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PLATTENPROJEKTE

Es gibt DVDs, CDs und spezielle Serien, die sich den herkömmlichen Kriterien einer Rezension entziehen. Gerade in einer Zeit, in der Tonträger preiswert produziert werden können und die Menge an Veröffentlichungen inflationär ist, sind anspruchsvolle Serien besonders wichtig. Engagierte Vorhaben, ganz gleich ob tatsächliche oder angebliche, müssen sich mit strengeren Maßstäben messen lassen als z. B. eine ordinäre Kompilation.
In diesem Heft schreibt Mike Kamp über die CD-Serie

The Radio Ballads

The Song Of Steel
The Song Of Steel
(Gott Discs GOTTCD047,
14 Tracks, 56:57)
The Enemy That Lives Within
The Enemy That Lives Within
(Gott Discs GOTTCD048,
11 Tracks, 56:55)
The Horn Of The Hunter
The Horn Of The Hunter
(Gott Discs GOTTCD049,
15 Tracks, 56:57)
Swings And Roundabouts
Swings And Roundabouts
(Gott Discs GOTTCD050,
12 Tracks, 56:50)
Thirty Years Of Conflict
Thirty Years Of Conflict
(Gott Discs GOTTCD051,
10 Tracks, 56:51)
The Ballad Of The Big Ships
The Ballad Of The Big Ships
(Gott Discs GOTTCD047,
14 Tracks, 56:56)
The Songs Of The Radio Ballads
The Songs Of The Radio Ballads
(Diverse; Gott Discs GOTTCD047,
20 Tracks, 56:55)
Infos über:
go! www.bbc.co.uk/radio2/radioballads
go! www.gottdiscs.com

Was haben wir hier? Sechs etwa einstündige Radiosendungen auf CD. Na und? Radiosendungen hab’ ich auch schon gemacht – und zwar ein Vielfaches mehr als nur sechs Stunden!

Moooment, Herr Kamp, so einfach ist die Sache ja nun auch wieder nicht. Richtig ist, dass es sich bei diesen CDs tatsächlich um Radiosendungen der BBC handelt, aber auch wenn uns angesichts des heutigen, meist ärmlichen Formatradios die Vorstellung schwerfällt: Radio ist nicht gleich Radio, und die vorliegenden Sendungen entstammen sozusagen der Königsdisziplin des britischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Der Begriff „Radio Ballads“ kommt vielleicht dem einen oder anderen Anglophilen bekannt vor. Kein Wunder, waren es doch Charles Parker und der britische Folkguru Ewan MacColl, die 1957 die legendäre achtteilige Originalserie von themenbezogenen Radioprogrammen für die BBC produzierten, und etliche der Lieder, die MacColl zu diesem Anlass schrieb (z. B. „Schooldays Over“, „Manchester Rambler“ oder „Go, Move, Shift“), gelten heute als Klassiker und werden häufig für Traditionals gehalten. Das ist zweifelsohne die größte Auszeichnung für einen Folksong.

Knappe fünfzig Jahre später hatte eine Gruppe von Enthusiasten die Idee, man könne ein solches Projekt erneut angehen. John Leonard war als Produzent der Kopf des Unternehmens und entschied sich gemeinsam mit Vince Hunt und Sara Parker (Tochter des Original-Koproduzenten!) als Interviewer für sechs Themenbereiche, die sich an die Originale anlehnten, aber dennoch deutlich aktueller waren. So wurde das ehemals brennende Thema der Polioerkrankung durch die heutige Herausforderung Aids ersetzt. Nach Abschluss der Interviews wurden die Ergebnisse einer Reihe von Singer/Songwritern unter Leitung des Musikalischen Direktors John Tams vorgestellt. Anerkannte Spezialisten wie Karine Polwart, Julie Matthews, Jez Lowe oder Tommy Sands schrieben dann die Songs, die in Tams’ Studio von einem Großaufgebot bekannter Musiker wie Kate Rusby, Cara Dillon, John McCusker, Martin Simpson, Kellie While, Andy Cutting oder Sam Lakeman eingespielt wurden.

Damit begann eine weitere, extrem anspruchsvolle und kreative Arbeit, nämlich die Songs in die Kollagen von Interviews und Originalgeräuschen einzuarbeiten. Wie sich das bei Themen wie dem Niedergang der Stahl- oder Schiffbauindustrie, dem Für und Wider der Fuchsjagd oder sogar bei der CD über die Rummelplatzindustrie anhört, kann man sich vielleicht noch vorstellen. Aber wie illustriert man den Nordirlandkonflikt oder das Thema Aids akustisch? Im letzteren Fall konzentrierten sich die Verantwortlichen lediglich auf die Songs und die Interviews und kreierten damit eine packende Atmosphäre. Ähnlich ging man beim Thema Nordirland vor, ein paar ältere Originaltöne zu den Songs und Interviews, das war’s. Aber all das wurde im wahrsten Sinne des Wortes miteinander verwebt. Die einzelnen Sequenzen für sich mochten einfach oder simpel klingen, aber wie sie aneinandergereiht wurden und sich so zu einem großen Ganzen entwickelten, das ist beeindruckend.


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