FOLKER – Rezensionen

Rezensionen LATEINAMERIKA/SÜDAMERIKA/KARIBIK


ADJABEL
Caribbean Journey

(Iris Music 3001995/Harmonia Mundi HM79, go! www.harmoniamundi.com )
14 Tracks, 54:48, mit franz. Infos

Ein wohlklingender Beweis mehr, dass eines der ärmsten Länder der Erde musikalisch überaus reich ist. Die haitianische Band aus der Pariser Diaspora durchwandert auf einer knapp einstündigen Reise unterschiedlichste afrokaribische Rhythmus- und Gesangstraditionen. Spürbar wird auf Schritt und Tritt die musikalische Nähe zu Benin beziehungsweis Dahome, woher die meisten Sklaven einst in Haiti ankamen. Auch Adjabels viertes Album führt den vor rund fünfzehn Jahren eingeschlagenen Weg einer stark perkussiven, sogenannten „musique racine“ fort, deren urafrikanische und kreolische Roots sich von jeher auch gern im Jazz, Afrobeat, Hip-Hop oder Rhythm and Blues verhaken. Man spart mit Stilen so wenig wie mit Gästen – so gesellen sich zum Quartett noch weitere 17 versierte Musikerfreunde Lied für Lied. Ein jedes von diesen – fast durchweg Vokalstücke – zelebriert einen oder mehrere, meist treibende, bisweilen fast tranceartige Rhythmen, die im Booklet detailliert aufgelistet werden. Mastermind Atissou Loko, Perkussionist/Multiinstrumentalist und Sänger, erfand auch den Bandnamen, eine Kombination aus Adja, einer vor allem mit Benin assoziierten Ethnie, sowie aus Label, der haitianischen Göttin der Liebe.

Katrin Wilke

 

ADJABEL – Caribbean Journey


DIEGO AMADOR
Río De Los Canasteros

(World Village WV468081/Harmonia Mundi, go! www.harmoniamundi.com )
9 Tracks, 43:23, mit engl., span. und franz. Infos

Sevillano Diego Amador gehört zur Handvoll tonangebender Flamencopianisten Spaniens, doch der begnadete Tastenmann macht auch an Gitarre, Bass oder Mandola keine schlechte Figur. Erstaunlich, dass der Gelegenheitssänger erst jetzt auch die erste Stimme übernimmt und sich – siehe da – ebenfalls als passabler cantaor entpuppt. Der 36-jährige Gitano stammt aus einer traditionsreichen Musikerfamilie, ist wie seine älteren Brüder Raimundo und Rafael, einst Köpfe der Flamenco-Blues-Pionierband Pata Negra, mit den Wassern des Flamenco wie des Jazz, Rock und Blues gleichermaßen gewaschen. Das hört man diesem wieder vortrefflich geratenen, selbst produzierten dritten eigenen Album an, das mit traumwandlerischer Sicherheit diverse Flamencostile getragenerer und schnellerer Gangart absolviert. Zu den Mitstreitern gehören auch einige frühere wie aktuelle Begleitmusiker Paco de Lucías wie E-Bassist Carles Benavent, der junge Top-Perkussionist El Piraña, Gitarrist Tomatito oder die cantaora La Susi. Ein Schmankerl nach acht flamencolastigeren Tracks ist der latin-jazzige, neunminütige Rausschmeißer des Albums, den Raimundo Amador mit ein paar swingenden Gitarrenriffs angereichert hat.

Katrin Wilke

 

DIEGO AMADOR – Río De Los Canasteros


DIVERSE
Comfusões 1 – From Angola To Brasil

(Outhere Records OH 12/Indigo, go! www.indigo.de )
12 Tracks, 51:21, mit engl. Infos

