Klangfestival in der SchweizNATURSTIMMEN IM DIALOGTohuwabohu im Toggenburg |
www.klangwelt.ch |
Im Kanton St. Gallen, zu Füßen der unter dem Namen Churfirsten bekannten Bergkette mitten in den Alpen, liegt eines jener sagenhaften Täler, die es bis in unsere Zeit hinein vermögen, sich dem Sog von Mainstream und Massenmedien noch insofern zu entziehen, als sie sich die Besonderheit einer beinahe archaisch anmutenden Klangkultur bewahrt haben. Nun ist damit aber keineswegs ein museales Hegen und Pflegen gemeint, sondern eine durchaus lebendige Verbindung von Tradition und Alttags- oder auch Gebrauchskultur. Ja, mehr noch: Die Naturtönigkeit, eben jenes besondere Klangphänomen, das sich in der schweizerischen Jodlerlandschaft ebenso findet wie in der finnischen oder georgischen Tradition, im Kaukasus, auf Sizilien oder auf den Philippinen, wird zur gemeinsamen Schnittmenge, einer Begegnungsfläche zwischen den Kulturen, Religionen und Interpretationen.
„Die Menschen im Toggenburg vertrauen eher dem Klang als dem Wort.“ |
Von Cathrin Alisch
Wir reden über das Toggenburg in der Ostschweiz. Nicht nur von seinen Bewohnern, sondern weit über die Kantonsgrenzen hinaus, in der gesamten Schweiz und zunehmend auch im benachbarten Ausland wird es mittlerweile fast synonym mit „KlangWelt“ gedacht, jenem Projekt, das sich auf vielfältige Weise intensiv dieser besonderen Gesangs- und Musikkultur widmet. Alle zwei Jahre zu Pfingsten wird die kleine Gemeinde Alt St. Johann, unterhalb des Säntis, zum Gastgeber für Hunderte von Sängern und Tausende von Besuchern mit deutlich steigender Tendenz.
„Das gemeinsame Singen verankert und schafft Identität.“ |
Das dritte internationale Klangfestival „Naturstimmen“ fand in diesem Jahr vom 30. April bis zum 11. Mai statt und verzeichnete schon im Vorfeld Rekordzahlen. Drei Tage vor Beginn waren bereits etwa 80 Prozent der Tickets für Konzerte, Workshops und Vorträge verkauft. Einige Veranstaltungen waren zu diesem Zeitpunkt sogar schon komplett ausgebucht. Tatsächlich sollten schließlich an die 6.000 Gäste in jenes kleine und scheinbar verschwiegene Tal kommen.
Eine solche Besucherstatistik ist erstaunlich für einen Ort dieser Größenordnung (zirka 1.500 Einwohner), dessen Bewohner sich weitgehend über ihre Arbeit als Bergbauern und eine entsprechende Nähe zur Natur mit all ihren oft harschen Bedingungen definieren, aber auch über ihre Identifikation mit bodenständigen Traditionen, Brauchtum - und dabei vor allem eben über die Musik. Peter Roth, der künstlerische Leiter des Festivals, selbst fest in der Gegend verwurzelt,
beschreibt die Verunsicherung, die mit dem Strukturwandel in der Schweiz und den veränderten Bedingungen in der Landwirtschaft einhergeht und betont: „Das gemeinsame Singen verankert und schafft Identität. Die Menschen im Toggenburg vertrauen eher dem Klang als dem Wort.“
Die Initiatoren der KlangWelt Toggenburg beweisen nicht nur ein sensibles Einfühlungsvermögen in die Mentalität der Einheimischen, sondern außergewöhnlichen Weitblick in Bezug auf die potenzielle touristische Infrastruktur der gesamten Gegend (und brauchen, wie überall, die notwendige Ausdauer in der Überzeugungsarbeit nach innen und außen). Kultur wird sehr gezielt als ausbaufähiger Wirtschaftsfaktor eingesetzt, auf den inzwischen auch lokale und überregionale Gremien aufmerksam werden. So haben beispielsweise die Bergbahnen im Jahr 2007 für den Klangweg, einen Wanderweg mit bespielbaren Installationen, mehrere Zehntausend Billette verkauft. Es gibt über das ganze Jahr verteilt Aktivitäten, Kurse, Seminare, Workshops, mit, um und über Klang, die zunehmend mehr Besucher und Besucherinnen ins Toggenburg führen.
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