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PLATTENPROJEKTE SPEZIAL!

Es gibt DVDs, CDs und spezielle Serien, die sich den herkömmlichen Kriterien einer Rezension entziehen. Gerade in einer Zeit, in der Tonträger preiswert produziert werden können und die Menge an Veröffentlichungen inflationär ist, sind anspruchsvolle Serien besonders wichtig. Engagierte Vorhaben, ganz gleich ob tatsächliche oder angebliche, müssen sich mit strengeren Maßstäben messen lassen als z. B. eine ordinäre Kompilation.
In diesem Heft schreibt Luigi Lauer in einer Spezialausgabe der Reihe „Plattenprojekte“ über den von Wrasse Records veröffentlichten Gesamtkatalog von

FELA
ANIKULAPO
KUTI

Fela Kuti
Literatur:

Mabinuori Kayode Idowu:
  Fela le combattant.
  Le Castor Astral, 2002.
Michael E. Veal: Fela, the Life
  and Times of an African
  Musical Icon
. Temple
  University Press, 2000. ISBN 1-56639-765-0.
Rolf Brockmann, Gerd Hötter: Szene Lagos.
  Reise in eine afrikanische Kulturmetropole
.
  München: Trickster Verlag, 1994,
  S. 15-48. ISBN 3-923804-75-X

Fragt man Musiker aus Afrika nach musikalischen Vorbildern, fallen keine Namen so oft wie die von Miriam Makeba und Fela Kuti. Rebellen – alle beide. Musikalisch innovativ und erfolgreich – alle beide. Doch während Miriam Makeba zaghaft und schüchtern der Welt schilderte, was im Apartheidssystem Südafrikas abging, nagelte Fela Kuti in Nigeria seine Thesen mit glühenden Wurfmessern an die Türen der Mächtigen. Bei Wrasse Records ist nun, gut zehn Jahre nach Felas Tod, das musikalische Lebenswerk vollständig auf CD erschienen – ein hörenswerter Rückblick auf ein nicht alltägliches Leben.

Fela Kuti

Abeokuta liegt gut hundert Kilometer nördlich der früheren nigerianischen Hauptstadt Lagos und übersetzt sich aus Yoruba mit „Zuflucht zwischen den Felsen“ – fast ein programmatischer Name für den Geburtsort des rebellischsten Musikers, den Afrika je hervorgebracht hat. Die Felsen musste er selbst behauen, um dazwischen Unterschlupf zu finden, sein ganzes Leben war er nie sicher vor Nachstellungen und Repressalien jeder Art, angeordnet von denen, die sein Wort fürchteten. Doch einschüchtern ließ Fela Kuti sich nie. Die Mutter war eine angesehene Frauenrechtlerin, furchtlos und durchsetzungsstark, sie organisierte bereits in den 1930ern Massendemonstrationen gegen die lokale Regierung.

Fela Kuti und seine Frauen

So eine Herkunft verpflichtet, könnte man sagen. Feminismus muss sich Fela Kuti indes kaum vorwerfen lassen, er war Chauvinist und Sexist durch und durch. „Männer wollen doch vor allem so viele Frauen wie möglich haben. Die Europäer“, sagt Kuti auf der DVD (s. u., Pos. 1), „haben eine Frau zu Hause, und sobald sie schläft, ziehen sie los und ficken rum. Warum bringen sie die nicht mit nach Hause und leben mit ihnen, anstatt auf den Straßen nach ihnen zu suchen? Das ist, was in der Natur der Männer liegt!“ Felas Vorstellung davon, wann der Natur Genüge getan ist, lässt sich in eine Zahl fassen: 27. So viele Frauen heiratete er auf einen Schlag in einem illegalen und provokativen Akt, der diese „afrikanische Tradition“ in den Mittelpunkt stellen sollte. Es gibt sie nur nicht. „Frauen sind Matratzen“, singt er in einem Lied (Pos. 9). Dass er sich gerne junge Mädchen ins Haus holte, ist hinlänglich überliefert, und schon die Passivbekiffung machte nicht nur die Mädels willig, sondern erreichte bereits Säuglinge (die, wie auf der DVD zu sehen, selbst Backstage im völlig zugerauchten „Shrine“, seiner bevorzugten Kultspielstätte im Herzen von Lagos, bei Konzerten schliefen). Schwule waren für ihn der letzte Dreck, und er bestritt die Existenz von Aids, woran er starb, bis zum Schluss.


