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GASTSPIELSPEZIAL

Am 4. November wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Michael Kleff hat für das Gastspiel mehrere US-Künstler gefragt, wie es ihrer Ansicht nach am Vorabend der von einer Mehrheit an Amerikanern als Schicksalswahl angesehenen Entscheidung zwischen John McCain und Barack Obama um ihre Nation bestellt ist.

Anti-Flag

Anti-Flag

Anti-Flag sind eine der erfolgreichsten Punkbands in den USA. Mit ihren Songs üben sie schon seit Jahren Systemkritik im Viervierteltakt. Mit einem neuen Anti-Flag-Album bekommt man immer eine gehörige Portion Politik geboten. Wobei die Band nicht nur leere Worthülsen schwingt. Aktiv arbeiten die Musiker mit Amnesty International oder der amerikanischen Bürgerrechtsvereinigung ACLU zusammen. Sie setzen sich ein für eine bessere Gesundheitsversorgung, gegen den Krieg im Irak oder für die Freilassung politischer Gefangener.

„Unsere Nation befindet sich in einem schrecklichen Zustand. Wir haben ein Regime an der Macht, das Folter okay findet. Die Bürgerrechte sind massiv eingeschränkt worden, und die Privatsphäre der Menschen ist nicht mehr geschützt. Wir führen wie ein Imperium Angriffskriege. Die Grenze zwischen einem von der Politik und einem von Großindustrie und Kapital regierten Staat ist überschritten. Man muss von einer Herrschaft der Konzerne sprechen. Das ist keine Demokratie mehr. Wir wollen ja keine Zyniker sein, die sagen, es mache keinen Sinn, sich zu engagieren und zu kämpfen. Die Wahl von Bush hat gezeigt, dass die Dinge noch schlimmer sein können als man sich das in seinen ärgsten Befürchtungen vorgestellt hat. Es bleibt zu hoffen, dass seine Nachfolger bessere Entscheidungen treffen. Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch weiterhin für unsere Ziele kämpfen müssen. Im Zuge dieses Kampfes wird die Welt früher oder später erkennen, dass es besser ist, wenn wir keine Bomben werfen, sondern den Menschen Nahrung geben, ihnen eine Gesundheitsversorgung anbieten sowie sie ihr eigenes Leben leben lassen, und nicht eines, das wir ihnen vorschreiben.

Justin Sane

go! www.anti-flag.com

Aktuelle CD
The Bright Lights Of America (Red Ink/SonyBMG, 2008)


Ani DiFranco

Ani DiFranco

Kurz nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York vor sieben Jahren veröffentlichte Ani DiFranco mit „Self Evident“ eine Art vertontes Gedicht, in dem sie hörbar zornig den Zustand ihres Landes beklagte und bei aller Trauer und Verständnis für die Opfer feststellte, dass erstens Bush nicht ihr Präsident sei, dass zweitens die Vereinigten Staaten keine Demokratie seien und dass man drittens nicht alles glauben dürfe, was die Medien verbreiten.

„Ich bin immer noch ziemlich frustriert über die Massenmedien. Wir haben in den USA eine traurige Schafsherdenmentalität entwickelt. In anderen Ländern fragen die Medien viel mehr nach als hier. Das ist ein Grund dafür, dass wir als Volk nicht richtig informiert sind. Meine Hauptbotschaft lautet: Lasst euch registrieren, geht wählen! So viele Menschen in den USA nehmen am politischen Geschehen überhaupt nicht teil. Vor allem junge Menschen, Randgruppen, die Schwarzen – überhaupt alle, die sich zu Recht von unserer Regierung allein gelassen fühlen. Es ist an der Zeit, diesen Leuten zu sagen: Ihr habt dieses Mal eine Wahl. Zur berechtigten Kritik am politischen Prozess in unserem Land gehört, dass es in der jüngsten Vergangenheit kaum Unterschiede zwischen den Parteien und Kandidaten gab. Sie sind alle Huren der Konzerne. Bei dieser Präsidentschaftswahl unterscheiden sich die Kandidaten in ihrer Philosophie, ihrem Programm, ihrer Persönlichkeit und ihrem Charakter. Dieses Mal muss die amerikanische Bevölkerung sich ihrer Verantwortung stellen. Sie muss nicht nur gegenüber unserem Land, sondern gegenüber der Welt Verantwortung zeigen. Ich sage meinem Publikum nicht, wen sie wählen sollen. Ich frage nur: Seid ihr registriert? Geht ihr wählen? Zwar ist der größte Teil meines jugendlichen Publikums sehr progressiv. Das heißt aber nicht unbedingt, dass sie auch zur Wahl gehen. Das spreche ich an.

go! www.righteousbabe.com

Aktuelle CD:
Red Letter Year (Righteous Babe Records, 2008)


John Mellencamp

John Mellencamp

In seinem Schaffen setzt sich John Mellencamp immer wieder mit den Problemen der Menschen im Mittleren Westen und im Süden der USA auseinander. 1985 gründete er mit Neil Young und Willie Nelson Farm Aid, eine Organisation, die sich für die kleinen Farmer des Landes einsetzt. Vor vier Jahren engagierte sich der Musiker im Präsidentschafts-, in diesem Jahr im Nominierungswahlkampf innerhalb der Demokraten für John Edwards, und er war mit Bruce Springsteen bei der „Vote-for-Change“-Tour unterwegs, um die Wiederwahl von George Bush zu verhindern.