Auf dem Kopf der Angolanerin auf dem Cover türmen sich Verstärker, Mischpult, Kabel und Kopfhörer – aber auch ein Pandeiro. Ein schönes Bild für dieses geglückte musikalische Joint Venture zwischen den beiden portugiesischen Ex-Kolonien, kamen hier doch Popsounds aus dem Angola der Sechziger- und Siebzigerjahre, also noch aus der Kolonialzeit, auf die Plattenteller der Elektromeister Brasiliens wie DJ Dolores, Rica Amabis oder Kassin & Berna Ceppas. Überaus betörend und neuartig klingt das Ergebnis, bei dem den soulig-melancholischen, zurückgelehnten Gesängen alter Crooner bequeme elektrifizierte Klamotten maßgeschneidert wurden. Die gern auch zu beschleunigten Grooves neigenden Brasilianer haben dabei genau die richtige Ruhe weg, lassen dem Charme der alten Radioarchivaufnahmen den nötigen Atem und Raum, wobei ein solider Elektrorahmen das Ganze zusammenhält. Nicht immer sind derartige Elektrifizierungsversuche so überzeugend wie dieses Werk unter Federführung von Top-Produzent Maurício Pacheco. Und nicht nur zum sommerlichen Chillen sondern auch zum Tanzen taugen einige, teilweise mit modernen Vocals oder Raps versehene Tracks.

Katrin Wilke

 

DIVERSE – Comfusões 1 – From Angola To Brasil


PHANTOMS
Oxygen

(Lightyear LTY 54854/In-Akustik, go! www.in-akustik.com )
13 Tracks, 76:32, mit Infos

Das Cover dieser astreinen Weltmusikwundertüte aus Haiti wirkt wie von einer schlechten Metalband. Doch Bereits der Opener entwickelt sich vom Disco-Intro schnell zu einer Reggaenummer, um dann afrikanisch zu enden – ganz ohne Stilwechsel und Brüche, als ganz natürliche Entwicklung des Songs. So lernt man nebenbei, wo die Wurzeln der heutigen Top 40 wirklich liegen. Beim zweiten Track ist man dann schon gewarnt: Was als Shakira-Ableger beginnt, wird zur intensiven Soulnummer, um wiederum afrikanisch zu enden. Im dritten Track versucht man dann immerhin eine Zeit lang auf den Spuren Bob Marleys zu wandern, und doch schleichen sich auch hier seltsame Elemente wie eine synthetische Klarinette ein, die einen echten Rasta eher zum Weinen bringen würden. Das tut der spätestens, wenn im zweiten Teil des Stücks echte Boygroup-Qualitäten erbracht werden, die dann kurzfristig zu Gospelgesängen mutieren. Dabei klingt die Kompa-Band so homogen, dass sie beim oberflächlichen Hören glatt am Stück durchgehen würde. Genaueres Hören ermöglicht ausgiebige Entdeckungsreisen, oder man tanzt gleich dazu – Oxygen ist nämlich tanzbar bis zum Schluss und gehört damit definitiv in jeden gut sortierten Weltmusik-DJ-Koffer.

Chris Elstrodt

 

PHANTOMS – Oxygen


RADIOKIJADA
Nuevos Sonidos Afro Peruanos

(Iris Music 3001998/Wrasse Records WRASS 233/Harmonia Mundi, go! www.harmoniamundi.com )
48:12, 11 Tracks, mit span. Texten und engl. Infos

Statt mit gängigen Indio-Panflöten-Klängen macht Peru musikalisch zunehmend mit seinen afrikanisch geprägten charismatischen Rhythmen, Tänzen und Gesängen von sich reden. Die zweihundert Jahre alte Musikkultur des schwarzen Peru, wo bis 1845 Sklavenhandel betrieben wurde, ist bis heute vor allem an der Pazifikküste zu Hause. Von den positiven Auswirkungen der düsteren Historie, deren Folgen die schwarze Minderheitenbevölkerung noch heute spürt, zehren auch der Schweizer Gotan-Project-Mann Christoph H. Müller und der Perkussionist und Komponist Rodolfo Muñoz aus Peru. Von ihrer Wahlheimat Paris aus erforschen sie die Afrotradition, wobei sie offenbar besonderen Gefallen an der Quijada de Burro fanden. Der schnarrend präparierte Eselskiefer, neben der Rhythmuskiste Cajón das markanteste Instrument der afroperuanischen Musik, inspirierte den Projektnamen und wird im Opener des Albums imposant vorgeführt. Die zwei erfahrenen Kreativkräfte gehen – wie ihre Kollegen von der Band Novalima aus Lima – angenehm behutsam und sachkundig mit der Materia Prima um: Die mehrheitlich selbstkomponierten, dezent elektrifizierten und mit namhaften Musikern der Szene umgesetzten Songs muten oft wie Traditionals an.

Katrin Wilke

 

RADIOKIJADA – Nuevos Sonidos Afro Peruanos

Update vom
09.02.2023
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