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Ein Singer/Songwriter-Staat mit schlechtem Radioempfang

ERNST MOLDEN

& SZENE ÖSTERREICH

Eine starke Musiklandschaft und ihre Nöte

Gruppe Gutzeit
Aktuelle CDs:
Georg Breinschmid, Wien bleibt Krk
  (Zappel Music/Extraplatte, 2008)
Faschings Kuchlradio, Renitent Evil
  (Rauschfrei Records, 2008)
Hubert von Goisern, S’Nix
  (Lawine/Sony BMG, 2008)
Gustav, Verlass die Stadt
  (Chicks On Speed Records, 2008)

      SABINA HANK & WILLI RESETARITS – Abendlieder

Sabina Hank & Willi Resetarits,
  Abendlieder - Live @ Oval
  (Universal Austria, 2008)
Florian Kargl, Freischwimma
  (Eigenverlag, 2008)
Miksch und die Koda Komisch Kombo,
  König der Kröten
  (Phonotop Records, 2008)
Ernst Molden, Wien/Foan
  (Monkey Music, 2008)
Thomas Raab, Bekenntnis
  (Gab Music/Edel, 2008)
Tini Trampler und die dreckige Combo,
  Der Vogel (Extraplatte, 2008)
Christian Wirlitsch, Rosen für die
  Arbeitslosen
(Hoanzl, 2008)

go! www.sos-musikland.at
go! www.ernstmolden.at

Die begabten österreichischen Musiker
werden weiterhin Musik machen, selbst
wenn man es ihnen so schwer macht wie
gerade jetzt. Die charakterfreien
Sender indes könnten eines Tages auf
der Strecke bleiben.

Ernst Molden

Wenn man sich in Österreich quer durch die Radiolandschaft hört, nährt sich der Verdacht, es fehle dem Alpenstaat eine eigene musikalische Identität. Dem ist natürlich nicht so. Dieser unrühmliche Zustand führte vor Kurzem zur Gründung der Vereinigung „Musikcharta Österreich – Initiative österreichische Radioquote“. Das Anliegen ist nicht neu, diesbezügliche Diskussionen gibt es seit mindestens einer Dekade. So sagte zum Beispiel Georg Danzer schon vor Jahren zu diesem Thema: „Das Hauptproblem bleibt nach wie vor, dass wir nicht wirklich stolz sind auf unsere eigenen Leute. Wir machen sie nieder. Selbst wenn sie in Amerika die Nummer eins sind, werden sie daheim sicherheitshalber und aus Neid zugeschissen.“

Von Manfred Horak

Gustav alias Eva Jantschitsch
Thomas Raab

Auf Ö3, dem Programm mit der größten Reichweite, stammt nur jeder 18. Tonträger aus dem eigenen Land. Radio Wien sendet genauso wenig, und der Kultursender Ö1 berücksichtigt hier lebende Komponisten Ernster Musik mit 5,8 Prozent. Europäische Radios senden im Durchschnitt rund vierzig Prozent Musik aus dem eigenen Land. „Als Vergleichsbasis und Messlatte soll in Hinkunft ganz selbstverständlich die gesamteuropäische Kultur- und Medienlandschaft dienen und deren Durchschnittswert für lokales Musikrepertoire in den jeweiligen lokalen Radiosendern“, so Peter Paul Skrepek, Präsident der österreichischen Musikergewerkschaft. „Wir sind zuversichtlich, sofern der ORF und die Politik ihren Auftrag ernst nehmen, diese Werte innerhalb von drei Jahren zu erreichen. Denn wer will schon unterdurchschnittlich sein?“ Unterdurchschnittlich sind übrigens auch die Lebensverhältnisse vieler Künstlerinnen und Künstler in Österreich. Eine vom Bildungsministerium in Auftrag gegebene Studie zu ihrer sozialen Lage brachte zutage, dass 37 Prozent der Kunstschaffenden im Land unter der Armutsgrenze leben.

Thomas Raab – zurzeit mit dem Lied „Sonnenaufgang“ aus dem Album Bekenntnis in der Liederbestenliste vertreten – meint: „Nüchtern betrachtet, braucht es für ein ‚Ja‘ der Programmmacher zu der in Österreich produzierten hervorragenden Musik weder Mitleid noch ein schlechtes Gewissen, nicht einmal Emotionen. Für dieses ‚Ja‘ braucht es wertfreien, geschmacksneutralen Verstand. Mehr Präsenz heimischer Musikschaffender auf allen medialen Ebenen bedeutet: Wahrnehmung durch die Menschen, eine Steigerung der Wertschätzung gegenüber der eigenen kulturellen Identität, selbstredend ein Plus im Umsatz jeder mit Musikproduktion und -vermarktung verknüpften Branche, Arbeitsplätze und Wachstum, bedeutet also ein Plus für das eigene Land auf allen Linien. Diese simple Rechnung schafft ein Grundschüler.“ Was allerdings nicht einheitlich gefordert wird, ist eine Zwangsquote, vielmehr wird prinzipiell höhere Qualität und ein „Raus aus dem Einheitsbrei der Formatradios“ verlangt.

Selbst wenn sie in Amerika
die Nummer eins sind, werden
sie daheim sicherheitshalber
und aus Neid zugeschissen.

Georg Danzer

Sabina Hank – sie veröffentlichte soeben gemeinsam mit Willi Resetarits das Album Abendlieder mit Vertonungen von Texten von Jura Soyfer und H. C. Artmann – fragt: „Wie sollen Frau und Herr Österreicher jemals von all diesen wirklich wunderbar verborgen liegenden Schätzen erfahren und in den Genuss kommen, diese zu hören, wenn der ORF nicht an die eigenen Kunstschaffenden und deren Qualität glaubt? Woher kommt dieses mangelnde Selbstbewusstsein? Es wäre schön, wenn wir uns nicht mehr als Bittsteller fühlen müssten. Falco oder Joe Zawinul müssen keine Einzelfälle bleiben: Wir sind da. Wir haben viel zu sagen. Und wir wollen endlich gehört werden.“Wer ist nun dieses „Wir“, von dem Sabina Hank spricht? Und hat dieses „Wir“ tatsächlich „viel zu sagen“?


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im Folker! 6/2008