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„NICHT DIE JUNGFRAU MARIA KENNT DEN FADO,
SONDERN DIE SüNDERIN MARIA MAGDALENA“

Bildnis Amália Rodrigues' an einer Hauswand

MARIZA
& Fado, meu Fado

AUF DEN MUSIKALISCHEN SPUREN
DER LUSITANISCHEN MELANCHOLIE

Mariza
„Portugal singt,
wo es Lust zum
Weinen hat;
und nie wird es
ohne diese
Stimme sein.“

Samstagabend in Lissabon im Herzen der Altstadt im Bairro Alto. Dicht an dicht flanieren Portugiesen und Touristenströme durch die engen Gassen. An der dunklen Ecke steht ein livrierter Herr: „ Come to the Fado ! Hier Fado, kommen!“, versucht er die Menschen in seine Taverne zu lotsen. Wer seinem Ruf folgt, den geleitet er in ein spärlich beleuchtetes Etablissement mit spartanischer Einrichtung. Auf der winzigen Bühne schlagen zwei Gitarristen in die Saiten, metallisch und dramatisch klingt die portugiesische Gitarre, sanfter und dunkler die spanische. Das Geklapper von Messern und Gabeln verstummt, als eine ältere Frau langsam auf die Bühne schlurft. Sie legt ihr schwarzes Schultertuch um, schließt die Augen, reckt die Hände gen Himmel und beginnt ein klagendes Lied. Vom Schicksal singt sie, dem man nicht entrinnen kann, wie sehr man sich auch dagegen aufbäumt, von Verlust und Liebesschmerz, von immerwährender Trauer, von Armut und Tod. Voller Herzblut intoniert die Sängerin die lusitanische Litanei der ewigen Klage, den Fado. „Portugal singt, wo es Lust zum Weinen hat; und nie wird es ohne diese Stimme sein“, heißt es in einem Lied so treffend.

Auswahldiskografie:
Cristina Branco, Abril (Phantom Sound & Vision,
   2007)
Madredeus, Faluas Do Tejo (EMI, 2005)
Mariza, Terra (World Connection, 2008)
Misia, Drama Box (Tropical/SONY BMG, 2005)
Ana Moura, Para Além Da Saudade (World
   Village/Harmonia Mundi, 2007)
Antonio Pinto Basto, Rendas Pretas (Zona
   Music/Galileo MC, 2003)
Telmo Pires, Passos (Traumton/Indigo, 2004)
Dulce Pontes, O Primeiro Canto (Polydor, 1999)

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in Deutschland in Zusammenarbeit mit
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Kooperationsseiten in der Heftmitte.

Von Suzanne Cords

„Manche sagen, der Fado sei der portugiesische Blues, und mein Volk hat tief im Inneren tatsächlich einen Hang zur Melancholie“, bestätigt Mariza, eine der bekanntesten Fadointerpretinnen der neuen Generation. „Vielleicht hat das etwas mit der geografischen Lage unseres Landes zu tun, wir waren immer ein Anhängsel Europas. Jahrhundertelang hatten wir die feindlichen Spanier im Rücken und vor Teresa Salgueiro uns nur die unendlichen Weiten unbekannter Meere und Länder, die es zu entdecken galt. Das führte zu einer gewissen Schwermut, und diese Schwermut ist über die Jahrhunderte weitervererbt worden. Damit will ich nicht sagen, dass wir Portugiesen alle depressiv und traurig sind, aber es hat sich eine gewisse Nostalgie in unseren Herzen eingenistet. Wenn man den Fado singen will, ist das sehr hilfreich.“

Ana Moura

Immer mehr Wein fließt, immer feuchter werden die Augen der Gäste, denn der bittersüße Schmerz zerreißt das Herz der Anwesenden. Schließlich ist Fado uma coisa sagrada , etwas Heiliges, und da hat man zu schweigen. Sein Ursprung ist umstritten, wahrscheinlich ist dieser akustisch-schwermütige Weltschmerz ein Erbe der Mauren.

Misia

Fado – vom lateinischen fatum , „Schicksal“ – ist in Portugal ein Thema, mit dem man selbst die Gleichmütigsten entweder auf die Palme oder ins Schwärmen bringen kann. Als sentimentales Geplärre einer pseudotypischen Volksseele verdammen die Gegner diesen Gesang, die Fans hingegen preisen ihn als Selbsterkennungsmelodie einer ganzen Nation. Nur in einer Hinsicht sind sich beide einig: Jeder verehrt die 1999 verstorbene Amália Rodrigues, die mehr als fünfzig Jahre lang den Lissaboner Fado interpretiert hat. „Beim Fado kommt es einzig auf die Seele an“, hat sie einmal gesagt. „Ich höre, ob jemand sie beim Singen entblößt.“

„Man darf nicht vergessen,
dass der Fado immer einen Platz
in den Herzen der Portugiesen hatte.
Und das Herz reißt man nicht einfach
so raus, auch wenn man ihm manchmal
nicht zuhört.“

Amália Rodrigues erblickte 1920 das Licht der Welt. Als halbwüchsiges Mädchen, barfuß und mit einem Korb Früchten auf dem Kopf, verkaufte sie Bananen und Orangen auf den großen Passagierdampfern im Hafen. Manchmal sang sie dann herzzerreißende Lieder, und das brachte mehr ein als der Verkauf des Obstes. Mit 21 war sie die Attraktion des bekanntesten Fadolokals der Stadt. Die besten portugiesischen Texter und Komponisten schrieben für Rodrigues, sie verkaufte Millionen von Platten und trat in den besten Häusern dieser Welt auf. Noch im letzten Jahrhundert war der Fado die Musik der Seeleute, Zuhälter und Prostituierten. Damals gehörte er zum horizontalen Gewerbe wie die rote Lampe zu den verruchten Vierteln. Doch Amália Rodrigues holte ihn aus den Arme-Leute-Vierteln und machte den lange verpönten Gesang gesellschaftsfähig. Als die Königin des Fado am 6. Oktober 1999 starb, rief der damalige Premierminister eine dreitägige Staatstrauer aus, der laufende Wahlkampf wurde eingestellt.


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im Folker! 5/2008