Pete Seeger zum Neunzigsten
„Turn, Turn, Turn“ oder vom KaternbergLiverpoolBeat zum American Folksong!
... es muß um die zeit gewesen sein als ... ich glaub’ zum allerersten mal wurde ich
aufmerksam auf den namen seeger, pete seeger, irgendwann in den sommermonaten
1966, ja, der sommer ’66 war’s ... ich erinnere mich noch ... schnappte von irgendwo
nachrichtenbruchstücke auf, entweder aus tageszeitungausgaben der „WAZ“, die die
eltern abonniert hatten, oder aus dem ständig leise vor sich hindudelnden radio
... altbundeskanzler adenauer auf israelbesuch, maos rote garden auf pekings
straßen, l. b. johnson war US-präsident, das US-raumschiff „gemini 9“ schwirrte
im weltraum herum, konzert der beatles in san francisco, ihr letztes gemeinsames
auftreten ... ob man das damals schon wußte? ... und ich erinnere mich auch der
tränen der enttäuschung über das unglücklich verlorene endspiel der
fußballweltmeisterschaft gegen england im wembley-stadion ... und überall in den
vorstädten des reviers spielten zahllose beatbands sich die finger wund, in
muffigen heizungskellern, lagerschuppen ... dröhnten gitarren, röhrenverstärker,
hämmerten unablässig „negermusikrhythmen“, kreischte ungezogener wortlautbrei,
gesang, rauh und ungeschliffen ... ruhrpottenglisch ... der „beat von der insel“,
aus den englischen arbeitervierteln liverpools, londons war rasch nach
deutschland herübergeschwappt und elektrisierte auch „uns zechenkinder“ ... ja, ja
... „beatmusik“ verschaffte halt den jugendlichen aus der arbeiter- und angehenden
mittelschicht ein eigenes, von dem der „nachkriegselterngeneration“ unabhängiges
lebensgefühl und zugleich „ein bißchen was“ an chance, einer wohlbehütet tristen
wirklichkeit zu entfliehen.
zu jener zeit war ich war ich mit ende dreizehn, anfang vierzehn schüchterner
sänger der vierköpfigen band „the vibration“ (gesang, sologitarre,
rhythmusgitarre und schlagzeug), der man ab und an gestattete, mit ihrem
„fünf-song-programm“ als pausenfüller bei lokalen „tanztees“ aufzutreten ...
england, die docks von liverpool, der „river mersey“ lagen „ferry-across-the
mersey-gefühlt“ ja nur einen steinwurf entfernt, um die nächste straßenecke von
essen-katernberg, gelsenkirchen-horst-hafen, dem rhein-herne-kanal, der
„stinkbrühigen“ emscher ... alles leben spielte sich nahezu ausschließlich im
sozialen mikrokosmos einer überschaubaren, vertrauten stadtteilwelt ab.
Mehr von Roger Matura im Heft!
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Die Kollegen aus Deutschland,
Österreich und der Schweiz gratulieren ...
MIT SEINEM SANFTEN LÄCHELN
gelang es ihm stets das Unrecht der Welt zu attackieren! Seine Lieder sind
keine Beweise von Macht oder Wahrheit. Sie sind Gebrauchsgegenstände. Wie
Volkslieder. Mit ihnen gelang es, utopische Gesellschaften zu gründen,
zumindest für die Länge eines Liedes. Aber danach war die Welt eine andere. Er
wurde belächelt, verhöhnt, bedrängt. Er blieb sich treu. Ein dünner Körper, ein
langer Hals, ein Banjo, eine Stimme, die den Kopf bewegt. Ich verneige mich vor
ihm.
Wenzel
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EIN LEBEN IM STÄNDIGEN KAMPF
gegen Krieg, Ungerechtigkeit, vor allem gegenüber dem Proletariat. Er ermahnte
auch amerikanische Präsidenten, zu wenig für die armen und benachteiligten
Menschen in ihrem Land zu tun. Die Kraft seiner Lieder hat mir und meiner
Generation Mut gemacht, gegen alles Unrecht in der Welt zu kämpfen und zu
demonstrieren. Lieder wie „We Shall Overcome“, „If I Had A Hammer“ oder „Where
Have All The Flowers Gone“ waren ständig gesungene Lieder auf Demonstrationen
gegen den Vietnamkrieg, die Notstandsgesetze, für die Frauenrechte, gegen
Fremdenfeindlichkeit, gegen die immer noch vorhandenen Nazistrukturen und, und,
und! Ganz besonders berührt hat mich „Sag mir wo die Blumen sind“. Ich habe
meinen Vater nie kennengelernt, meine Mutter ist auf der Flucht mit meinen
Brüdern und mir vergewaltigt worden. Wie sinnlos war und ist das alles! Wie
viele Menschen haben bis heute nichts, aber auch gar nichts dazugelernt. Dieses
Lied ist so aktuell, dass man es hoffentlich noch ganz lange singt zur Mahnung
an die ewig Uneinsichtigen. Danke Pete Seeger und herzlichen Glückwunsch,
all the best
Der Black
IN DEN FRÜHEN SECHZIGERN SPIELTE ICH IN DEN NIEDERLANDEN
in einer Folk- und Skiffle-Band. Die Inspirationsquellen waren Leute wie Woody
Guthrie und Leadbelly. Durch Pete Seeger war uns der Begriff Hootenanny
bekannt, und wir hatten „We Shall Overcome“ im Repertoire. Ich erinnere mich
sehr gut an eine Fernsehsendung aus Uppsala, Schweden, 1964, in der Pete Seeger
im Rahmen einer ökumenischen Kirchenkonferenz aufgetreten ist. Seine positive
Ausstrahlung war sehr beeindruckend, und er wusste sein Publikum mit relevanten
Songs, die unter die Haut gingen, zu begeistern. Ein faszinierendes und
prägendes Erlebnis. Pete spielte auch eine zwölfsaitige Gitarre – für
mich damals ein exotisches Instrument. Daraufhin kauften wir für unsere Band
die erste Twelve-String, die in unserer Gegend je gesichtet wurde – eine
EKO für achtzig Gulden.
Hans Theessink
LIEBEND GERN WÄRE ICH DABEI!
Zum Beispiel mit meiner Übersetzung (oder Umdichtung) von „God Bless The
Grass“, ein Lied, das ich auch selber sehr gern singe, und zwar mit Orchester
– mit meinem KunstSalonOrchester. Hier ist es:
Gott segne das Gras (Übersetzung: Klaus der Geiger, Dezember 2002)
'Eeschte Mai - Chikago 1886'
Zeichnung Rolly Brings
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Gott segne das Gras, wo immer es wächst,
von Schotter oder Asphalt überdeckt.
Asphalt gibt nach und Schotter zerbricht.
Das Gras kommt durch und wächst ans Licht:
Gott segne das Gras.
Gott segne die Wahrheit auf dem Weg zum Licht,
durch Lügen gefesselt, man sieht sie fast nicht.
Doch sie wächst wie Gras auch tief im Grund
und kommt ans Licht und macht uns gesund.
Gott segne das Gras.
Gott segne das Gras, das Mauern zerbricht,
so grün und zart fällt’s nicht ins Gewicht.
Doch dauert’s nicht lang und es richtet sich ein,
lebendiges Gras im toten Gestein.
Gott segne das Gras.
Weiter mit dem Lied von Klaus, dem Geiger,
und vielen anderen Glückwünschen im Heft!
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