern auch Kinder- und Liebeslieder aus dem Repertoire des
Humanisten Phillips. Zitate, vor allem von ihm selbst, stellen die Stücke im
Booklet in einen politischen oder sozialen Zusammenhang. Der Ani DiFrancos
Instrumentalversion von „The Internationale“ beigefügte Kommentar von Joe Hill
lautet: „Don’t mourne for me. Organize.“ Das hätte auch Utah Phillips gesagt.
Michael Kleff
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STEVE EARLE
Townes
(New West/Blue Rose BLU DP 0482/Soulfood Music Distribution, www.soulfood-music.de
)
Promo-CD, 15 Tracks, 54:13
1997 starb der Sänger, Gitarrist und Songwriter Townes Van Zandt nach langer
Drogenabhängigkeit. Steve Earle blieb dieses Schicksal nach erfolgreicher
Bewältigung seiner Sucht erspart. Mit
Townes
verneigt er sich vor seinem Freund und Vorbild. Unterstützt von Gattin Allison
Moorer (Gesang), Sohn Justin Townes (Gesang, Gitarre), Tim O’Brien (Mandoline)
und Darrell Scott (Banjo, Dobro) und anderen hat Earle neben „Klassikern“ wie
„Pancho & Lefty“, „Mr. Mudd And Mr. Gold“ oder „To Live Is To Fly“ auch
einige weniger bekannte Van-Zandt-Titel eingespielt. Zwar hat er eine ganz
andere Stimme und lässt hier und da seine Liebe für Bluegrass einfließen, doch
bleiben Earles Interpretation von wenigen Ausnahmen abgesehen ziemlich dicht am
Original. Außergewöhnlich sind die Fassung von „Lungs“, bei der Tom Morello von
Rage Against The Machine als Gastgitarrist mit von der Partie ist, oder auch
der Blues „Brand New Companion“, der an den englischen Musiker Duster Bennett
erinnert. Obwohl Van Zandt als einer der ganz großen Singer/Songwriter der USA
gilt, ist sein Name bis heute vor allen Insidern ein Begriff. Steve Earles
Bekanntheitsgrad sollte dazu beitragen, dass ihn dieses wunderbare Album einer
größeren Öffentlichkeit vorstellt.
Michael Kleff
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THE FELICE BROTHERS
Yonder Is The Clock
(Team Love Records TL-39/Indigo, www.indigo.de
)
Promo-CD, 13 Tracks, 54:33
Also sind Kritiker doch zu etwas nütze!? Es war angeblich ein
Mojo-Autor, der die Felice Brothers auf den Straßen New Yorks entdeckte, wo sie in
aller Öffentlichkeit ihren Act zur Reife entwickelten. Es war allerdings
vermutlich ohnehin vor allem eine Frage der Zeit, bis jemand anderes aufgehorcht
hätte, womöglich ja sogar ein Plattenfirmenmitarbeiter. Der
Singer/Songwriter-Folk, den Ian, Simone und James Felice, die drei ältesten
Söhne eines Tischlers aus den Catskill Mountains im Staat New York gemeinsam mit
zwei weiteren alten Freunden pflegen, ist locker kraftvoll genug dafür. Schon
alleine wegen der enormen Aura von Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten
wandernder Bänkelsänger, die sie verbreiten mit ihren weitgehend akustisch
geschrammelten Geschichten um Leben und Tod, Liebe und Verrat und allem was dazu
gehört. Viel getragen geschrammelte Gitarren, archaische Banjos, stoisch den
Raum füllende Akkordeons, ein unaufgeregtes Piano, ein paar Bläser, eine Fiddle.
Das alles durchaus auch im Sound zeitgemäßer Alternative Americana – ein
Brückenschlag aus der Geschichte mitten ins Hier und Jetzt. Und es müsste schon
mit dem Teufel zugehen, wenn nicht auch noch ein gutes Stück darüber hinaus.