„Ich fasse mir die ganze Zeit schon an den Kopf, warum die Leute im Mittleren Westen und im Süden immer gegen ihre eigenen Interessen stimmen. Offensichtlich gibt es Themen, die ihnen wichtiger erscheinen. Wie die Homosexuellenehe oder Abtreibung. Wenn es dann um die Finanzen geht, scheinen die Menschen schlicht zu ignorieren, dass ihre Existenz auf dem Spiel steht. Alle sind gegen Steuererhöhungen, aber niemand scheint zu bemerken, dass sie Leute wählen, die Steuererhöhungen auf anderem Weg herbeiführen: durch höhere Benzinpreise, höhere Zinsen, Inflation, keine Krankenversicherung. Sie können eins und eins nicht zusammenzählen und rufen nur laut: Ich will keine höheren Steuern bezahlen! Ich begreife es einfach nicht.

go! www.mellencamp.com
Aktuelle CD:
Life Death Love And Freedom (Hear Music, 2008)

Barry McGuire

Barry McGuire

Unter dem Motto „Trippin the 60’s“ war Barry McGuire im August in Deutschland auf Tour. Gemeinsam mit dem Ex-Byrds-Musiker John York präsentierte er Anekdoten und Erinnerungen aus den Jahren der Flowerpower- und Protestbewegung. McGuire machte P. F. Sloans Song „Eve Of Destruction“ 1965 zur Hymne der Vietnamkriegsgegner in aller Welt.

„In politischer und sozialer Hinsicht haben wir massiv Freiheiten verloren. Die Vereinigten Staaten haben sich ganz legal zu einer von der Polizei regierten Gesellschaft entwickelt. So war es noch nie. Wer dafür verantwortlich ist? Bush? Für mich hat das Amt des Präsidenten so viel Bedeutung wie die Verzierung auf der Kühlerhaube eines Autos. Alle vier Jahre geben wir Millionen von Dollar aus, um eine neue Verzierung zu wählen. Das hat aber nichts damit zu tun, wie das Land regiert wird. Der Motor, das Getriebe und die Reifen, das alles hat mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten nichts zu tun. Wir wissen auch nicht, wer eigentlich hinter dem Steuer sitzt. Wer kontrolliert die US-Notenbank, die ja noch nicht einmal Teil der Regierung ist? Das ist ein privater Bankkonzern. Derjenige, der über die Zinsen entscheidet, kontrolliert die amerikanische Wirtschaft. Gut, der Präsident ernennt den Chef der Notenbank. Aber wo kommt der her? Woher bekommt er seine Anweisungen? Bestimmt nicht vom Präsidenten – und auch nicht vom Senat oder vom Kongress. Sie alle sind für mich nicht mehr als ein Zirkus. In der Zwischenzeit bewegt sich die Maschine unaufhaltsam auf ihr Ziel zu. Und ich bin sicher sie haben eins.

go! www.barrymcguire.com


Jackson Browne

Jackson Browne

Vor allem in der Umweltschutz- und Antikernkraftbewegung hat sich Jackson Browne in der Vergangenheit engagiert. So trat er bereits Ende der Siebzigerjahre mit Bonnie Raitt und Graham Nash für Musicians United For Safe Energy (MUSE) auf. Im aktuellen Wahlkampf verklagte er den republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain wegen Copyrightverletzung. Die Republikanische Partei in Ohio hatte Brownes Song „Running On Empty“ für einen Werbespot benutzt, der sich über Barack Obama lustig macht.

„Dieses System arbeitet wie eine Art Zweizylindermotor. Die Republikaner ruinieren die Wirtschaft. Die Demokraten müssen sie wieder aus dem Dreck holen. In dieser Lage befinden wir uns gerade wieder. So war es auch, als Clinton ins Amt kam. Wobei er sich allerdings in seiner Politik in vielen Bereichen nicht von den Republikanern unterschied. Es wird viele und harte Kämpfe kosten, um die erfolgte Vermögensumverteilung rückgängig machen zu können. Seit Reagan hat man die Strukturen grundsätzlich verändert. Die Mittelklasse wurde im Vergleich zu den Reichen dieses Landes völlig unverhältnismäßig besteuert. Das Problem ist, dass dieses Land von seiner Unterhaltungsindustrie verdummt wird. Alles, auch die Nachrichten, werden als eine Art Unterhaltung präsentiert. Und die Medien? Der Journalismus verkriecht sich aus Angst. Das hat ganz einfach damit zu tun, dass die meisten Zeitungen und Fernsehstationen mit der Regierung im Gleichschritt marschieren. Wenn du zum Beispiel die falschen Fragen stellst, fliegst du sofort aus der Pressekonferenz im Weißen Haus. Die Botschaft an Journalisten und an die Öffentlichkeit lautet: Wenn du dich uns in den Weg stellst, dann bezahlst du dafür. Wenn du in diesem Geschäft arbeiten willst, gibt es bestimmte Grenzen, die du nicht überschreiten darfst.

go! www.jacksonbrowne.com

Aktuelle CD:
Time The Conqueror
(Inside Recordings/ADA, 2008)


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Mehr über das Gastspiel
im Folker! 6/2008