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Lieder ohne Noten

GRUPPE GUTZEIT

„Armuts- und Unmuts-Country“

Gruppe Gutzeit

Gruppe Gutzeit – Die Mitspieler
Peter Gutzeit
ist vielen vielleicht noch bekannt als Mitglied der Skifflegruppe Peter, Paul & Barmbek. Nach zirka tausend Auftritten in vier Jahren stieg er erst einmal aus, machte Familienpause und arbeitete bei allerlei Presseprodukten, war z.B. Dieter Rentzsch, Akkordeon, ex VSOP (die irische Musik, Mittelaltermusik und – sehr hamburgisch – Piratenmusik spielten), kam Ende der Sechzigerjahre zur Musik, als er in einem bulgarischen Workcamp als einziger Westdeutscher Rotfrontliede Maria Rothfuchs, Kontrabass, ist außerdem tätig beim Duo Invitation, als Musikdozentin und in musikalischen Zusammenhängen in der autonomen Frauenszene.
Peter Horn
, Saxofon und Gitarre, spielt auch bei Red Amaryllis, Abwärts und Fish for Fish (interessant für Krimifans: Das ist die Lieblingsgruppe von Frank Göhre).
Wolfgang Helbsing
, Schlagzeug, hat außerdem ein eigenes Tonstudio und scherzt gern darüber, dass die Gruppe ihn vor allem deshalb haben wollte (was die anderen natürlich energisch abstreiten).

go! www.gruppegutzeit.de

„Folxmusik“ steht auf der Homepage der Gruppe Gutzeit. Klingt schön, sagt aber nicht so viel – und im Gespräch liefern die Musiker viel bildhaftere Beschreibungen ihres Stils: „Armuts- und Unmuts-Country“, das überzeugt. „Gebrauchsmusik“ ist eine weitere Eigenbezeichnung, den Begriff „politische Musik“ möchten sie nicht hören. „Das gibt ein Degenhardt-Gefühl“, das sie also nicht erzeugen wollen. Und schließlich zitieren wir noch ihren Flyer: Gutzeit „singt und spielt Spott-, Hetz- und Lästersongs über die abgehobene Oberschicht für das abgehängte Prekariat.“ Damit ist ihre Musik umrissen, wenden wir uns den Bandmitgliedern zu.

Von Gabriele Haefs

Wenn eine Gruppe nach einem ihrer Mitglieder heißt, dann liegt die Annahme nahe, dass dieses Mitglied sozusagen der „dicke Boss“ ist, was doch irgendwie nicht so ganz zur Eigendarstellung passen mag. Doch, doch, sagen alle anderen grinsend, schon richtig so: „Peter ist hier der große Zampano.“ Schließlich schreibt er so gut wie alle Lieder und gründete die Band. Die Gruppe Gutzeit gibt es seit Anfang 2006, in wechselnder Besetzung, „sieben bis zehn Gitarristen“ habe man „verschlissen“, so Peter Gutzeit, „ein gruseliges Problem“. Er fand die anderen über Anzeigen. Dieter Rentzsch zum Beispiel als dieser folgende Annonce aufgab: „Akkordeonspieler mit Stimme sucht Folk-, Country-, Bluesband.“ Oder durch einen Blick aus dem Fenster: „Da ging eine verwegene Gestalt mit Kontrabass“ und Gutzeit rannte nach unten, wetzte hinterher und fand Maria Rothfuchs, die mangels eines Übungsraums mit ihrer Partnerin am Bahndamm übte und regelmäßig von der Bahnpolizei verjagt wurde. Der Anruf bei Rentzsch führte zum Störtebeker-Lied, dann wurde eine Demo-CD aufgenommen, für die Gutzeit alle Lieder geschrieben hatte, und damit ging’s los.

Eigentlich wollten sie sich zuerst „Gruppe Deutlich“ nennen, aber dann stellte sich heraus, dass es eine Gruppe dieses Namens schon gab. Und auch alle anderen Namen, die erwogen wurden, boten irgendwelche Probleme, anders als „Gruppe Gutzeit“ – ach, das klingt so positiv und ist leicht zu merken -, und alle fanden, damit leben zu können. Dass ein Modelabel ihnen den Namen abkaufen wollte, eben wegen des positiven Klangs, bestätigte sie dann in ihrer Überzeugung. Und jedenfalls, Name hin oder her, das stellt Peter Gutzeit ganz klar – und wendet sich damit gegen die derzeit herrschende offizielle Doktrin von Eliten, Ich-AGs und ähnlichem Unsinn: „Nur im Kollektiv schafft man was.“ Denn auch wenn die anderen fröhlich den Bandgründer Peter als ihren großen Zampano bezeichnen, so entsteht die Musik in enger Zusammenarbeit aller Gruppenmitglieder.


GRUPPE GUTZEIT
Ein Schrei geht durch das Land

(Plattenbau/Jump up JUP-00017, www.jump-up.de)
13 Tracks, 58:16, mit Texten als PDF

Die Gruppe Gutzeit sagt von sich, sie spiele „Folxmusik“, eine Mischung aus Country und Folk. Besser umschreibt Peter Gutzeit im Stück „Ich bin kein Cowboy“, was seine Band macht: Er singt davon, dass er Cowboystiefel und die Politik von Bush hasst, aber über Satellit einen Radiosender aus Nashville empfängt, den er über alles liebt. Deutsch gesungene Countrymusik mit linken Texten zum Mitsingen, passend fürs Bierzelt, könnte man die Mischung umschreiben – denke keiner, linkes Gedankengut sei dem Bildungsbürgertum vorbehalten! Hier singt einer in einfacher Sprache über die Ungerechtigkeiten dieser Welt; eindrücklich ist der Ohrwurm über Sabine, die bei Lidl zu einem Hungerlohn hinter der Kasse sitzt und weder Zeit noch Geld für den Urlaub am Schwarzen Meer hat. Natürlich könnte man solche Texte auch als Punkband vortragen, aber als Country-Combo schafft es die Gruppe Gutzeit hoffentlich, in Kreise vorzustoßen, die sonst von politischen Gruppierungen gänzlich anderer Couleur vereinnahmt werden. Andererseits könnte Peter Gutzeit sich mit seinen nach Amiland ausgerichteten Ohren ruhig mal etwas bei Texanern wie Joe Ely oder Steve Earle abhören – die singen auch nicht immer politisch korrekt und lieben den Country genauso. Etwas mehr Kargheit, Rauheit, Offbeats, dann und wann eine Slidegitarre und ein elektrischer Kracher hätten der Sache gut getan. Doch dann würde wohl ein Teil der Bierzeltbesucher zum sofortigen Aufbruch blasen ...

Martin Steiner

 

GRUPPE GUTZEIT – Ein Schrei geht durch das Land


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