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LABELPORTRÄT
NR. 33

Die Bear Family wird 33

RICHARD WEIZE:

Vom Rock-’n’-Roll- und Countryfan
zum Sammler und (Musik-)Historiker

Richard Weize 2003
Logo
Bear Family Records
Postfach 1154
27727 Hambergen
Tel. 04748-8216-0
go! info@bear-family.de
go! www.bear-family.de

Er wird als „Exzentriker mit Latzhose, Zopf und Nickelbrille“ bezeichnet, der ein „Faible für die komischen Hillbillies“ besitze. Doch vor allem mit seinen Wiederveröffentlichungen aus allen Bereichen der populären Musik hat sich Richard Weize in aller Welt einen Namen gemacht. „Ich bin der Beste“, meinte der Chef von Bear Family Records einmal bei einem Gespräch. Das meint er allerdings mit einem zwinkernden Auge unter Verweis auf die alte Erkenntnis, dass unter den Blinden der Einäugige König ist. „Ich versuche, saubere Arbeit zu leisten. Wenn andere das auch tun würden, dann gehörte ich ebenfalls zu den Blinden.“ Dieser Anspruch hat bis heute seine Gültigkeit behalten, 33 Jahre nach der Gründung des Labels, das in Vollersode, auf einem umfunktionierten Bauernhof rund vierzig Kilometer nordöstlich von Bremen residiert.

Von Michael Kleff

Die Redwood-Bärenfamilie

Für seinen „langjährigen innovativen Umgang mit dem Tonträger“, wie es etwas steif in der Laudatio hieß, bekam Richard Weize vor fünf Jahren den Preis der deutschen Schallplattenkritik verliehen. In der Szene werden seine Verdienste mit etwas lockereren Sprüchen gewürdigt. Da ist die Rede vom „verrückten Deutschen in amerikanischen Schallplattenarchiven“. Weize gilt als Guru der „dicken CD-Boxen“. Als Vollständigkeitsfanatiker. Davon zeugen unzählige, meist bleischwere Boxen im LP-Format, von Künstlern wie den Everly Brothers, Bill Monroe oder Doris Day. „Mir macht es Spaß, etwas komplett zu dokumentieren“, sagt er zur Begründung. Das gehöre zur „persönlichen Beklopptheit eines Sammlers – das Werk eines Künstlers komplett zu besitzen“.

Die Bear-Family-Crew 2005

Weize nennt als Bespiel für sein Konzept das 8-CD-Boxset Out Of New Orleans von Fats Domino. Damit wollte er nicht nur zeigen, was der Mann gemacht hat, sondern auch dessen Bedeutung festhalten. Die Tondokumente sowie das dazugehörige Buch mit vielen Informationen und Abbildungen sind für ihn „auch ein Stück Zeitgeschichte“, für die sich normalerweise allenfalls noch die heute Fünfzig- und Sechzigjährigen interessieren. „Ich will aber auch den Jüngeren einen ‚klingenden‘ Einblick in die Umbruchzeit nach dem Zweiten Weltkrieg geben.“ Insofern versteht sich Richard Weize als Historiker.

Innenhof Vollersode

Weitere Beispiele klingender Bären-Geschichts-Boxsets sind: Songs For Political Action, die wirklich ultimative Sammlung zum Thema Folkmusik und politische Linke in den USA während der Jahre 1926 bis 1953. Oder mit Vorbei ... Beyond Recall eine elf CDs und eine DVD umfassende Dokumentation jüdischen Musiklebens in Berlin zwischen 1933 und 1938. Zur Zeitreise werden auch die zehn CDs des Sets West Indian Rhythm – Trinidad Calypsos On World And Local Events ..., die zurück in den Karneval der Jahre 1938, 1939 und 1940 nach Port of Spain führen. Eine richtig „schräge Geschichte“ (O-Ton Weize) ist die Box Atomic Platters. Vor einigen Jahren kam Richard Weize mit ein paar Leuten aus Los Angeles in Kontakt, die sich mit Atomkraft und Atombombenexperimenten nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigen und dabei auf Aufnahmen von Liedern und anderem Propagandamaterial gestoßen sind. „Da fällt dir nichts mehr zu ein. Ich habe da ein Video bekommen, in dem eine Schildkröte zu sehen ist, die unter dem Motto ‚Duck up and cover‘ den Amerikanern in den Fünfzigerjahren vorführte, wie man sich mit einer Decke über dem Kopf vor den Folgen eines Atombombenabwurfs schützen könne. Das wurde in Schulklassen gezeigt. Bei solchen Sachen denkst du, das ist Satire. Wie heute, wenn man US-Präsident Bush reden hört. Bloß, das ist auch keine Satire.“


Eine Liste aller erschienenen Labelporträts findest Du im go! Archiv!


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im Folker! 3/2008