„GIBT ES DENN SO ETWAS ÜBERHAUPT?“
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1975 erschien eine äußerst erfolgreiche Doppel-LP unter dem Titel Acoustic Guitar Scene aufgenommen im Tonstudio des legendären Conny Plank. Darauf wurden die wichtigsten Vertreter der sogenannten „Fingerstyle“-Gitarre vorgestellt, unter anderem Klaus Weiland, Wizz Jones, Werner Lämmerhirt, Peter Bursch. Wollte man ein ähnliches Unterfangen heute noch einmal starten, wäre vermutlich eine 20-CD-Kompilation nötig, um auch nur ansatzweise zu dokumentieren, wer heutzutage alleine in Deutschland sein gitarristisches (Un-)Wesen treibt. Als ich einem befreundeten Gitarrenlehrer von der Absicht erzählte einen Artikel, über die deutsche Akustikgitarristenszene zu schreiben, schaute der mich groß an und fragte ganz ernst: „Gibt es denn so etwas überhaupt?“ Die Frage ist wohl nicht ganz unberechtigt, wenn schon ein Fachmann ins Nachdenken kommt. Den meisten Musikkonsumenten wird das kaum bewusst sein – die Gitarre als solistisches Instrument und das unter Umständen einen ganzen Konzertabend lang. Songwriter, die sich mehr oder minder gut auf der Klampfe begleiten, natürlich, das kennt man. Aber „Fingerstyle“-Gitarre? Was ist das eigentlich? Welche Art von Musik ist damit gemeint? Wer macht denn so etwas? Und, ist man sehr ehrlich, müsste man noch hinterherfragen: wer hört sich das denn an? Die schlichte Antwort lautet: vorwiegend Gitarristen. Schauen sie den Männern im Publikum auf die rechte Hand und sie werden verdächtig lange Fingernägel entdecken.
Von Rolf Beydemüller
Die Gitarre ist vermutlich das populärste Instrument überhaupt. Kaum jemand, der nicht wenigstens drei oder vier Akkorde in seinem Leben gelernt hätte. Kaum ein Haushalt, der nicht über einen dieser beliebten Sechssaiter verfügte. Verfolgt man die Fülle an CD-Neuerscheinungen auf diesem speziellen Sektor Musik, staunt man über die ständig wachsende Zahl neuer Namen. Man könnte sicherlich ein Buch im Gelbe-Seiten-Format erstellen. Aber wem wäre damit gedient? Also nähern wir uns der unvermeidlichen und unangenehmen Frage: Wer in dieser ganzen Heerschar von Saitenmenschen ist erwähnenswert? Und warum? Denn das muss gleich vorneweg gesagt werden: Technisch brillante Instrumentalisten gibt es viele. Sie tappen, klopfen, grooven, schütteln und walken ihr Werkzeug mit erstaunlicher Perfektion und sind manchmal kaum dem Kindergartenalter entwachsen. Gerade die Gitarre, so scheint es heute (oder war das schon immer so?) ist ein Instrument für Technikbesessene, Flitzefinger und Zauberkünstler. Jeder „innovative“ Künstler versucht mittlerweile, der Gitarre durch alternative, „abgedrehte“ Stimmungen (der Gitarrist sagt „Tunings“) neue Klangräume zu eröffnen. Albenweise Schönklang, stimmungsvolle Arpeggien und warme Akkordfolgen. Aber häufig auch nicht viel mehr. Nun gut, die Auswahl wird subjektiv und ungerecht werden. Es werden Namen fehlen, und das geht gar nicht anders.
„Fingerstylegitarre: Hochindividuelle, leicht- und schwerverdauliche Mixturen aus allem, was gefällt.“ |
Den größten Hit der deutschen Akustikgitarrenszene lieferte weiland der Klaus mit dem „Loch in der Banane“, dem legendären NDR-Pausenmusikstückchen. Das ist nachher niemandem mehr gelungen, dass ein Instrumentalstück so populär wird, dass fast jeder sagen kann: „Das habe ich schon einmal gehört.“ Aber wenn es auch keine Hitlieferanten mehr gibt, so doch sehr eigene, kreative Köpfe und Hände.
Einer der allerwichtigsten Vertreter der gegenwärtigen Szene und das gleich aus vielerlei Gründen ist gleichzeitig einer derjenigen, die schon am längsten dabei sind: Peter Finger. An diesem Namen kommt hierzulande kein Gitarrist vorbei. Als Veranstalter des jährlichen Open Strings Festivals in seiner Heimatstadt Osnabrück. Als Labelchef von Acoustic Music Records (AMR), dem deutschen Gitarrenmusiklabel, was man ohne Übertreibung behaupten kann. Blättert man den AMR-Katalog durch, stolpert man automatisch über die wichtigsten Namen und Vertreter der Szene, und zwar national wie international. Als Herausgeber von Akustik Gitarre , der einzigen deutschsprachigen Zeitschrift, die sich nur mit der akustischen Gitarre beschäftigt. Als Leiter von Workshops. Als Inhaber eines Gitarrenladens und eines Notenverlages. Und natürlich nicht zu vergessen: als einer der interessantesten Fingerstylegitarristen überhaupt mit einer großen Liebe für die Impressionisten Debussy und Ravel, die seinem kompositorischen Schaffen der letzten Jahre eine besondere Farbe verliehen haben.
Und so wenig Veranlassung es gibt, bei der Nennung des Namens Peter Finger in Nostalgie zu verfallen, weil er eben auch heute nach wie vor „aktuell“ ist, so sehr ist es auch anderen Künstlern gelungen, über Jahrzehnte hinweg aktiv den Ton der akustischen Gitarre in die weite Welt zu tragen. Zum Beispiel Werner Lämmerhirt, wenn auch sicherlich heutzutage nicht sehr innovativ, so doch mehr als nur ein Fossil aus beseelten Folkietagen. Er tourt weiterhin unablässig durch die deutschen Lande. Ebenso ist Deutschlands Gitarrenlehrer Nummer eins, Peter Bursch, immer wieder auf Festivals und Workshops zu finden.
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Dies hier ist nur ein Auszug des Original-Artikels der Print-Ausgabe! |
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