Der Wrasse-Katalog zu Fela Anikulapo Kuti ist, zum schnelleren Auffinden der Referenzstellen im Text, durchgehend nummeriert.
[Hier ein Auszug – Gesamtaufstellung im Heft]

Einige interessante Seiten zu Fela Anikulapo Kuti gibt es im Internet:

Ein kleines Fela-Alphabet hat der Afrika-Kenner Dr. Wolfgang Bender verfasst:
ntama.uni-mainz.de/content/
view/39/37/

Derselbe analysiert lesenswert und amüsant einige der comicartigen Plattencover:
ntama.uni-mainz.de/content/
view/45/37/1/0/

Rikki Stein, viele Jahre Kutis Manager, hat eine kleine Biographie geschrieben:
go! //worldmusiccentral.org/ artists/
artist_page.php?id=1067


Die ausführlichste Biographie im Internet ist von Jay Babcock:
go! www.jaybabcock.com/fela.html

Vom britischen Musikjournalisten Peter Culshaw gibt es einen lesenswerten Artikel:
go! observer.guardian.co.uk/omm/
story/0,,1280186,00.html


Fela Kuti live mit Jethro Tull:
www.youtube.com/watch
?v=khFi-Iyke9k

Compilations:

1. The Best Of Fela Kuti: Music Is The Weapon
(Wrasse 197, 2 CDs, 13 Tracks, 157:59, plus DVD, 53:00)
Eine Zusammenstellung einiger der wichtigsten Titel Kutis, 2004 erschienen und randvoll. Die DVD ist eine lohnenswerte Dokumentation von 1982
.

2. The Two Sides Of Fela: Jazz & Dance
(Wrasse 077, 2 CDs, 9 Tracks, 125:36)
Einige weniger bekannte Stücke wechseln sich mit Klassikern ab.

3. Fela Kuti – The Best Of The Black President
(Wrasse 158, 2 CDs, 13 Tracks, 157:59)
Diese Auswahl ist identisch mit Pos. 1, nur ohne DVD.

Folgend die im Midprice-Segment erhältlichen Alben/Doppelalben von Wrasse Records, aufsteigend nach Katalognummer. Der Preis beträgt für die meisten Alben (alle re-mastered) bei Zweitausendeins 9,99 Euro, einige kosten 14,99 Euro.

4. Open & Close/Afrodisiac
(Wrasse 044, 7 Tracks, 76:40)
Die Stücke wurden zwischen 1971 und 1973 veröffentlicht, die Band trägt erstmals den Namen Africa ’70. Afrodisiac brachte ihm den Durchbruch in Nigeria. Im letzten Lied legt er sich erstmals mit der Regierung an.

5. Monkey Banana/Excuse O
(Wrasse 045, 4 Tracks, 54:47)
Beide Alben stammen aus dem Jahr 1975. Das Lied „Monkey Banana“ ist ein Aufruf an die Arbeiter, sich nicht für einen Hungerlohn zu verkaufen. „Sense Wiseness“ handelt von der Entfremdung der westlich ausgebildeten Elite von ihren Ursprüngen. Im letzten Track bemängelt er das nigerianische Bildungssystem als billige Kopie des Westens.

