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ZU GAST BEIM TFF.RUDOLSTADT 2008
Gráda

Weltmusikalische Klänge von der Grünen Insel

„Als Irish Traditional Band sind wir wohl nicht zu bezeichnen, aber als Band, deren Wurzeln ganz tief in der irischen Musiktradition verankert sind.“ (Nicola Joyce)

 

GRÁDA

New Irish Folk

Wenn man an einem ungemütlichen Winterabend das Haus verlässt, um in das pfälzische Dörfchen Hatzenbühl zu fahren, dann muss es dafür schon einen wirklich guten Grund geben. Einen solchen Grund können beispielsweise fünf Musiker liefern, die sich Gráda nennen und an diesem Abend dort auftreten. Seit sieben Jahren reist die Band kreuz und quer durch die Welt und begeistert ihre Zuhörer mit einer Musik, die in Fachkreisen gerne als „New Irish Folk“ bezeichnet wird. Nun weiß man, dass solche Begriffe häufig geprägt werden, wenn man sich schwer tut mit der Beschreibung dessen, was da gespielt und gesungen wird. Und mal ehrlich: Wirklich etwas vorstellen kann man sich unter dem Begriff New Irish Folk doch eigentlich nicht. Ein Grund mehr, sich etwas genauer mit Gráda zu beschäftigen.

Von Markus Dehm

Diskografie:
Endeauvour
(Compass Records, 2002)
The Landing Step
(Compass Records, 2004)
Cloudy Day Navigation

  (Compass Records, 2007)

Gráda unterwegs:
go! www.musiccontact.com

16.05.08: Bielefeld, Neue Schmiede
17.05.08: Sohren, Bürgerhalle
18.05.08: Rottweil, Theater im Badhaus
22.05.08: Bonn, Kunst- und Ausstellungshalle
23.05.08: Kaarst, Albert Einstein Forum
24.05.08: Ritterhude, Veranstaltungszentrum

go! www.gradamusic.com

Ruft man sich die Webpage einer Band auf den Computerbildschirm, um etwas über die Biografien der Musiker zu erfahren, dann bekommt man häufig seitenlange Abhandlungen, die vom ersten Kontakt mit dem Instrument über die Anfänge in der Schülerband bis hin zu Auftritten in den großen Hallen dieser Welt reichen. Bei Gráda ist das anders: Man erfährt vor allem, was die Bandmitglieder am liebsten essen, unter welchem Sternzeichen sie einst das Licht der Welt erblickt haben, welchen Bus man nehmen muss, um in den Dubliner Vorort zu gelangen, in dem Alan Doherty zu Hause ist und so weiter ... So ganz nebenbei werden auch ein paar Details erwähnt, so „unbedeutende“ Dinge eben wie die Tatsache, dass Doherty als Flötist beim Soundtrack des Films Der Herr der Ringe zu hören ist, für den es einen Oscar gab. Aber welchen Wert hat eine solche Information schon gegenüber der Tatsache, dass Nicola Joyce, die Sängerin der Band, am liebsten Walnusskuchen mag? Man kann darüber schmunzeln, allerdings spiegelt die Aufmachung der Website das Selbstverständnis von Gráda sehr gut wider. Man gibt sich locker, entspannt, ganz so, als wolle man nicht nur das Publikum, sondern auch sich selbst unterhalten und das mit einer Musik, die zuweilen genügend Schwung hat, um ein Segelboot bei Flaute in Fahrt zu bringen. Und eine gelassene Einstellung ist wohl auch wichtig, wenn man insgesamt acht, neun Monate im Jahr aus dem Koffer lebt, immer unterwegs von Gig zu Gig.

Gráda

Die Musiker der heutigen Besetzung waren nicht alle von Beginn an dabei, Colin Farrell ersetzte Brendan O’Sullivan an der Fiddle, und als Anne Marie O’Malley die Segel bei Gráda strich, übernahm Nicola Joyce ihren Part und damit ganz gewiss keine leichte Aufgabe. Aber Joyce, die junge Sängerin, Bodhrán-, Gitarre- und Fiddlespielerin von der irischen Westküste, meistert die Aufgabe mit Bravour. Eigentlich ist sie Lehrerin für Irisch und Musik, und sie würde heute wohl an irgendeiner Schule in Galway, Sligo oder Limerick unterrichten, wäre da nicht dieses Casting gewesen. Ja, richtig – ein Casting. Und da meint man immer, die Karriere eines Folkmusikers aus Irland beginne in einem Pub, im Rahmen einer Session, wo man gehört, entdeckt und weiterempfohlen wird. Die „Gráda-Herren“ aber ließen bitten. So an die zwanzig Damen durften für sie singen und Nicola Joyce war schließlich am Ende die Glückliche. Auf die Frage, ob es denn nicht schwierig sei, die ganze Zeit mit den Jungs zusammen zu sein, ob sie sich nicht manchmal eine Kollegin wünsche, sagt sie: „Eigentlich macht mir das nichts aus. Wir kommen prima miteinander klar, und das ist die Hauptsache. Außerdem haben meine Kollegen feminine Züge, das stellt man fest, wenn man sie gut genug kennt. Gerry beispielweise geht wahnsinnig gerne shoppen. In dieser Hinsicht ist er zweifellos jeder Frau ebenbürtig. Aber ich gebe zu, dass es hin und wieder auch schön wäre, weibliche Gesellschaft zu haben.“

„Für mich waren beispielsweise die Sessions zu Hause in unserem lokalen Pub besonders prägend. Dieser Pub ist großartig, ein Schmelztiegel für Musiker, Künstler, Farmer und Trinker.“ (Nicola Joyce)

Als Leadsängerin und einzige Frau ist Nicola Joyce natürlich der Blickfang auf der Bühne. Aber ihre männlichen Mitstreiter, allen voran Alan Doherty, wissen sich zu behaupten. Doherty ist nicht nur ein begnadeter Flötist, dessen Soli die Zuhörer zuweilen die Luft anhalten lassen, sondern er ist auch ein exzellenter Entertainer. Bei einer Gráda-Show wird nämlich einfach alles thematisiert, und schon deshalb gleicht kein Konzert dem anderen. Schneidet sich die Sängerin beispielsweise unmittelbar vor dem Auftritt in den Finger – so geschehen bei einem Konzert in Karlsruhe -, dann zieht sich dieser Sachverhalt durch die ganze Show. Ständig spricht Doherty sie darauf an und bezieht die Zuhörer in die Diskussion darüber mit ein, wie denn der lädierte Finger an einen schnellen Heilungsprozess herangeführt werden könne. Manchmal fällt es einem direkt schwer nach all den Späßen, die Ernsthaftigkeit wiederzufinden, die in sehr vielen Gráda-Stücken anklingt. Denn blickt man auf das Repertoire der Band, dann kann von einer Spaßtruppe nur sehr bedingt die Rede sein.


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im Folker! 3/2008