Christian Beck
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JIM FORD
The Unissued Capitol Album
(Bear Family BCD 16978 AG, www.bear-family.de
)
10 Tracks, 36:03
The Unissued Paramount Album
(Bear Family BCD 16786 AG, www.bear-family.de
)
10 Tracks, 33:45
Ein fantastischer Fund. Auf Jeb Loy Nichols’ feinen Kompilationen mit Perlen des
Blue-Eyed-Soul der Südstaaten,
Country Got Soul, war auch jeweils ein Song des ominösen Jim Ford vertreten, beide von seinem
einzigen zu Lebzeiten, 1969, veröffentlichten Album
Harlan County. Der von Nick Lowe schwerst verehrte Komponist zahlreicher schöner
Soulballaden, der in den Sechzigerjahren mit und für Bobby Womack schrieb, war
da längst fast völlig in Vergessenheit geraten. L-P Anderson, ein schwedischer
Musikjournalist, spürte Jim Ford vor drei Jahren in einem Trailerpark auf, wo er
noch zahlreiche Demos und Masterbänder gehortet hatte. Wie groß der geborgene
Schatz ist, stellt sich erst nach und nach heraus: Bear Family hat bislang zwei
CDs von Ford veröffentlicht, deren erste auch das komplette
Harlan-County-Album beinhaltet. Und nun folgen zwei weitere Alben mit unveröffentlichten
Aufnahmen für Capitol (1970) und Paramount Records (1973), beide gleichermaßen
voll mit schönsten Country-Soul-Kompositionen, die Ford, wäre die Welt gerecht,
reich und berühmt hätten machen müssen. Die späte Anerkennung hat er noch ein
wenig miterleben können, er starb im November 2007, ein halbes Jahr nach der
ersten (Wieder-)Veröffentlichung. Die vorliegenden Songs hätten auch locker auf
eine einzige CD gepasst, aber bevor man Bear Family grollt, sollte man den
moderaten Preis und die schöne Ausstattung der Digipaks bedenken.
Gunnar Geller
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JORMA KAUKONEN
River Of Time
(Red House Records RHD CD 217/In-akustik, www.in-akustik.com
)
13 Tracks, 49:13, mit engl. Infos
Sein Stimmchen macht nicht mehr jeden Höhenflug mit, wie etwa „Cracks In The
Finish“ vielsagend zeigt. Aber mit 68 hat der Mitbegründer von Jefferson
Airplane und Hot Tuna sein akustisches Folk- und Bluesrepertoire zu einer
musikalischen und emotionalen Strahlkraft aufpoliert, dass ein Schuss
Vergänglichkeit und Brüchigkeit nicht schadet. Von der Spur Melancholie, die der
Mensch über seine Unzulänglichkeiten und Hinfälligkeiten unterwegs erwirbt, ganz
zu schweigen. Kaukonens großes Vorbild Rev. Gary Davis oder Mississippi John
Hurt, die er auch hier wieder interpretiert, wussten von diesen Dingen manch
Liedchen zu singen und zu schreiben – ihr gelehriger Schüler steht ihnen
in beidem nicht nach. Und dann hat er mit dem ihm beim Zupfen und Picken aller
Arten von Saiten womöglich ebenbürtigen Larry Campbell, Lincoln Schleifer
(Bass), Barry Mitterhoff (Mandoline) und sporadischeren Gästen, darunter der
große Levon Helm am Schlagzeug, auch noch die richtige Unterstützung. Die können
sogar Grateful Deads „Operator“, geschrieben vom bereits 1973 verstorbenen
„Pigpen“ McKernan – ein auch in einem durch und durch gefühlvollen Album
noch besonders anrührender Anruf in der Vergangenheit ...
Christian Beck
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BOB MOULD
Life And Times
(Anti 7014-2a/Indigo, www.indigo.de
)
Promo-CD, 10 Tracks, 36:14
Eine Rezension in einem Folkmagazin hätte sich die alte Punklegende Bob Mould
sicherlich auch nicht träumen lassen. Als Kopf von Hüsker Dü brach er alle
Geschwindigkeitsrekorde, mit Sugar zeigte er, welcher Sound Rock am Ring zu
einem guten Festival gemacht hätte. Nun erscheint mit
Life And Times
das neunte Soloalbum des Altmeisters – ein Folkalbum. Zugegeben, auch
hier lärmen die Gitarren kräftig. Und hat man nicht auch schon zu
Hüsker-Dü-Zeiten Melodien vernommen, die auch gut an ein Lagerfeuer gepasst
hätten? So muss man
Life And Times
auch nehmen – als Veröffentlichung eines Manns der Straße, der wie die
Oysterband, die New Model Army oder die Levellers zu sagen hat, was er eben
sagen muss, und dem es herzlich egal ist, wie groß die Bühne ist und wie die
Schublade genannt wird, in die man ihn steckt. Bob Mould ist vielleicht mehr
Folk als manche akustischen Hochleistungsschrauber, er singt von der Straße für
die Straße, ist die Stimme der Arbeiter, unzensiert, ungefiltert und
authentisch. Mit einer viel zu kurzen Spielzeit von etwas über einer halben
Stunde bleibt Bob Mould aber wenigstens in dieser Hinsicht Punk.
Chris Elstrodt
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FOLKER auf Papier
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