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Wenzel, Darnell Summers und Ferhat Tunç

DERSIM ODER DER SINN DER VOLKSMUSIK
MIT FERHAT TUNÇ BEIM MUNZUR-FESTIVAL

Von Hans-Eckardt Wenzel

Ferhat hatte mich zum Festival eingeladen. „Du wirst danach sagen, dass du aus Dersim stammst, wenn du einmal mit uns dort warst!“, hatte er prophezeit. Am Abend meiner Ankunft in Istanbul saßen wir auf der Terrasse seines Hauses und sangen uns Lieder vor. Volkslieder. Ich packte mein Akkordeon aus. Ich hatte einige seiner Songs aus dem Kurdischen ins Deutsche übertragen.Er spielte die Saz.

Ferhat Tunç und Wenzel

Ferhat ist ihr Sänger.
Er ist ihre Stimme.
Die Stimme seines Volkes.

Welch eigensinnige Melange zog da durch den Sommerabend. Wir sprachen über den Unsinn der Welt und sangen wieder, um uns ihm nicht geschlagen geben zu müssen. Wenige Tage zuvor hatte es einen Terroranschlag gegeben. Der Schreck saß tief. Die Bilder der Toten und Verletzten leuchteten bis in die Träume. Man verlautbarte inoffiziell, dass es sich um eine Aktion der PKK handeln würde. „Das ist doch Unsinn, oder? Was meinst du?“, fragte ich. „Ja, das ist, hoffe ich, Unsinn!“, antwortete Ferhat. Er spricht ein gutes Deutsch, mit dem leicht erkennbaren türkischen Akzent. Er versteht die Feinheiten. Worüber reden Kollegen, wenn sie im warmen Sommerabend sitzen? In Deutschland meistens über das Geld. In der Türkei meistens über Politik. Die Furcht vor einem Militärputsch war gegenwärtig. Ferhat sprach ernst. Nur wenn wir über Musik sprachen, lächelte er. In diesem Spannungsfeld lebten wir, hatten eine Woche mit den Musikern seiner Band in Istanbul geprobt. Dann waren wir aufgebrochen in die verdrängte Welt, an den Rand unserer Wahrnehmungen. Ins Kurdengebiet, wie die Nachrichtensender es nennen.


Dieser Text ist ein Vorabdruck von Teilen eines Essays von Hans-Eckardt Wenzel. Das Munzur-Festival fand vom 31.7-3.8.2008 in Tunceli statt. Dersim ist der alte Name der heutigen Provinz Tunceli.


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