6. Ikoyi Blindness/Kalakuta Show
(Wrasse 046, 4 Tracks, 60:00)
Die Aufnahmen wurden 1976 veröffentlicht. Ikoyi Blindness handelt von Leuten, die ihren Job nach Karrieregesichtspunkten statt nach Vorlieben und Fähigkeiten auswählen. Kutis Nachname „Ransome“ ist auf dem Cover durchgestrichen und durch „Anikulapo“ ersetzt. Kalakuta Show: Zweimal stürmte 1974 die Polizei Kutis Haus, um Beweise wegen Drogenbesitzes und „Geiselnahme Minderjähriger“ zu sichern.

7. J.J.D./Unnecessary Begging
(Wrasse 047, 3 Tracks, 53:41)
Vorsicht, Fehler: Die zweite Booklethälfte gehört zur CD Wrasse 079. Die Aufnahmen stammen aus den Jahren 1976-77, Track 1 ist live in der „Kalakuta Republic“ aufgenommen.

8. Zombie
(Wrasse 048, 4 Tracks, 53:38)
Nach Veröffentlichung 1976-77 brannte das Militär Kutis Anwesen nieder. Angeblich wurden zwei der vier Tracks 1978 live beim Jazzfest Berlin aufgenommen und waren bislang unveröffentlicht. Offenkundig ist aber nur der letzte Titel live aufgenommen.

9. Everything Scatter/Noise For Vendor Mouth
(Wrasse 049, 4 Tracks, 55:02)
Die beiden Alben stammen aus dem Jahr 1975. Everything Scatter ist eine fiktive Debatte in einem Bus, der an der „Kalakuta Republic“ vorüberfährt. Ähnlich die Thematik auch in Noise For Vendor Mouth. Umstritten der letzte Titel des Albums, „Mattress“, in dem Kuti seine Polygamie als natürlich und traditionell afrikanisch rechtfertigt.

10. Upside Down/Music Of Many Colours
(Wrasse 050, 4 Tracks, 65:33)
Je zur Hälfte 1976 und 1980 aufgenommen. In Track 1, „Upside Down“, ist die Amerikanerin Sandra Smith Gastsängerin, die Kuti 1969 mit den Ideen der Black Panther vertraut gemacht hatte. Von Track 2, „Go Slow“, befindet sich bereits eine Version auf Wrasse 056, aufgenommen 1972. Tracks 3 und 4 entstanden nach einer gemeinsamen Tournee durch Nigeria mit dem Vibrafonisten Roy Ayers. Track 4, „2000 Blacks Got To Be Free“, ist eines der bekanntesten Stücke Kutis.

11. Teacher Don’t Teach Me Nonsense
(Wrasse 051, 3 Tracks, 78:57)
Die ersten beiden Tracks wurden, ungewöhnlich für Kuti, 1986 von Wally Badarou aus Benin produziert. Track 3, „Just Like That”, gehört zum Album Beasts Of No Nation von 1989.

12. Beasts Of No Nation/O.D.O.O.
(Wrasse 052, 2 Tracks, 60:16)
Aufgenommen 1989 und 1990, sind diese beiden rund dreißigminütigen Tracks typisch für die epische Länge der Lieder Kutis. „Beasts Of No Nation“ ist eine Attacke gegen die Vereinten Nationen.

13. Underground System
(Wrasse 053, 3 Tracks, 75:01)
Ein Album aus dem Jahr 1992 mit einem Track aus dem Album O.D.O.O. von 1990. „Underground System“ handelt von afrikanischen Helden wie Kwame Nkrumah und von Verbrechern wie Abiola, Chef des Kommunikationsriesen ITT (bei Kuti steht das Kürzel für „International Thief Thief“, s. Pos. 26). In „Pansa Pansa“ kündigt er an, mit seiner Kritik noch lange nicht fertig zu sein. In „Confusion Break Bones“ fragt er, warum Afrikaner so arm sind trotz der enormen Bodenschätze.

[...weiter in der Gesamtaufstellung im Heft]


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im Folker! 3/2008