LABELPORTRÄT
NR. 38/39
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Eastblok Music und Asphalt Tango Records

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Armin Siebert und Alexander Kasparov

Wenn es um Musik aus Osteuropa geht, wird Berlin seiner geografischen Zuständigkeit allmählich gerecht. Nachdem sich Piranha 1999 erstmals Rumänien, später auch Serbien, Kroatien und Albanien zuwandte, wurde im Jahr 2002 der Kulturraum Ost von Asphalt Tango Records erweitert. Polen, Russland, Ungarn und Österreich kamen hinzu. Und nur zwei Jahre später trat mit Eastblok Music ein drittes Berliner Label auf den Plan, das dem Westen den Rücken zukehrt, um nach Osten schauen zu können. Nun wurden auch noch die Ukraine und Italien eingemeindet. Mithin wird von Berlin aus – zumindest musikalisch – ein Gebiet regiert, das nicht nur in etwa die alte Größe von Österreich-Ungarn wieder herstellt, sondern noch darüber hinausgeht. Wenn das der Kaiser wüsste.

Von Luigi Lauer



go! www.asphalt-tango.de



go! www.eastblokmusic.com

Wenn der Name Programm sein soll, dann ist mit Eastblok Music schon einiges gesagt. Fünfzehn Jahre nach dem Ende des Ostblocks war der Anfang für Eastblok, und der klang noch recht traditionell. Eine Aufnahme des Moskauer Kammerchors Peresvet mit russischen Tischliedern wurde Katalognummer 001, und zwei Zusammenstellungen namens BalkanBeats fuhren noch das einschlägig bekannte Gebläse von Bands wie Fanfare Ciocarlia auf – wenn auch äußerst erfolgreich. Doch seit dem Beginn im Herbst 2004 hat sich einiges getan, mit Gruppen wie Leningrad aus Russland, Haydamaky aus der Ukraine, Little Cow aus Ungarn oder Rromatek aus Rumänien hat Eastblok eine deutlich progressivere Richtung eingeschlagen. Dabei waren die beiden Firmengründer Armin Siebert aus Leipzig und Alexander Kasparov aus Moskau vorher mit ganz anderer Musik beschäftigt. Sie saßen, sagt Siebert, in verantwortlichen Positionen des Plattenriesen EMI und koordinierten die Arbeit der osteuropäischen Büros, „deren Aufgabe es eher war, westliche Musik in den Osten zu bringen. EMI hatte in den einzelnen Ostländern Dependancen, und die haben wir mit Robbie Williams, Kylie Minogue und dergleichen beliefert“. Armin Siebert und seinem Kollegen gefiel die Musik aus dem Osten wesentlich besser als Robbie, Kylie und Co., und da es offenkundig ein Interesse dafür gab, schmissen sie kurzerhand ihre Jobs und machten sich selbstständig. Die Musik landete damals quasi automatisch auf ihren Schreibtischen, denn viele kleine Plattenfirmen aus dem Osten erhofften sich, ihrerseits mit EMI ins Geschäft zu kommen. Die aber war nur mäßig interessiert, und so nahm Armin Siebert „alles mit, was an schöner Musik aus dem Osten kam, und davon gab’s reichlich.“

Henry Ernst und Helmut Neumann

Den alten Tagen bei EMI trauert bei Eastblok Music niemand hinterher. Den dicken Fisch hat man zwar bislang noch nicht geangelt, aber der Laden läuft. Der Sprung mit heißer Musik ins kalte Wasser war gewagt, doch es funktioniert. Und auf jeden Fall veröffentlichen die beiden jetzt Musik, hinter der sie auch stehen. Gut ein Dutzend Alben sind es inzwischen, und Musik wird bei Eastblok nicht in erster Linie als Produkt betrachtet: „Wenn eine Musikfirma an die Börse geht und der neue EMI-Chef England ein ehemaliger Flughafen-Dispatcher ist und die EMI-Chefin Deutschland aus der Modebranche kommt – da kann sich jeder selbst sein Bild drauf machen. Musik ist nun mal kein Kühlschrank und hat nichts an der Börse verloren.“

Man muss dem Baby
keinen Namen geben.
Hauptsache, es rockt!

Armin Siebert, Eastblok Music

Übersetzen wir also EMI heute lieber mit „Eastblok Music International“. Was Armin Siebert besonders freut, ist, dass die Anerkennung von Bands wie Haydamaky im Ausland auch zu mehr Interesse und Respekt in der Heimat führt: „Da gibt’s zum Glück ein Feedback, dass es auch zu Hause mehr geschätzt wird, dass der König im eigenen Land dann doch langsam wieder ein bisschen auf den Thron gesetzt wird. Das finde ich sehr schön. Und die entdecken sich neu, ihre Kultur, ihre Sprache, und das ist für die eine unheimliche Bestätigung, wenn wir als Vertreter des großen, reichen Westens sagen, eure Mucke ist so klasse, dass wir die hier veröffentlichen und uns in Konkurrenz stellen zu westlichen Produktionen, ihr könnt da mithalten. Das gibt natürlich wieder ein gutes Selbstbewusstsein, um sich zu Hause noch mehr ihrer Kultur zu stellen, sich dazu zu bekennen und noch schönere Sachen zu produzieren für uns.“ Und ob diese schönen Sachen nun unter „exotisch“, „Balkan“ oder „Weltmusik“ geführt werden, ist Siebert schlicht und ergreifend schnuppe: „Man muss dem Baby keinen Namen geben, Hauptsache, es rockt!“


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