PLATTENPROJEKTE |
Es gibt DVDs, CDs und spezielle Serien, die sich den herkömmlichen Kriterien einer Rezension entziehen. Gerade in einer Zeit, in der Tonträger preiswert produziert werden können, die Menge an Veröffentlichungen inflationär ist und gleichzeitig die Bedeutung des CD-Konzepts angesichts neuer verfügbarer Medien mehr und mehr in Frage gestellt zu werden scheint, sind anspruchsvolle Serien besonders wichtig. Engagierte Vorhaben, ganz gleich ob tatsächliche oder angebliche, müssen sich mit strengeren Maßstäben messen lassen als zum Beispiel eine ordinäre Kompilation.
Revival Re:Masters |
In diesem Heft schreibt Mike Kamp über die 18 CDs umfassende Reihe
Von Haus aus war und ist er eher Konzertina-Freak, der Neil Wayne, und als solcher wollte er damals einfach nur ein wenig für die Verbreitung seines Lieblingsinstrumentes tun. Das geschah mit Rundbriefen und einem LP-/Kassettenversand für die Zieh- und Drückfraktion. Daraus entstand das Label Free Reed, in den Siebzigerjahren eines der interessantesten des britischen Folkrevivals, mit einer Mischung aus neuen und etablierten Künstlern. Irgendwann legte Neil Wayne dann mal eine längere Verschnaufpause ein, nur um wie Phönix aus der Asche in diesem Jahrhundert die Folkwelt mit üppigen CD-Boxen zu Ehren englischer Künstler wie Martin Carthy oder Fairport Convention zu verwöhnen.
Die Masterbänder der LPs aus den Siebzigerjahren waren aber noch in Waynes Besitz, und das ließ einen Überzeugungstäter wie ihn nicht ruhen. Tiefgründige Marktanalysen und zögerliches Handeln sind nicht die Markenzeichen Neil Waynes. Was er aus seinem Bauch heraus gut und richtig findet, das macht er, und er macht es mit hundert Prozent Einsatz. Mit anderen Worten: Alles oder nichts. Für seine Wiederveröffentlichungspläne galt ganz klar: Alles! Ein wenig streiten sich die Archivare der Folkmusik, ob es damals tatsächlich 25 LPs waren, aber das ist sekundär. Unter diesen Vinylscheiben befanden sich einige Meilensteine des reiferen englischen Folkrevivals. Allen voran „the one and only ballad opera“, Peter Bellamys The Transports , die Geschichte einer Verbannung nach Australien wegen eines nicht wirklich nachgewiesenen und ohnehin banalen Diebstahls, gesungen und gespielt von der damaligen Creme der Szene wie den Watersons, Nic Jones, Dave Swarbrick, A. L. Lloyd, Martin Carthy oder Cyril Tawney. Ebenso beeindruckend, wenn auch auf etwas andere Art und Weise, war The Tale Of Ale , damals ebenso eine Doppel-LP mit etwa fünfzig Songs, die das positive und negative Verhältnis der Engländer zu ihrem Bier beschrieben. Durch eine ebenfalls hochkarätige Besetzungsliste war das nicht nur ein Leckerbissen für die Freunde des Gerstensaftes. Ein weiterer Höhepunkt für meine Ohren damals war die LP der Gebrüder Dransfield Popular To Contrary Belief mit ihren unglaublich engen Gesangsharmonien. Und auch mir war entfallen, dass die ausgesprochen eingängige LP des Songwriters Bernie Parry Sailing To The Moon vor zirka dreißig Jahren tatsächlich von einem gewissen Allan Taylor produziert wurde.
Das sind nur vier der 18 CDs aus dieser verdienstvollen Serie. Zum „Rest“ zählen zweimal die Old Swan Band, Pioniere der englischen Tanzmusik, und zweimal das Akkordeon-Ass John Kirkpatrick, einmal solo und einmal mit Plain Capers , einem Album mit Morris-Tunes aus den Cotswolds. Die anderen LPs stammten von Künstlern, die hierzulande weniger bekannt sind (abgesehen von den Feldaufnahmen mit dem Iren Micho Russell), was aber der Qualität absolut keinen Abbruch tut. Achtzehnmal erfreuliche Musik, wenn auch wahrscheinlich die zwei, drei CDs mit Feldaufnahmen und die eine Hardcore-CD Masters Of The Concertina nicht unbedingt für uns alle geeignet sein mögen.
|
|
|
|
Interesse? Dann brauchst Du die
Zeitschrift! |
Mehr über Free Reed Revival
|